München. Unter dem neuen Trainer erlebt der FC Bayern einen famosen Aufschwung. Nur: Warum konnte Flick nicht schon als Assistent auf Kovac einwirken?

Als Hansi Flick am Freitag auf den vierten Zu-Null-Sieg im vierten Spiel unter seiner Anleitung bei Roter Stern Belgrad angesprochen wurde, auf das Lob von allen Seiten, die Vergleiche mit Jupp Heynckes sowie auf seine erstaunliche Wirkung beim FC Bayern, listete er all jene auf, die wenig beachtet werden.

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Münchens Cheftrainer sprach mit Blick zurück auf das 6:0 in der Champions League sowie mit Blick voraus auf das Bundesliga-Topspiel gegen Bayer Leverkusen (Samstag, 18.30 Uhr/Sky) über die Bedeutung von Videoanalyst Danny Röhl, Torwarttrainer Toni Tapalovic, Co-Trainer Hermann Gerland, Fitnesscoach Holger Broich und der medizinischen Abteilung. „Klar wird immer das Ganze an einem Namen festgemacht“, sagte Flick über den neuen Fokus, in dem er steht.

Flick holt sich am Telefon Rat von Heynckes

Aber ihm sei wichtig, dass der Beitrag aller anerkannt werde. Ein bisschen darf sogar Heynckes eingerechnet werden, von dem Flick bereits als dessen Spieler viel für jenen Umgang mitnahm, den er nun als Trainer pflegt. „Wir haben schon ein paar Mal telefoniert“, verriet Flick. Die Expertise seines Mentors schätzt er also weiterhin.

Als „langsam ungeheuerlich“ hatte Karl-Heinz Rummenigge Flicks Erfolgsserie in Belgrad bezeichnet, mit 16:0 Toren gar die beste Startbilanz eines Bayern-Trainers. Vor dem Ligaspiel gegen Bayer Leverkusen an diesem Samstag lobte der Vorstandschef im Klubmagazin Flick erneut: „Er macht seine Sache ausgezeichnet. Nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Spielweise machen Spaß.“

Neuer und Lewandowski: Bei Flick stimmen Empathie und Sachverstand

Bayern-Trainer Hans-Dieter Flick, hier mit Stürmer Robert Lewandowski, bringt dem FC Bayern das Lachen zurück.
Bayern-Trainer Hans-Dieter Flick, hier mit Stürmer Robert Lewandowski, bringt dem FC Bayern das Lachen zurück. © dpa | Sven Hoppe

Kapitän Manuel Neuer und Robert Lewandowski hatten zuvor die Vergleiche mit Triple-Trainer Heynckes bejaht. „Hans Flick nimmt jeden mit, das ist wichtig. Das ist das, was auch Jupp Heynckes gemacht hat“, sagte Neuer. Lewandowski verwies auf die Ähnlichkeiten im Umgang, auf „Stimmung, Kontakt mit Spielern, Empathie. Die Spieler merken: Der Trainer steht hinter uns, er will uns helfen.“

Flick sagt über die Vergleiche, diese seien „nicht so mein Ding“, zumal Heynckes „einer der erfolgreichsten und besten deutschen Trainer“ gewesen sei. Aber zumindest im Auftreten, auch gegenüber Spielern und Stab, bestätigte Flick, dass er ähnlich agiere. Heynckes sei „auch einer, der sich nicht so wichtig genommen hat“, sagte er.

Der FC Bayern spielt wieder zielstrebiger und steckt auch jede Rotation weg

Hinzu kommen Parallelen zu Heynckes‘ Lehre, der nach vorne ausgerichtete, zielstrebige, aber kontrollierte und defensiv stabile Stil. Und ebenso der Umstand, dass sich die Rotation nicht bemerkbar macht. Beim 6:0-Sieg in Belgrad in der Champions League hatte Flick in seiner Startelf große Teile seiner neuen Achse ausgetauscht. Doch auch ohne Thomas Müller, Joshua Kimmich und David Alaba sowie ohne Serge Gnabry konnte der 54-Jährige erfreut feststellen: „Das hat die Mannschaft hervorragend gemacht.“

Das soll bestenfalls in den verbleibenden sechs Spielen bis Weihnachten so erfolgreich weitergehen. Spätestens dann käme der FC Bayern kaum noch daran vorbei, Flicks bis zum Jahresende befristete Chefrolle bis zum Sommer auszudehnen. Manche Beobachter sehen das schon jetzt so. Zumal Trainer wie Spieler bei jeder Gelegenheit betonen, wie viel Freude ihnen die veränderte Zusammenarbeit mit Flick bereitet.

Unterschritt im Sommer nur aus Kalkül?

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Manche Beobachter stellen deshalb mittlerweile die Frage, warum Flick nicht schon als Assistent des entlassenen Niko Kovac mehr auf seinen damaligen Vorgesetzten und auf die Mannschaft eingewirkt hat? Und sogar jene, ob Flick seinen Assistentenvertrag bis 2021 im Sommer bereits in der Ahnung oder gar Absicht unterschrieben hat, von einer durchaus absehbaren Trennung von Kovac zu profitieren? Viel unterstelltes Kalkül schwingt dabei mit. Aus dem Verein heißt es, Flick habe schon unter Kovac versucht, Änderungen anzuschieben, sei damit aber nicht durchgedrungen. Vielmehr sei Flicks Erfolgsgeheimnis jene Kraft, die ihm nun die neue Chefrolle verleiht. Als Assistent in der zweiten Reihe habe er gar nicht so viel Einfluss nehmen können, wie es nötig gewesen wäre.

So bewerten auch Experten den verblüffenden Aufschwung. Wegen des internen Dauerdrucks „war insgesamt wenig Freude bei ihm und bei Bayern zu spüren. Dann kann man auch keine Spielfreude erwarten“, sagte der Mentaltrainer Steffen Kirchner über Kovac der Abendzeitung. Flick sei „ein netter, seriöser Mann, dem man glaubt, was er sagt.“ Und da Trainer „in erster Linie Gefühlsmanager, Beziehungsmanager“ seien, gehe er sogar so weit zu sagen, „dass alle Probleme in einem Klub auf Beziehungsproblemen beruhen.“

Bayern-Spieler voll des Lobes für ihren Trainer

Die Dissonanzen zwischen Kovac und Mannschaft sowie Teilen der Führung (Rummenigge) konnte Flick demnach als Assistent nicht ändern. Nun aber nutzt er neben seiner positiven Herangehensweise und fachlich geschickten Handgriffen auch die Anerkennung der Spieler voll. Auch das hoben Neuer und Lewandowski hervor. „Das ist ja nicht nur das Zwischenmenschliche, er hat ja auch was drauf“, sagte Neuer über Flick, „das ist ja auch eine Voraussetzung, um den Trainerjob beim FC Bayern zu erfüllen. Beides macht er sehr gut.“ Oder wie es Lewandowski mit ebenfalls unüberhörbaren Grüßen an Kovac formulierte: „Details, Taktik, Positionierung, ohne und mit Ball – was früher gefehlt hat, läuft jetzt.“ Also „Leichtigkeit, Spaß haben, ein Tor zu schießen und auch defensiv zu spielen“. Flick wird‘s gerne vernommen haben.