Berlin. Dodi Lukebakio musste von Hertha-Trainer Bruno Labbadia erst wachgekitzelt werden. In Leipzig soll der Stürmer nun erneut seinen Wert beweisen.
Vielleicht war es diese eine Szene, die den Wandel am besten veranschaulichte. Das Derby gegen den 1. FC Union war gerade 27 Minuten alt, da schmiss Dodi Lukebakio (22) alles rein, was er hatte – sein Tempo, seinen Körper und endlich auch seine Leidenschaft. Unions Michael Parensen hatte sich den Ball an der Mittellinie zu weit vorgelegt, also sprintete Herthas Stürmer los. Der Belgier, zuvor seit Monaten phlegmatischer Fremdkörper, lief seien Gegner derart entschlossen an, dass es kräftig schepperte, doch während Haudegen Parensen verdutzt am Boden blieb, hatte sich Lukebakio nach seinem Ballklau längst berappelt, sprintete Richtung Strafraum und bereitete dort die nächste Torchance vor. Für Trainer Bruno Labbadia eine Bilderbuch-Sequenz.
Sicher, der Coach freute sich auch über den Treffer zum 2:0, der Lukebakio später gelingen sollte, doch wichtiger waren ihm andere Dinge. „Dodi hat unheimlich gut mit der Mannschaft mitgearbeitet“, hob der Coach hervor, „und das war bislang noch nicht seine Stärke.“ Diesmal aber ackerte der Angreifer so zielstrebig und verbissen, dass sein Auftritt zur Blaupause taugte – für jene Einstellung, die die Berliner am Mittwoch beim Tabellendritten RB Leipzig dringend brauchen werden (18.30 Uhr, Sky).
Der Instinktkicker wird zum Teamplayer
Anders als die formschwachen Gegner aus Hoffenheim und Köpenick präsentiert sich Leipzig so angriffslustig wie eh und je. Bei Mainz 05 gewannen die Sachsen zuletzt mit 5:0, ein Ergebnis, mit dem der FSV „noch gut bedient war“, wie Labbadia anmerkte. Herthas Trainer weiß: Gegen ein so spielstarkes Ensemble braucht es Galligkeit und taktische Disziplin. Einen Ausnahmekönner wie RB-Angreifer Timo Werner zu stoppen, wird nur über das Kollektiv möglich sein, dann, wenn jeder einzelne voll mitzieht.
Dass es Labbadia nun gelang, den Instinktkicker Lukebakio auf Linie zu bringen, ist durchaus bemerkenswert. Der Linksfuß hat das Fußballspielen nun mal auf der Straße gelernt und galt schon bei Ex-Klub Fortuna Düsseldorf als Freigeist. Neben seiner recht einseitigen Job-Auffassung haderten frühere Trainer auch mit seinem fehlenden Biss. Das Urteil von Herthas Ex-Coach Jürgen Klinsmann fiel eindeutig aus. Lukebakio sei „nicht leidensfähig“, hieß es in seinem legendären Protokoll.
Der Angreifer widerlegt Klinsmanns These
Noch weniger als Klinsmann hatte Herthas Interimscoach Alexander Nouri für den Stürmer übrig, er ließ Lukebakio bestenfalls noch einzelne Halbzeiten spielen. Die Folge: Bis zum vergangenen Freitag wartete der Offensivkünstler sieben Spiele, 118 Tage oder 356 Einsatzminuten auf ein Tor und verlor dabei jegliche Bindung zum Berliner Spiel. Der Tiefpunkt Ende Februar: Als Herthas Routiniers um Kapitän Vedad Ibisevic nach einer desolaten 0:3-Hälfte gegen Düsseldorf das Wort ergriffen, musste Lukebakio in der Kabine bleiben. Der Mann, der im Sommer 2019 als bis dahin teuerster Einkauf der Klub-Geschichte (Ablöse 20 Mio. Euro) zur Berliner Attraktion werden sollte, wurde aussortiert.
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Das alles muss man sich wieder vor Augen führen, wenn man verstehen will, welche Signalwirkung Lukebakios Transformation hat. Der Schönspieler hat eine neue Lust aufs Leiden entdeckt, oder zumindest eine Notwendigkeit. Verantwortlich dafür ist vor allem Coach Labbadia, der offensichtlich die richtige Ansprache gefunden hat – wenn auch nicht auf Anhieb.
Trainer Labbadia nimmt Lukebakio in die Pflicht
Die Gleichung „neuer Trainer = neuer Einsatzwille“ griff bei Lukebakio jedenfalls nicht. Bei Labbadias Premiere, dem 3:0 gegen Hoffenheim, blieb der Belgier von allen Berlinern der schwächste. „Das war wirklich kein gutes Spiel von ihm“, sagte Labbadia, nahm seinen Außenbahnspieler danach aber „in die Pflicht“. Das half: Gegen Union steigerte Lukebakio seine Zweikampfquote von 33 auf 70 Prozent, erledigte dabei auch unangenehme Aufgaben und belohnte sich schließlich mit seinem sechsten Saisontor. Eine Attacke mit Anlauf.
Gegen Leipzig soll er nun erneut seinen Wert für Hertha beweisen. Mit seiner Schnelligkeit bei Kontern und seiner Effizienz im Abschluss (bislang starke sechs Tore aus 34 Schüssen), vor allem aber mit seiner neuen Einstellung.