Berlin. Die Köpenicker feiern in der Relegation gegen Stuttgart den Sprung in die Bundesliga. Nach dem 2:2 im Hinspiel reicht ein 0:0 in der Hauptstadt.
Um 22.28 gab es kein Halten mehr. Die Fäuste immer wieder in den Berliner Nachthimmel gereckt, tanze Urs Fischer, der Trainer des 1. FC Union, an der Seitenlinie. Danach brach das Chaos in der Alten Försterei aus. Tausende Union-Fans stürmten auf das Spielfeld, bauten sich vor dem Block der Stuttgarter auf, provozierten mit Bengalos, so dass auch Stuttgarter Fans über den Zaun des Gästeblocks sprangen. Die Polizei musste einschreiten, um eine Prügelei zu unterbinden.
Es war das unschöne Ende eines Abends, an dem Union den größten Erfolg seiner jüngeren Vereinsgeschichte feiern konnte: Durch ein 0:0 im Rückspiel vor 22.012 Zuschauern gegen den VfB Stuttgart steigen die Berliner in die Bundesliga auf, dank des 2:2 im Hinspiel vier Tage zuvor.
Die Alte Försterei wird zum Tollhaus
Die Alte Försterei glich schon eineinhalb Stunden vor Spielbeginn einem Tollhaus. Die Fans stimmten sich einen großen Fußballabend mit Gesängen ein. Zuvor war der Mannschaftsbus der Köpenicker bei seiner Ankunft frenetisch begrüßt: Bei der Einfahrt auf das Stadiongelände standen zahlreiche Fans Spalier und begrüßten Ihre Mannschaft mit roten Bengalos. Es herrschte Endspielstimmung.
Und es entwickelte sich ein echtes Finale um den letzten Platz für die kommende bundesliga-Saison. Trainer Urs Fischer hatte sein Team dafür auf zwei Positionen verändert. Vor den gesperrten Kapitän Christopher Trimmel – Marvin Friedrich übernahm das Amt – spielte Julian Ryerson auf der rechten Abwehrseite, zudem kehrte Florian Hübner nach seiner Sperre für Michael Parensen in die Innenverteidigung zurück.
Das Kommando übernahmen jedoch die Stuttgarter. Sie mussten es auch, schließlich musste ein Tor her, um den Abstieg zu verhindern. Körpersprache und Einsatz stimmten bei den Schwaben, Union reagierte nur. Und nach neun Minuten zappelte der Ball im Tor von Rafal Gikiewicz. Regungslos musste Unions Torwart mitansehen, wie ein Freistoß von Dennis Aogo aus 20 Metern sein Ziel fand.
Ekstase beim VfB, bei den Fans und auch auf der Bank – bis Schiedsrichter Christian Dingert ein Signal aus Köln bekam. Aus dem Videokeller hatte sich Videoassistent Guido Winkmann gemeldet, und eine Abseitsstellung moniert. Eine richtige Entscheidung. Nicolas Gonzalez hatte sich beim Freistoß hinter der Union-Mauer postiert und Gikiewicz irritiert, statt passiv zu bleiben. Der allererste Videobeweis in der Alten Försterei, er wurde von den Union-Fans frenetisch gefeiert.
Ein Kampfspiel
Es war ein Kampfspiel, das bekamen vor allem die VfB-Verteidiger Holger Badstuber und Kabak zu spüren, die nach 20 Minuten bei einer Abwehraktion mit den Köpfen zusammenrasselten, jedoch nach kurzer Behandlung und einer Bandage weiterspielen konnten.
Am Spielverlauf änderte dies wenig. Stuttgart drängte, versuchte es oft vergeblich mit hohen Bällen, und kam dennoch zu Chancen. Schon nach drei Minuten hatte Ozan Kabak Gikiewicz geprüft. Anastasios Donis verfehlte das Union-Tor knapp (12.) und scheiterte per Kopf am Gikiewicz (29.), ebenso Christian Gentner aus 25 Metern (36.) und Steven Zuber mit einem Schlenzer kurz vor der Pause.
Union-Chancen bis zur Pause: keine. Über das Offensiv-Trio Marcel Hartel, Robert Zulj und Suleiman Abdullahi kam kaum Entlastung. Stürmer Sebastian Andersson ackerte, bekam jedoch zu wenig Bälle, um Gefahr vor dem Tor von Ron-Robert Zieler auszustrahlen. Der Stimmung tat dies keinen Abbruch, die Zuschauer sangen unaufhörlich, feuerten ihre Mannschaft mit „Union, Union“ an. Denn das 0:0 zur Pause würde am Ende reichen für den Sprung in die Bundesliga.
Unschön: Der Beginn der zweiten Halbzeit verzögerte sich, weil in beiden Fanblöcken Dutzende Bengalos gezündet wurden. Schon zu Spielbeginn hatten die VfB-Anhänger mit ihrem Pyro-Irrsinn für Rauschschwaden im Stadion gesorgt.
Wie schon im Hinspiel brachte VfB-Trainer Nico Willig nach dem Wechsel Ex-Nationalspieler Mario Gomez (für Gonzalez). Stuttgart brauchte unbedingt einen Treffer – und forderte nach knapp einer Stunde vehement Elfmeter. Grischa Prömel hatte den Ball an den Arm bekommen, Schiedsrichter Dingert ließ weiterspielen. Jetzt wurde das Spiel für die Köpenicker zur Nervenschlacht. Plötzlich stand Prömel frei vor Zieler und wusste den Ball nicht am Torwart vorbeizubringen (63.), dann traf Abdullahi den Pfosten – zweimal (65., 66.).
Unions erste Chancen kamen im richtigen Moment, denn den Stuttgartern lief nicht nur die Zeit davon, auch die Kräfte schwanden bei den Schwaben. Und die Köpenicker warfen sich weiter mit totaler Leidenschaft in jeden Schuss, in jeden Zweikampf. Gentner setzte einen Kopfball nochmal weit am Union-Tor vorbei (86.), Gikiewicz tauchte bei einem Pavard-Schuss ab (89.), Conzalo Castro zielte zu hoch (90.). Dann verschwand die Alte Försterei in grenzenlosem Jubel.