München. Der FC Bayern hat eine turbulente Transferphase mit einem Kracher abgeschlossen. Barca-Leihgabe Philippe Coutinho ist künftig der Topverdiener.
Philippe Coutinho lächelte und präsentierte seine beeindruckend weißen Zähne, als er einen seiner Schlenzer in den Winkel in einem Videoclip zu Beginn seiner Präsentation beim FC Bayern sah. Eingerahmt wurde der Leihspieler des FC Barcelona auf dem Podium von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihamidzic, die sehr stolz wirkten, ihren Transfercoup vorstellen zu können. Und alle drei verwiesen im Verlauf der Veranstaltung am Montagnachmittag in der Arena auf jenes Zukunftsprojekt, mit dem sie Coutinho den Wechsel schmackhaft gemacht hatten und in dem sie den Brasilianer als zentrale Figur sehen.
Er sei voller Vorfreude, sagte Coutinho, „seit dem ersten Moment, als sie mir das Projekt und ihr Vertrauen gezeigt haben.“ Letzteres sei „sehr wichtig für mich“, fügte der als sensibel geltende Coutinho hinzu. In Barcelona hatte er Wertschätzung vermisst, vom FC Bayern wird ihm viel davon entgegen gebracht – seit Mittwoch, als sich Rummenigge und Salihamidzic mit ihm, seiner Frau, seinem Berater und seinen beiden Brüdern in Barcelona trafen und rasch verständigten.
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Es ist deutlich geworden, was sich der Brasilianer vom Neustart beim FC Bayern nach anderthalb nur mäßig schönen Jahren beim FC Barcelona erhofft, die auf seinen Durchbruch zum Kicker von Weltformat beim FC Liverpool gefolgt waren. „Kaum erwarten“ könne er schon sein erstes Training mit seiner neuen Mannschaft an diesem Dienstagvormittag und auch seinen ersten Spieleinsatz, voraussichtlich bereits am Samstag beim FC Schalke. Natürlich werde er dort spielen, wo ihn sein neuer Trainer Niko Kovac aufstelle, sagte er artig. Seine Präferenz verbarg Coutinho aber nicht: „Meine Lieblingsposition, um mein Bestes geben zu können, ist die Zehnerposition.“ Und auch eine langfristige Vorstellung von seiner Zeit in München hat der 1,72 Meter kleine Offensivspieler bereits, nachdem er sich bei Thiago Alcántara sowie den ehemaligen Bayern Rafinha und Lucio erkundigt hatte. „Ich hoffe, dass ich sehr lange hier bleiben und viele Titel gewinnen werde“, sagte Coutinho.
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Ebenso deutlich wurde, was sich die Bayern von ihrem Königstransfer dieses Sommers erhoffen, auf den sie nach der Kreuzbandverletzung von Manchester Citys Flügelspieler Leroy Sané, 23, umgeschwenkt waren. Der kreative Coutinho könne „der zentrale Punkt in unserem Spiel sein“ und diesem „die spektakuläre Note geben“, sagte Salihamidzic, der den Zugang zuvor im Vereins-TV bereits als „sensationellen Spieler“ gerühmt hatte, „der unsere Mannschaft auf ein anderes Level heben wird“.
Coutinho erhält die Nummer 10 von Arjen Robben
Bewusst dokumentiert haben die Münchner ihre Wertschätzung durch das Trikot mit der Nummer 10, die sie wie Franck Ribérys 7 in dieser Saison eigentlich nicht vergeben wollten. Coutinhos Vorgänger Arjen Robben sei sogar kurzfristig gefragt worden, ob er einverstanden sei, erzählte Rummenigge. Und der AG-Chef sagte über die Vergabe an Coutinho: „Wir wollten ihm und den Fans zeigen, welche Wertigkeit dieser Transfer hat.“ Das sei auch ein „wichtiges Zeichen für Philippe“, und dieser sei „ein mehr als würdiger Nachfolger für das Trikot mit der Nummer 10“.
So groß die Freude der Bayern ist, Coutinho für sich gewonnen zu haben, so deutlich wurde aber auch ihre Zurückhaltung, als es um die Kaufoption in Höhe von 120 Millionen Euro nach der einjährigen Leihe für den „Freundschaftspreis“ (Rummenigge) in Höhe von 8,5 Millionen Euro ging. „Ich schließe nicht aus, dass das eine langjährige Partnerschaft werden könnte“, sagte Rummenigge, was nicht zwingend danach klang, dass sie schon so planen. Für Sané hätten sie diese Kaufsumme umgehend aufgewendet. Anders bei Coutinho, was auch daran liegt, dass dieser im kommenden Sommer bereits 28 Jahre alt wird. Und ebenso, dass er als Versprechen gilt, welches mit Risiken behaftet ist. Dazu zählt nebenbei auch sein Nettogehalt von rund 13 Millionen Euro, womit er deutlich vorm bisherigen Topverdiener Robert Lewandowski (16 Mio. brutto) liegt.
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Vor allem aber sieht Kovacs 4-3-3-System einen Zehner, also klassischen Spielmacher, nicht vor. In dieser Anordnung könnte Coutinho halblinks auf der Acht agieren oder als Linksaußen. Wobei er kein Flügelsprinter ist, der von der Grundlinie aus flankt, sondern, wie einst Robben von der gegenüberliegenden Seite, eher den Weg in die Mitte sucht, vorrangig, um abzuschließen. Doch das, was Salihamidzic ihm als Zukunftsprojekt am Mittwoch vorgestellt habe, sei mit Kovac abgesprochen gewesen, versicherte Rummenigge. Ob in dieser Planung eine Rückkehr zum 4-2-3-1 vorgesehen ist, blieb offen. Gesichert ist, dass Coutinho seinen Platz in Barcelonas 4-3-3 nicht fand, wo er eigentlich als Achter die Nachfolge von Andrés Iniesta antreten sollte. Und ebenso, dass das nicht näher benannte Zukunftsprojekt zum Ziel hat, baldmöglichst den Titel der Champions League zu gewinnen.
Zweifel oder zumindest Vorsicht in Sachen Coutinho klang zwischen den Zeilen an. Vielleicht auch, weil der ursprünglich geplante Sané-Transfer womöglich nur bis Sommer 2020 aufgeschoben ist. „Wir alle beim FC Bayern sind total zufrieden mit dem Transfermarkt“, sagte Rummenigge über den Status quo und verwies auf die geholten Weltmeister Lucas Hérnandez und Benjamin Pavard, den WM-Zweiten Ivan Perisic und den Copa-América-Gewinner Coutinho. An diesem liegt es nun, das Zukunftsprojekt der Bayern zu gestalten, auch im eigenen Interesse. Er wisse wegen der Erwartungen und seiner Verantwortung, „dass viel auf mir lastet, aber auch, dass ich mit gutem Fußball auf dem Platz antworten kann“, sagte Coutinho. Er bedankte sich zudem bei Uli Hoeneß fürs Vertrauen, der in der ersten Reihe lauschte und gegenüber der Bild etwas vage bestätigt hatte, dass er seinen Rücktritt als Präsident und Aufsichtsratschef plane, aber in diesem Gremium bleiben wolle. Ob Coutinhos Kaufoption gezogen wird, wird Hoeneß also maßgeblich mitentscheiden.