Gelsenkirchen.
Der erste Blick schweift über das beige Gefährt hinweg. Erwartet wird Raúl, diespanische Fußball-Ikone,dieser Stürmer-Star, der es durch seine Kunst nicht nur zu grenzenlosem Ruhm, sondern auch zu etlichen Millionen Euro auf dem Konto gebracht hat. So einer, so einer sitzt überall drin, aber nicht in einem Mini Cooper.
Sekunden später werden die Ungläubigen eines besseren belehrt. Vier Personen schälen sich aus der vollbesetzten kleinen Knutsch-Kugel. Von hinten rechts krabbelt ein Mann im königsblauen Trainingsanzug ins Freie: Raúl, der spanische Señor. Sein voller Name: Raúl González Blanco. 33 Jahre alt, fünffacher verheirateter Familienvater. Der, draußen angekommen, heiter lacht wie ein kleiner Junge.
Diese Szene im Vorgang des heutigen Halbfinal-Hinspiels zwischen Schalke 04 und Manchester United in der Champions League (20.45 Uhr live SAT1 und Sky), oder die Kletterpartie in die Nordkurve nach dem Triumph im Viertelfinale gegen Inter Mailand - alles fügt sich so wunderbar zusammen. Zum Bild eines großartigen Fußballers, der mit Real Madrid im Vereinsfußball bis auf den nationalen Pokal alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, der von Fans verehrt wird wie ein Heiliger, der aber keinesfalls abgehoben seine Karriere ausklingen lässt. Sondern sich mit ganzem Herzen für Königsblau einsetzt und nach Niederlagen wie der gegen den 1. FC Kaiserslautern tief traurig in der Kabine hockt.
Im vergangenen Sommer lotste Felix Magath den Spanier nach Gelsenkirchen. Hinter vorgehaltener Hand machten schnell Zweifel die Runde. Raúl, dieser bei Real nach 16 Jahren und über 550 Spielen zwar zum Inventar, aber nicht mehr zur ersten Garde zählende Fußballer - was bitte schön will Schalke mit so einem?
Sein Start bot den Kritikern weiteren Nährboden. 599 lange Pflichtspiel-Minuten dauerte es, ehe Raul endlich seinen ersten Treffer bejubeln durfte. Vergangenheit. Denn angesichts seiner mittlerweile zahlreichen, für den Klub Millionen schweren Tore (12 in der Bundesliga, eins im Pokal, fünf in der Königsklasse) wird der mit 73 Treffern Führende der ewigen Europapokal-Torjägerliste mehr und mehr zum königsblauen Glücksgriff.
Er selbst fühlt sich ebenfalls wohl. Auf Schalke und in Düsseldorf, wo die Familie wohnt. So wohl, dass er seinen bis 2012 laufenden Vertrag verlängern möchte. „Gerne noch ein weiteres Jahr. Aber das wird der Klub entscheiden“, sagt der Star bescheiden.
Der Verein ist nicht abgeneigt. Gespräche zwischen Manager Horst Heldt und den Beratern sind bereits verabredet. „Mit einem Ehrenmann geht man anders als mit anderen Spielern um“, sagt Heldt, „und Raúl ist ein Ehrenmann.“
Einer, der auf dem Platz nicht nur technisch brilliert, sondern auch zum Ruhrgebiet passend malocht. „Dass wir überhaupt ins Halbfinale gekommen sind, wiegt mehr, als mit Real Madrid so weit gekommen zu sein“, sagt Raúl. Manchester sei zwar einer der besten Vereine der Fußball-Geschichte, aber „wenn wir unser Niveau aus den Spielen gegen Valencia und Inter halten können, haben wir auf jeden Fall eine Chance.“ Unmöglich erscheint nichts. Mit einer spanischen Fußball-Legende im Mini Cooper.