Leipzig. Der FC Bayern wähnt sich nach Lewandowskis Tor-Vorlage als Meister. Laut Videobeweis stand er im Abseits. Uli Hoeneß: Witz des Jahres.
Es war vielleicht ein Zentimeter. Vielleicht auch nur ein Millimeter. So genau konnte das niemand nach der Partie bezeugen, weil es mit dem bloßen Auge nunmal nicht zu erkennen war, wie hauchzart Robert Lewandowski im Abseits gestanden hatte. „Wie es sich darstellt, war es wohl Abseits“, meinte Bayern-Trainer Niko Kovac. „Aber darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Denn wir haben die Chance, in der kommenden Woche die Meisterschaft perfekt zu machen.“
Hoeneß poltert über den Videoschiedsrichter
Sein Chef sah die Situation allerdings anders. „Das ist der Witz des Jahres“, polterte Bayern-Präsident Uli Hoeneß vor dem Mannschaftsbus. Erstmal aber durfte sich der FC Bayern beim 0:0 gegen RB Leipzig nur als Zwei-Minuten-Meister fühlen. Zwei Minuten, in denen sie alle schon gejubelt hatten. Auf der Bayern-Bank. Auf dem Rasen. Auf der Tribüne. Nachdem Leon Goretzka den Ball artistisch und durchaus titelwürdig ins Tor gedroschen hatte (50.). „Ich habe dann gar nicht verstanden, was überhaupt überprüft werden sollte“, sagte Neuer-Vertreter Sven Ulreich. Videoschiedsrichter Marco Fritz hatte aber nunmal bemerkt, dass Lewandowski bei der Entstehung des Treffers im Abseits gestanden hatte. Wie gesagt: nur hauchzart. Doch das genügte. Schiedsrichter Manuel Gräfe musste das vermeintliche Meister-Tor aberkennen.
Dadurch holten die Münchener am Ende nur einen Punkt beim Tabellendritten aus Leipzig. Zwei Zähler beträgt nun der Vorsprung auf Borussia Dortmund, zudem hat der Rekordmeister die deutlich bessere Tordifferenz als der BVB. Deswegen dürfte den Bayern am kommenden Samstag beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt ein Unentschieden genügen, um die siebte Deutsche Meisterschaft in Folge zu bejubeln.
Gegen Leipzig bald im Pokalfinale
„Wir machen das“, stellte Verteidiger Niklas Süle schon mal klar. Auch Uli Hoeneß verkündete: „Wenn sich die Mannschaft so reinhaut, dann wird sie Deutscher Meister.“
Ob die Bayern sich aber wirklich so titelreif präsentierten, wie sie es nach den umkämpfen 90 Minuten verlauten ließen, kann zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden. Die Elf von Kovac verteidigte tatsächlich stark, stand weitestgehend sicher, bot RB kaum Räume für die gefürchteten Umschaltsituationen. Anderseits bissen sich die Münchener an der Leipziger Defensive die Zähne aus. Zwingende Chancen waren eher Mangelware.
Bayern-Trainer Kovac lobt seine Spieler
Serge Gnabry vergab aus drei Metern (28.). Goretzkas Tor zählte nicht (50.). Thomas Müller köpfte über die Latte (64.). Als die Partie schon fast vorbei war, scheiterte erst der eingewechselte Franck Ribéry an Peter Gulacsi (83.). Dann zielte Lewandowski bei einem Freistoß etwas zu ungenau (89.).
Kovac lobte seine Profis trotzdem. „Das Spiel hat alles beinhaltet, was für mich ein Topspiel haben muss“, erklärte er. Sein Kollege auf der anderen Seite war da schon etwas kritischer. „Offensiv können und müssen wir besser spielen“, sagte Ralf Rangnick. „Vielleicht haben auch die letzten fünf Prozent an Adrenalin gefehlt.“
Für die Leipziger war es ja nur das Vorspiel vor dem Pokalfinale, wenn es wieder gegen die Bayern geht. Rangnick schickte auch so mit Timo Werner, Yussuf Poulsen und Emil Forsberg seine beste Offensive auf den Rasen, wirkliche Torgefahr kreierten die drei aber fast nie. Werner scheiterte nach einem Konter an Ulreich (40.). Linksverteidiger Marcel Halstenberg drosch den Ball sehr viel später am Tor vorbei (76.). Dazwischen fehlte es häufig an der Präzision. Das soll in zwei Wochen anders werden. Dann sehen sich beide Vereine wieder. Dann geht es in Berlin um den DFB-Pokal. Und dann steht auch schon fest, ob der FC Bayern noch mehr wird als nur ein Zwei-Minuten-Meister.