Gelsenkirchen. Schalke-Profi Dennis Aogo beantwortete geduldig die Fragen der WAZ-Leser. Der Verteidiger sprach über Julian Draxler, André Breitenreiter und mehr.
Dennis Aogo hat Zeit mitgebracht. Interessiert schaut der Abwehrspieler des FC Schalke 04 auf den großen Stapel Papier mit vielen Fragen der WAZ-Leser. So viele Einsendungen gab's noch nie! Es sind lustige Fragen dabei, persönliche, aber auch kritische. "Das ist okay", sagt Aogo, setzt sich auf seinen Stuhl und antwortet: ehrlich, direkt, reflektiert. Die Fragerunde dauerte fast eine Halbzeit lang.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihrem Hund einen eigenen Instagram-Account zu geben?
Dennis Aogo: Meine Freundin kam auf die Idee. Sie fand das witzig, ich fand das witzig – und wir haben Freunde, die Accessoires für Hunde herstellen. Wir haben gedacht, wir können diese Marke ein bisschen bewerben.
Wer ist der Spaßvogel in der Kabine?
Aogo: Schwer zu sagen. Früher war es Kevin-Prince Boateng, jetzt hat sich das auf mehrere Köpfe verteilt.
Wer kommt am häufigsten zu spät zum Training?
Aogo: (lacht) Ganz klar Felipe Santana. Der hat das spezielle Talent, es immer so darzustellen, als wenn es das erste Mal sei. Das ist immer ein großer Lacher.
Wie ist so als Hamburger im „Pott“? Haben Sie lange gebraucht, um sich einzufinden?
Aogo: Überhaupt nicht. Ich habe bisher nirgendwo so schnell Anschluss gefunden wie hier, weil die Mentalität der Menschen sehr offen und zugänglich ist.
Viele Spieler wohnen in Düsseldorf, Sie auch. Haben Sie die Diskussion darüber verstanden?
Aogo: Ja, vor allem, weil Düsseldorf immer ein wenig mit Schickeria gleichgesetzt wird. Als ich damals eine Wohnung gesucht habe, haben mir alle gesagt, Düsseldorf sei nicht weit weg, deshalb habe ich mich gar nicht so mit dem Thema auseinandergesetzt. Im Nachhinein würde ich das vielleicht ein bisschen anders machen. Es gibt viele Argumente, hier in der Nähe zu wohnen. Ich fühle mich aber in Düsseldorf wohl, meine Freundin auch. Ich bin kein Freund von dauernden Umzügen.
Wenn Ihr Freizeit habt, zocken Sie auch an der Konsole?
Aogo: Nein, ich kann mich auch nicht dafür begeistern. Ich spiele es vielleicht zehn, 15 Minuten, dann wird mir langweilig.
Haben Sie einen Twitter-Account?
Aogo: Nein. Ich bin froh, dass ich Facebook und Instagram auf dem Handy anständig bedienen kann. Zu viel kann und will ich nicht.
Vom Traditionsverein HSV zum Traditionsverein Schalke – welcher ist der größere Chaos-Club?
Aogo: Chaos hört sich so negativ an. Schalke ist einfach ein Verein, der lebt. Ich habe mir beide Vereine bewusst ausgesucht, weil sie reizvoll sind. In Hamburg ist es noch unruhiger, weil es sportlich auf einem anderen Niveau schlecht läuft.
Sie sind in der Freiburger Fußballschule bei Christian Streich groß geworden. Was ist Streich für ein Typ?
Aogo: Er ist liebenswert, im positiven Sinn verrückt und ehrgeizig. Er beschäftigt sich 24 Stunden am Tag mit Fußball. Ich weiß gar nicht, ob er zwischendurch schläft. Im Internat hatte ich Phasen, da hatte ich das Gefühl, meine Grenzen austesten zu müssen. Er wurde aber nie müde, mich auf den richtigen Weg zu bringen. Deshalb ist er ein besonderer und wichtiger Baustein in meiner Karriere.
Wie finden Sie, dass wir unsere Nummer 10 verloren haben?
Aogo: Als Mitspieler freut man sich nie, wenn sich ein Spieler dieser Qualität vom Verein trennt. Aber ich weiß, dass bestimmte Dinge zu diesem Geschäft gehören. Julian hat dem Verein signalisiert, dass er eine neue Herausforderung sucht. Deshalb muss man das respektieren.
Hat der Draxler-Transfer die gute Stimmung im Team, man hat zumindest den Eindruck, verändert?
Aogo: Das wird man erst am Ende sagen können. Es wird immer alles am Erfolg gemessen. Ich würde aber „Nein“ sagen.
War vor dem Wolfsburg-Spiel der Wechsel von Julian Draxler ein Thema unter den Spielern?
Aogo: Ich würde sagen, dass uns das nicht beschäftigt hat. Ein möglicher Wechsel war ein Thema in der ganzen Vorbereitung, aber am Ende denkt man nicht so viel darüber nach. Man macht vielleicht einen Spruch in der Kabine und fragt, wie es aussieht, ob noch etwas passiert.
Mal angenommen, Horst Heldt hätte Ihnen die Entscheidung überlassen, was mit den Draxler-Millionen geschehen soll – entweder einen neuen Spieler kaufen oder schleunigst das Vereins- und Trainingsgelände ausbauen. Wie hätten Sie sich entschieden?
Aogo: Als Sportvorstand muss man gucken: Was ist auf dem Markt? Was ergibt Sinn? Wenn es DIE Lösung auf dem Markt gegeben hätte, dann muss man abwägen. Gerade aufgrund der Situation in England, mit dem großen Geld, das in die Bundesliga fließt, bin ich der Meinung, dass man viel in die Infrastruktur, in die Jugendarbeit investieren sollte. Das ist langfristig die Möglichkeit, wettbewerbsfähig zu bleiben.
