Orlando. Herthas Investor Lars Windhorst setzt auf Trainer Jürgen Klinsmann. Doch reichen Charme und Geld, um Stars wie Götze oder Draxler zu holen?

Um die Abteilung Attacke kümmerte sich der Chef höchstselbst – auch auf dem Platz. Im Trainingslager in Florida bat Hertha-Coach Jürgen Klinsmann seine Stürmer am Samstag zu einer Spezialeinheit. Abschlüsse aus allen Lagen wollte der frühere Top-Angreifer sehen, zielstrebig, mit Wucht und mit Köpfchen. Eine Momentaufnahme, die trefflich zu Klinsmanns Mission beim Fußball-Bundesligisten passt, denn auf ähnliche Art will er Hertha ja nach vorn bringen, so schnell wie möglich, koste es, was es wolle.

Draxler, Götze, Xhaka im Gespräch

Der Einstieg von 224-Millionen-Euro-Investor Lars Windhorst hat die Berliner in Sphären katapultiert, die für sie bislang unerreichbar waren. Dass im Sommer in Dodi Lukebakio der mit Abstand teuerste Zugang der Vereinsgeschichte geholt wurde (Ablöse: 20 Millionen Euro), war erst der Anfang, spätestens seit Klinsmanns Ankunft wird groß gedacht. „Graue Maus“ war gestern, die Zukunft heißt „Big City Club“ – zumindest, wenn es nach Geldgeber Windhorst geht.

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In Klinsmann, der von Windhorst zunächst als Berater im Aufsichtsrat der Hertha KGaA installiert wurde, hat der umstrittene Finanz-Jongleur einen medienwirksamen und mutigen Kommunikator gewonnen, der Hertha bundesweite Aufmerksamkeit beschert. Seit dem Sommermärchen 2006 umweht den damaligen DFB-Teamchef ja die Aura des innovativen Projekt-Managers, Klinsmann steht für Aufbruch.

„In drei bis fünf Jahren um Titel spielen“

Ehrgeizige Ziele scheut der 55-Jährige jedenfalls nicht. Zunächst gehe es zwar einzig um den Klassenerhalt, aber „ab nächster Saison“, so Klinsmann, „müssen wir Richtung Europa angreifen“. In „drei bis fünf Jahren“ soll Hertha gar „um Titel mitspielen“.

Längst wehen große Namen wie die des Ex-Gladbachers Granit Xhaka, BVB-Profi Mario Götze oder des Ex-Schalkers Julian Draxler durch Berlin. „Wir können jetzt international um Spieler mitreden“, behauptet Klinsmann, verschweigt allerdings, warum Top-Spieler ausgerechnet zu Hertha wechseln sollten. Ob der Mix aus Geld, Vision und dem Standort Berlin tatsächlich genug Sexappeal verströmt, um Stars an die Spree zu locken?

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Ascacibar kommt aus Stuttgart

Derzeit macht es noch nicht den Anschein. Für Paris-Saint-Germain-Profi Draxler war Herthas Gehaltsangebot offenbar zu niedrig, Götze verfolgt sportlich höhere Ziele und selbst der Transfer des ursprünglich wechselwilligen Xhaka vom FC Arsenal scheint zu platzen. Immerhin köderte Manager Michael Preetz den talentierten Sechser Santiago Ascacibar (22) vom VfB Stuttgart für zehn Millionen Euro. In Pre-Windhorst-Zeiten wäre der Argentinier Herthas Rekordeinkauf gewesen, aber die wirtschaftlichen Grenzen haben sich verschoben. Und die sportlichen sollen alsbald folgen.

Tenor: Königsklasse, wir kommen

Der erste Schritt dafür ist getan, Feuerwehrmann Klinsmann hat es mit pragmatischen Mitteln geschafft, das Team zu stabilisieren. Hinten wird gemauert und vorne schnell gekontert, ein Plan, der bisher aufgeht. Dass die Rettungsmission nicht ohne Klinsmann-typische Umkrempelei vonstattenging, versteht sich dabei von selbst. Neues Trainerteam, neue Fitness-Standards, neue Außendarstellung, Tenor „Königsklasse, wir kommen“.

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Tatsächlich dürfte Hertha die Abstiegszone bald verlassen. Die Herausforderungen der Zukunft werden allerdings nicht kleiner. Wie schwierig es ist, in den Europapokal vorzustoßen und sich dort zu etablieren, haben schon andere zu spüren bekommen, und 224 Millionen Euro sind keine Summe, die den Rückstand auf Gladbach, Leverkusen oder Schalke mit einem Fingerschnippen verkürzt. Investor Windhorst beteuert zwar, dass er sein Investment langfristig versteht und stellte bereits weitere Finanzspritzen in Aussicht. Aber ob es tatsächlich so kommt? Die Skepsis kickt mit.

Stadion-Projekt stockt schon lange

Vieles wird davon abhängen, wen Preetz als neuen Trainer gewinnen kann, wenn Klinsmann im Sommer in den Aufsichtsrat zurückkehrt. Eine Entscheidung, bei der Investor Windhorst und sein verlängerter Arm ein Wörtchen mitreden werden, zumal Preetz nach dem Fehlgriff Ante Covic unter Druck steht. Und dann ist da ja noch das für Hertha wegweisende Thema „eigenes Stadion“. Eine seit Jahren stockende Diskussion, die selbst Klinsmann noch nicht neu entfachen konnte.