Gelsenkirchen. Auch bei Peter Lohmeyer hat die schlechte Saison Spuren hinterlassen. Wir haben uns mit dem Schauspieler und großen Schalke-Fan getroffen.
Peter Lohmeyer schlüpfte als Schauspieler schon in tausend Rollen. Wenn es aber um Fußball geht, dann bleibt der 53-Jährige authentisch: FC Schalke 04 – und sonst nichts. Die WAZ traf Lohmeyer während der Dreharbeiten des neuen Ruhrpott-Films „Junges Licht“, um mit ihm über die Königsblauen zu sprechen. Und das ausgerechnet in einem Hotel in Dortmund.
Wie schläft es sich eigentlich mit Blick auf das Stadion von Borussia Dortmund?
Peter Lohmeyer: Zugegeben, dieser Ort ist nicht so irre charmant, aber ich habe in dieser Stadt lange gelebt, ich kenne die Luft also. Und richtig brennen tut es ja hier sowieso nur einmal im Jahr. Dann, wenn die Schalker kommen.
Das Revierderby, ein gutes Stichwort. Dieses 0:3 dort drüben in der vergangenen Saison hat richtig weh getan.
Lohmeyer: Das Spiel habe ich zum Glück verpasst, ich war da gerade in Südamerika unterwegs. Die Rückrunde war eh zum Abgewöhnen. In Madrid wäre ich aber schon gerne dabei gewesen. Dieses unglaubliche 4:3 habe ich mittags am Strand von Peru gesehen. Ich war ohne Ende begeistert, selbst die Taxifahrer waren am nächsten Tag noch von den Socken, nur etwas traurig, weil Farfan nicht mitgespielt hat.
Sie zählen zu den prominentesten Schalke-Fans. Wie sind Sie eigentlich ein Königsblauer geworden?
Lohmeyer: Das liegt an Fichte Hagen. Ich habe als Köttel dort Handball gespielt und wir hatten blaue Trikots. Hinzu kam, dass der damals für mich überragende Spieler Stan Libuda war. Das kam dann halt so zusammen. Hätte ich bei einem Verein mit gelben Trikots gespielt, wäre es vielleicht ein anderer Verein geworden.
Also haben Sie nicht irgendwann angefangen, Schalke cool zu finden, weil Schalke cool ist.
Lohmeyer: Von wegen! Mein äußerst kluger Kollege Joachim Krol hat mal über mich gesagt, auf die Frage, was er an mir am meisten schätzt, meine Leidensfähigkeit. Jeder wird da doch irgendwie reingeboren oder reingeschubst. Ich kann aber nur schwer akzeptieren, wenn einer sagt: Damals, als Schalke Uefa-Cup-Sieger wurde, da bin ich dann Schalke-Fan geworden. Irgendwie gehört das Leiden ja auch dazu. Mit dem Erfolg einer Mannschaft anzufangen, dessen Fan zu werden, finde ich schwierig.
Sie leben in Hamburg. Wann haben Sie Schalke zuletzt im Stadion gesehen?
Lohmeyer: Das letzte Spiel habe ich in Berlin gesehen, das 2:2 in der letzten Saison. Ich saß auf der Tribüne neben Klaus Fischer. Es war das Spiel, in dem der eigentlich äußerst talentierte Wellenreuther ein wenig gepatzt hat und man sich wieder viele Fragen zu dem Verein stellen konnte. Warum gibt man dem Christian Wetklo nicht eine Chance? Warum hat man Wetklo dann überhaupt verpflichtet? Die einzige Freude an diesem Spiel war das Tor von Sané.
Und auf Schalke? Geht’s eher in die Nordkurve oder doch lieber in den VIP-Bereich?
Lohmeyer: In der Arena habe ich schon überall gesessen oder gestanden. In der Nordkurve war ich schon, ganz oben unter dem Dach auch schon mal. Ich saß auch auf der Pressetribüne, sogar schon neben dem Schiedsrichterbeobachter. Klar, auch im VIP-Bereich war ich schon, da ist es am einfachsten für mich, eine Karte zu bekommen. Aber unser Kuchenblock ist gar nicht so schlimm wie andere Kuchenblöcke, wie der in Hamburg, oder der München. Schlimm sind nur die Leute, die nach Schalke fahren, die es aber gar nicht interessiert. Mir ist echt total egal, wo mein Platz ist. Hauptsache nicht im Glasblock bei den gegnerischen Fans.
Sind Sie im Stadion eher der emotionale Fan oder doch der stille Beobachter?
Lohmeyer: Über meine Mannschaft kann ich mich schon aufregen. Und wie. Wenn ein Stürmer die 20 Schritte nicht mit nach hinten macht, wenn einfach der Wille fehlt, ärgert mich das enorm. Ich komme aus einem kirchlichen Haushalt und weiß: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich bin aber keiner, der dem Kollegen dann ‘Du blödes Arschloch’ hinterher ruft, hört der sowieso nicht. Ich springe auf, wenn ich mich freue und ich gucke weg, wenn ich es nicht sehen will.
Schalke hat in der vergangenen Saison kein gutes Bild abgegeben. Nicht auf dem Rasen, aber auch nicht auf den Rängen. Viele Fans haben gegen die Mannschaft und die Vereinsführung gewettert. Verständnis?