Julian ist weg – aber wir haben mit Benedikt Höwedes doch wohl noch eine bessere Identifikationsfigur. Wie stehen Sie dazu?
Aogo: Die Fans wünschen sich eben viele solcher Identifikationsfiguren. Das ist der Grund, warum viele enttäuscht sind. Wir haben noch Benedikt Höwedes, auch Joel Matip und Ralf Fährmann zähle ich dazu.
Welchen Anteil hat Andre Breitenreiter an der positiven Stimmung?
Aogo: Einen großen Anteil. Es ist schön, dass die Stimmung so positiv ist, aber wir müssen viel verbessern, um nachhaltig etwas davon zu haben.
Hat es Breitenreiter geschafft, eine Einheit zu formen – oder ist die Grüppchenbildung immer noch vorhanden?
Aogo: Bis hierhin schon, aber wir sind noch früh in der Saison. Ich bin vorsichtig mit solchen Aussagen. Wir haben einen guten Zusammenhalt, aber am Ende steht und fällt alles mit dem Erfolg, wie wir zusammenstehen, wenn es schlecht läuft. Zur Grüppchenbildung würde ich sagen: welche Grüppchenbildung?
Wichtige Offensivspieler wurden mit Jefferson Farfan und Julian Draxler abgegeben. Wie stehen Sie dem gegenüber?
Aogo: Wir haben nach wie vor gute Spieler. Wir haben einen kleinen, engen Kader. Vielleicht schweißt das zusammen, weil wir wissen, dass wir den Qualitätsverlust durch Geschlossenheit und Teamgeist auffangen können.
Was ist Ihr persönliches Saisonziel?
Aogo: Ich habe mir Ziele gesetzt, die ich nicht immer offen kommunizieren will. Ich will fit bleiben und eine gute Saison auf konstant gutem Niveau spielen. Ich habe für mich ein paar Dinge verändert – meine Vorbereitung, mein Leben außerhalb des Platzes. Ich werde den Fokus komplett auf Fußball legen.
Ich vermisse bei Ihnen die entschlossene und mutige Spielweise, die Sie beim HSV gezeigt haben. Woran liegt es? Liegt es an den vielen verschiedenen Trainern?
Aogo: Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass Sie vielleicht eine Spielweise von mir erwarten, die meiner Spielweise gar nicht entspricht. Ich bin vielleicht nicht der Kratzer, Grätscher, Beißer. Ich komme mehr über das spielerische Element. Oftmals wird gesagt, dass ich mehr laufen soll. Wenn man sich die Zahlen anschaut, kann man sehen, dass ich immer unter den Top drei in der Laufstatistik bin.
Sie haben einmal geäußert, dass Sie sich dass Sie sich außerhalb des Vereinsgeländes wenig mit Fußball beschäftigen. Inwieweit gelingt es Ihnen, mit dem Aufhängen Ihrer Trikots in den Spind, ihren Beruf in der Kabine zu lassen?
Aogo: Ich versuche, mich nicht so viel mit Fußball zu beschäftigen, das stimmt. Damit meine ich aber, dass ich nicht der Typ bin, der sich in seiner Freizeit jedes Spiel angucken muss. Ich bin gern draußen, mache andere Dinge, die nichts mit Fußball zu tun haben. Wenn Sie aber meine Freundin fragen würden, würde sie sagen, dass ich nie richtig abschalten kann. Ein bisschen begleitet einen das immer, weil man oft damit konfrontiert wird und ich viel über meine Arbeit nachdenke.
Wie geht es Ihrem Knie nach der Verletzung?
Aogo: Es geht mir gut, ich bin zufrieden. Das letzte Jahr lief insgesamt schlecht. Für mich war es auch das erste Jahr nach meinem Kreuzbandriss. Außenstehende denken oft: Der ist doch erfahren und so lang dabei, das müsste schneller gehen. Doch nach so einer Verletzung, die einen acht Monate rauswirft, braucht man eine gewisse Zeit, um reinzukommen. Am stärksten war ich bisher, als ich neu auf Schalke war, als ich Woche für Woche konstant auf einer Position gespielt habe. Das war gerade in der letzten Saison nicht so. So erkläre ich mir in Verbindung mit den Verletzungen die Leistungsschwankungen.
Können Sie Ihr Inneres beschreiben, als Sie nach dem Paderborn-Spiel vor der Nordkurve standen?
Aogo: Das war mit das Schlimmste, was ich als Profifußballer erlebt habe. Die Emotionen, die von der Tribüne kamen, haben uns extrem erschrocken. Das möchte man nicht noch einmal erleben.
Wie weit dürfen Fußballfans gehen nach schlechten Leistungen der Mannschaft?
Aogo: Natürlich haben Fans das Recht, Emotionen zu äußern. Innerhalb des Stadions ist es in Ordnung, man muss mit Kritik umgehen können, auch wenn die mal heftiger ausfällt. Wenn einem aber privat auf der Straße auch mit Hass und Beleidigungen begegnet wird, ist für mich ein Grenze überschritten.
Konnten Sie darüber lachen, dass Roberto Di Matteo immer „Ajogo“ gesagt hat?
Aogo: Das fanden alle so witzig, dass mich die anderen Spieler damit aufgezogen haben.
Die veröffentlichten Fragen stammen von Vera Gerten, Frederik Papaderos, Holger Knittel, Carsten Schattner, Volker Soraschewski, Dagmar Zielosko, Ludwig Schmid, Ralf Mojzesz, Christian Reise, Gerd Schlegel, Martin Gödde, Manfred Kischkel, Ulrich Müller, Hermann Nienhaus, Lutz Bauer und Emily Knittel. Vielen Dank an alle Einsender!