Herzogenaurach. Nationalspieler Julian Brandt bleibt bei Bayer Leverkusen. Ein Gespräch über Verantwortung, Karrierepläne und Kollegen in Protz-Autos.
Er gehört zu den begehrtesten Spielern Europas. Julian Brandt könnte, wenn er wirklich wollte, zu einem der schwerreichen Vereine gehen. Aber der 21-jährige Nationalspieler bleibt bei Bayer Leverkusen. Warum verzichtet ein junger, aufstrebender Mann auf noch mehr Millionen, auf noch mehr Glanz und Ruhm? Das erklärt Julian Brandt im Gespräch mit dieser Zeitung.
Herr Brandt, sind Sie ein wenig verrückt?
Julian Brandt (lacht): Schöne Einstiegsfrage. Wie meinen Sie das?
Sie haben ein Angebot von Bayern München ausgeschlagen. Das machen nicht viele Spieler…
Brandt: Das sagen Sie! Aber ich hatte nie ein Angebot aus München. Also konnte ich auch nicht absagen.
Ein enger Freund von Ihnen soll behauptet haben, dass Sie sich bereits einig waren mit München.
Brandt: Über diese Falschmeldung haben sich mein Vater (ist auch Brandts Berater; die Red.) und ich total geärgert. Wir haben uns gefragt, wer so etwas in die Welt setzt.
Stattdessen haben Sie erklärt, dass Sie in Leverkusen bleiben. In der kommenden Saison spielen Sie nicht einmal international. Warum in aller Welt wechseln Sie nicht zu einem Top-Klub?
Brandt: Weil ich spielen will. Ich möchte mich für die Nationalmannschaft und die WM in Russland empfehlen. Grundsätzlich scheue ich nicht davor zurück, mich in neue Abenteuer zu stürzen. Aber ich habe in meinem Leben immer auf mein Bauchgefühl gehört. Und mein Bauch hat mir gesagt, dass es besser für mich ist, in Leverkusen zu bleiben.
Wollen Sie denn keine Titel gewinnen?
Brandt: Mich interessieren zurzeit keine Titel. Mich interessiert es auch nicht, von einem Tag auf den anderen zig Millionen Euro mehr zu verdienen. Mich interessiert in diesem Moment nur, wie ich mich fußballerisch entwickeln kann. Und außerdem mache ich mich nicht so einfach aus dem Staub.
Das würden einige Fußballer machen, die in Ihrer Lage wären…
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Brandt: Ich bin doch auch dafür verantwortlich, dass wir so eine schlechte Saison gespielt haben. Deswegen will ich die Suppe, die wir uns da eingebrockt haben, jetzt auch mit auslöffeln. Schließlich liegt es doch auch mit an mir, dass wir nicht so viele Tore geschossen haben. Außerdem ist es für einen Wechsel einfach nicht der richtige Moment. Bayer hat super Spieler. Aus dem Klub kann man etwas Großes machen, mehr als die etablierte Nummer drei oder vier der Bundesliga. Ich bin hier noch nicht fertig. Da sage ich doch nicht so einfach Auf Wiedersehen.
Haben Sie denn keinen Karriereplan?
Brandt: (lacht) Ich kann nicht mal planen, was ich nächste Woche mache. Das gibt es nicht bei mir.
Wäre es sogar möglich, dass Sie Ihren Vertrag vorzeitig verlängern?
Brandt: Der Klub hat zurzeit andere Baustellen. Aber ich denke, dass wir in ein paar Monaten miteinander reden werden. Wenn wir uns zusammensetzen, ist alles möglich.
Kein Karriereplan, nicht zu den Bayern. Sie entsprechen nicht dem gängigen Klischee des Profis in der Glitzerwelt Fußball. Oder täuschen wir uns?
Brandt: Als ich 16 Jahre alt war, sagte mein damaliger Trainer Frank Engel: „Glaub mir eins: Auch wenn du heute gut gespielt hast, kannst du morgen der größte Loser sein.“ Das vergesse ich nie. Wer sagt denn, dass ich zum Beispiel in England mein Glück finde? Wenn du Pech hast, hängst du zwei Jahre da herum, verdienst extrem viel, aber es kommt Rost aus dem Wasserhahn und du bist unglücklich.
Viele Ihrer Kollegen posten Fotos mit sündhaft teuren Autos.
Brandt: Ich verurteile niemanden, wenn er sich ein dickes Auto kauft. Ich selbst bin aber nicht der Typ, der sich eine Vierzig-Karat-Goldkette um den Hals hängt. Ich mag auch schnelle Autos – aber trotzdem habe ich mir noch keines gekauft, obwohl ich es mir leisten könnte.
Leisten Sie sich keinen Luxus?
Brandt: Ich habe meinen Eltern in Bremen ein Haus gekauft. Aus Dankbarkeit.
Lassen Sie es sich wenigstens im Urlaub gut gehen?
Brandt: Wenn ich meinen Kumpels sagen würde, wir fliegen nach Saint-Tropez, liegen auf einer Yacht und trinken Champagner, würden sie sagen: Julian, bist du verrückt? Lass uns nach Malle fliegen und Dosenbier trinken.
Sie sind beim Confed-Cup in Russland. Der ist unbeliebt bei einigen Spielern. Bei Ihnen auch?
Brandt: Nein. Ich kann viele Erfahrungen sammeln, mich weiterentwickeln. Ich freue mich sogar sehr darauf.