Essen/München. . Mit seiner Absage überrumpelt WM-Kapitän Philipp Lahm alle. Bayern-Präsident Uli Hoeneß hält seinem Weltmeister die Tür weiter offen.

Der Schrecken war ihm anzusehen. Als ihn der ARD-Moderator Alexander Bommes am Dienstagabend live im Fernsehen auf den Rücktritt von Bayern-Kapitän Philipp Lahm ansprach, direkt nach dem Arbeitssieg im Pokal-Achtelfinale gegen VfL Wolfsburg (1:0), wirkte Uli Hoeneß überrumpelt und vermied haarscharf das Dementi der vielleicht wichtigsten Personalie des Jahres. Natürlich wusste der Bayern-Präsident, dass der Weltmeister zum Saisonende aufhört und nicht Sportdirektor wird. „Ich wollte aber die Regeln des Miteinanders einhalten und in aller Ruhe besprechen, wie wir an die Öffentlichkeit gehen“, sagte Hoeneß. „Wir hatten kein Interesse, das so früh bekanntzugeben.“

Rente mit 33: Warum Philipp Lahms Entscheidung klug ist Rente mit 33: Warum Philipp Lahms Entscheidung klug istNoch hält er Lahm die Tür beim FC Bayern offen. Daran hat die vorzeitige Bekanntgabe des Rücktritts und der Verzicht auf das Amt des Sportdirektors nichts geändert. Hoeneß wörtlich: „Die Tür bleibt bei uns offen. Ich kann mir vorstellen, dass er eines Tages beim FC Bayern arbeitet. Die Überraschung mit der Bekanntgabe ist für mich eine Marginalie. Da verändert sich nichts. Philipp Lahm hat unseren größten Respekt verdient.“

Hoeneß wusste es seit Freitag

Von Lahms Rücktritt wusste Hoeneß seit Freitag. Mit der Bekanntgabe aber wollten die Bayern warten. „Am Freitag hat Philipp Lahm (dem Vorstandsvorsitzenden) Karl-Heinz Rummenigge abgesagt. Aber es ist nicht üblich, mit diesen Dingen vor wichtigen Spielen an die Öffentlichkeit zu gehen. Samstag hatten wir das Schalke-Spiel. Montag war die Aufsichtsratssitzung, Dienstag das nächste Spiel. Also wollten wir das ab Mittwoch bereden, wie wir verfahren.“ Da aber kam ihm Sport-Bild zuvor und veröffentlichte die Personalie in einer Vorabmeldung, dass Lahm nicht Sportdirektor wird.

Enttäuscht ist Hoeneß nicht von Lahm (33). „Nur überrascht“, wie er sagt. „Wir sahen ja keine Eile. Die Aufgabe als Sportdirektor hätte ja so oder so erst am 1. Januar 2018 begonnen. Er hatte von Karl-Heinz Rummenigge ein Arbeitspapier, wie die Aufgabe beschrieben ist. Es gab insgesamt vier Sitzungen.“ Schon im November hatte der Aufsichtsrat darüber, wie Hoeneß sagt, „kontrovers diskutiert“. Einhellige Meinung: das Vorstandsamt wäre zu früh gekommen.

Hoeneß zu dieser Zeitung: „Bei uns im Aufsichtsrat sitzen Dax-Vorstände. Für die kommt nicht infrage, dass jemand ohne Berufserfahrung im Vorstand anfängt. Auch Christian Nerlinger war Sportdirektor und nicht Vorstand. Bei Matthias Sammer war das anders. Er war vorher beim DFB.“ Ohnehin sei bei einem Amt „der Titel nicht wichtig“. Hoeneß: „Wichtig ist, dass die Arbeit getan wird.“

Heynckes fühlt sich an Schweinsteiger erinnert

Und für diese Arbeit steht Lahm nicht mehr zur Verfügung. „Irgendwann ist es einfach zu Ende, und das Ende will ich selbst bestimmen“, begründete er seinen Schritt. An Erfolgen mangelte es nicht. Er hat praktisch alle Pokale gewonnen. Die Champions League und den Weltpokal 2013. Die Weltmeisterschaft in Brasilien 2014. Sieben Deutsche Meisterschaften. Sechs DFB-Pokalsiege. Dazu 113 Länderspiele. „Er ist der konstanteste Spieler der Bundesliga“, bescheinigt ihm sein ehemaliger Bayern-Trainer Jupp Heynckes, mit dem er vor vier Jahren das Triple gewonnen hat. „Der FC Bayern verliert die nächste Identifikationsfigur nach Bastian Schweinsteiger.“

Sein Profivertrag dauerte ursprünglich bis Juni 2018 und wird jetzt vorzeitig im Sommer beendet. „Ich bin mir sicher, dass ich bis zum Ende der Saison meine Topleistung abrufen kann“, ließ Lahm wissen. „Aber nicht darüber hinaus.“

Mit seinem Ex-Trainer Pep Guardiola hat Lahm drei Jahre lang von 2013 bis 2016 ein kongeniales Gespann beim FC Bayern gebildet. Ungeklärt ist sein Verhältnis zum neuen Trainer Carlo Ancelotti. Zumindest überraschend ist die vorzeitige Vertragsauflösung schon. Aber typisch für Lahm, dass er so konsequent ist. Auf eine Position außerhalb des Vorstands wollte er sich, obwohl er keine Berufserfahrung hat, nicht einlassen.

„Für mich steht fest, dass ich ab Sommer Privatier bin“, sagte er. „ich kann mich noch mehr um andere Dinge kümmern, ich kann mich ein bisschen umschauen, umhören, mich mit anderen Leute treffen.“ Lahm lebt mit seiner Frau und dem gemeinsam Sohn Julian idyllisch am Tegernsee.

Eberl jetzt der neue Favorit?

Der FC Bayern gerät durchs Lahms Entscheidung unter Druck. Im Gespräch mit dieser Zeitung gibt Hoeneß zu, dass sich der Rekordmeister mit keiner Alternative beschäftigt hat. „Wir sind nicht der Verein, der einen Kandidaten A, B, C und D aufstellt“, so Hoeneß. „Seit Montag ist das anders.“

Hoch gehandelt wird Max Eberl, der Sportchef bei Mönchengladbach. Mit seinem früheren Bayern-Profi hat sich Hoeneß im November zufällig in Düsseldorf bei einem Präsentationstermin des Privatsenders Sky getroffen und angeregt unterhalten. Ein Interesse an Eberl als Sportdirektor wird im Gespräch mit dieser Zeitung weder bestätigt noch dementiert.