Leipzig. Trainer Ralph Hasenhüttl von RB Leipzig spürt trotz Anfeindungen immer mehr Akzeptanz. Ein Gespräch über das Verhalten von Fans und den BVB.
An der Glasfront der Fußball-Akademie von RB Leipzig schuften Männer in blauen Overalls. Der Aufsteiger, der am vorletzten Spieltag schon sicher weiß, in der neuen Saison in der Champions League zu starten, putzt sich heraus für das Bundesliga-Spitzenspiel gegen Bayern München (Samstag, 15.30 Uhr/Sky). In dem Komplex hat auch Trainer Ralph Hasenhüttl, 49, sein Büro. Im Interview mit dieser Zeitung spricht der Österreicher über Geschmacklosigkeiten, Zivilcourage und einen Weltmeister auf der Massagebank.
Herr Hasenhüttl, Dietrich Mateschitz pumpt Millionen in den Klub. Ist Leipzig das gelobte Fußball-Land?
Ralph Hasenhüttl: Nein, das ist es nicht. Es gibt viele Klubs, die im Sommer wesentlich mehr auf dem Transfermarkt ausgegeben haben als wir. Und auch mit unserem Gehaltsgefüge sind wir im Mittelfeld der Liga. Mich haben die Möglichkeiten gereizt. Ich habe einfach gespürt, dass hier in Leipzig etwas Spannendes entsteht. Hier sind Menschen am Werk, die den Klub auf Top-Niveau bringen wollen. Wir sind innovativ, wir wollen immer neue Wege gehen. Wir sind hungrig. Und ich wollte Teil dieser Erfolgsgeschichte werden.
War Ihnen vor Ihrem Wechsel bewusst, dass Red Bull massiv angefeindet wird? In Dortmund wurden auch Kinder und Frauen von BVB-Hooligans angegriffen.
Hasenhüttl: Natürlich war mir das bewusst, dass es ein paar Widerstände gegeben hat. Aber heute bin ich froh, dass mich das nicht abgehalten hat, hier zu unterschreiben. Ich bin einer, der Herausforderungen sucht. Aber klar ist auch: Die Situation in Dortmund ist auf das Schärfste zu verurteilen. Zur Zeit spüren wir einfach eine immer weiter steigende Akzeptanz und Beliebtheit, egal wo.
Berliner Fans zeigten Burnout-Banner, das die Erkrankung Ihres Sportchefs Ralf Rangnick thematisierte. Kürzlich wurde Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp von Kölner Fans übel beschimpft. Wo ist für Sie die Grenze erreicht?
Hasenhüttl: Solche Geschmacklosigkeiten sind ein No-Go! Aber auch hier muss man das richtig einordnen: Die Idioten, die das machen, sind eine Minderheit von vielleicht 40, 50 Leuten. Ein Bruchteil von vielleicht 80 000, die im Stadion sind. Ich würde mir wünschen, dass diese große Mehrheit Zivilcourage zeigen würde und gegen diese Unbelehrbaren aufstehen würde, weil sie mit ihren Beleidigungen andere Menschen schwer verletzen. Diese Plakate sind menschenverachtend und schaden dem ganzen Fußball. Christian Seifert hat das kürzlich sehr treffend gesagt: „In Wahrheit sind diese Personen die Totengräber der Fankultur.“ Es macht einfach viel kaputt.
Dosenklub, Brause-Millionäre: Sollten Klubverantwortliche vorsichtiger mit Worten umgehen?
Hasenhüttl: Jeder einzelne sollte sich seiner Verantwortung und Vorbildfunktion bewusst sein. Die Vorkommnisse in Dortmund haben überall und bei jedem ihre Spuren hinterlassen. Mein Gefühl ist, dass es ein Warnsignal für die ganze Liga war. Denn wichtig ist und wird immer sein, dass man sich bei aller sportlichen Rivalität mehr Respekt entgegenbringt.
Leipzig wird für Philipp Lahm das vorletzte Spiel seiner Karriere. Sie waren mit ihm bei Bayerns Amateuren. Ahnten Sie damals, dass er ein Weltstar werden könnte?
Hasenhüttl: Als ich ihn das erste Mal auf der Massagebank sah, hätte ich gesagt: nie im Leben. Als ich ihn das erste Mal auf dem Platz sah: 100 Prozent ja.
Warum?
Hasenhüttl: Weil er in seinem Spiel so gut wie keinen Fehler gemacht hat. Außerdem war er klar im Kopf.
Haben Sie einen persönlichen Zukunftsplan?
Hasenhüttl: Nein, einen Plan habe ich nicht. Ich habe mein Glück in Leipzig gefunden. Jetzt sind wir in der Champions League. Da nehme ich viel mit. Denn ich bin ein Lernender und werde das auch immer bleiben. Und so bin ich in diesem Jahr zu einem besseren Trainer geworden.
Wie wäre es denn, einmal Nationaltrainer in Österreich zu werden?
Hasenhüttl: (lacht) Das hat noch Zeit. Acht, neun Spiele im Jahr – das ist mir zur Zeit zu wenig.
Wie haben Sie den Dortmunder Dissens zwischen Trainer Thomas Tuchel und Klubchef Hans-Joachim Watzke erlebt?
Hasenhüttl: Ich muss nicht immer die gleiche Meinung haben wie mein Vorgesetzter. Das finde ich nicht so negativ, wie es oft dargestellt wird. Gegensätzliche Meinungen können auch befruchtend, produktiv sein. Daraus kann man unglaublich viel Vortrieb erzeugen. Ich bin auch nicht immer der gleichen Meinung wie Ralf Rangnick. Dann diskutieren wir darüber, versuchen uns zu einigen. Wer will denn schon reine Ja-Sager haben. Jeder muss seine Meinung sagen können, jeder muss seinen Weg gehen können. Aber ich weiß aus der Ferne natürlich nicht, was genau im Detail vorgefallen ist.