Lohmeyer: Ich fand es großartig, als sich die Fans umgedreht haben, weil sie das Spiel nicht mehr sehen konnten. Die Schalker Fans haben eine ganz klare Haltung gezeigt. Danach hieß es dann von Vereinsseite: Wir müssen den Fans wieder was bieten. Damit bin ich nicht ganz klargekommen. Muss das nicht immer so sein? Müssen wir euch echt erst darauf hinweisen, dass ihr für uns spielt, und was bieten müsst? Holla die Waldfee, was ist das denn für eine Einstellung?
Aber es gab auch üble Beschimpfungen in Richtung Vereinsführung und Spieler.
Lohmeyer: Pöbeleien am Zaun – das muss nicht sein. Da bin ich eben eher für einen stillen Abgang. Aber die ganze Bewegung, von den Ultras bis zum letzten Sitzplatz, wie die Leute ihren Arsch hochgekriegt haben und deutlich gezeigt haben, dass es so nicht läuft, finde ich großartig. Das habe ich auch noch bei keinem Verein so gesehen.
War der FC Schalke 04 in der vergangenen Saison eher Drama oder doch eher Komödie?
Lohmeyer: Schalke war eine Tragikomödie, eine furchtbar schlecht gespielte noch dazu, einfach komplett durchschaubar. Das hatten wir aber nicht nur in der letzten Saison so, sondern auch in der davor. Es wurden viele falsche Entscheidungen getroffen: die Beförderung von Jens Keller, der Transfer von Kevin-Prince Boateng. Einfach keine Entwicklung. Ich entwickele mich in meinem Job ja auch weiter. Ich kann ja nicht auf dem Niveau stehenbleiben, das ich mit 21 Jahren auf der Schauspielschule hatte und dann mal eben das „Wunder von Bern“ spielen.
Gibt es auf Schalke zu viele Hauptdarsteller?
Lohmeyer: Ja, definitiv. Ich kann nur hoffen, dass die handelnden Personen es verstanden haben, dass es auf Schalke gar nicht immer laut sein muss. Beste Qualität stellt man in ruhigem Fahrwasser her. Und nicht, wenn man Wellen drum herum schlägt. Denn dann schaukelt das Schiff.
Was stimmt Sie denn optimistisch, dass jetzt alles besser wird?
Lohmeyer: Auf jeden Fall der Trainerwechsel. Andre Breitenreiter hat schon gezeigt, dass er einen Fußball vertritt, der attraktiv ist, der durchdacht ist, der mit einer Mannschaft geht und nicht für eine Mannschaft. Breitenreiter gehört zu einer Trainergeneration, in der es keine Lautsprecher, keine Selbstdarsteller gibt. Das sind Trainer, die nicht nur die Mannschaft sondern auch sich selber weiterentwickeln wollen.
Sie haben in weit über 60 Filmen mitgespielt. Unter anderem in „Nie mehr zweite Liga“, „Vorne ist verdammt weit weg“ und „Spur der Hoffnung“. Welcher Titel passt am besten zu Schalke?
Lohmeyer: Gerne „Spur der Hoffnung.“ Man muss auf die jungen Generation setzen. Für die Entwicklung einer Mannschaft sind Transfers wie Boateng tödlich. Die jungen Spieler machen sich Hoffnung, kriegen dann einen namhaften Spieler vor die Nase gesetzt und werden unruhig. Ich hoffe, dass das mit Breitenreiter jetzt aufhört und bin deshalb auch froh, dass ein Herr Khedira nicht auf Schalke spielt. Vielleicht gehört zu „Spur der Hoffnung“ auch dazu, dass man nicht nur auf die Champions League schielt, sondern die Mannschaft sich über zwei oder drei Saisons entwickeln kann. (Interview von Christoph Winkel)
Woher Peter Lohmeyer Schalke-Stürmer Eric Maxim Choupo-Moting kennt
Als Ralf Rangnick Trainer war, haben Sie mit der Mannschaft mal ein Lied aufgenommen: „Schalke, du bist ein Teil von mir“.
Lohmeyer: Das war echt kein besonderer Song. Fußballmusik finde ich generell wahnsinnig mühsam. Das einzige Lied, das ich auswendig kann und immer laut mitsinge, ist das Steigerlied.
Stimmt es eigentlich, dass Ihr Spitzname sogar mal „Schalke“ war?
Lohmeyer: Ja, das stimmt. Ich habe als Jugendlicher auch in Stuttgart gelebt. Ich hatte damals so ein Schalke-Baumwolltrikot an. Mein Freund Haufi war Torwart, er wusste nicht, wie ich heiße und hat mich Schalke gerufen. Dann hast du so einen Spitznamen weg. Später habe ich sogar beim VfB Stuttgart gespielt, in der C-Jugend, aber nur ein Jahr.
Zuletzt haben Sie sogar das Schalker Trikot getragen, in der Traditionsmannschaft.
Lohmeyer: Das Spiel war in Hagen, beim Rett-Syndrom-Benefiztag. Ich habe schon häufiger gegen die Schalker Traditionsmannschaft gespielt, einmal mit der „Wunder von Bern“-Elf. Da war nicht nur Rüdiger Abramczik beeindruckt und man hat mich eingeladen. In Hagen haben wir verloren, ich habe im Fünfmeterraum kläglich versagt. Es macht Spaß mit den Jungs, auch wenn sie meine Laufwege noch nicht kennen. Günter Schlipper hat mich auf Rechtsaußen meistens gar nicht gesehen. Ich hoffe mal der liest das, dann klappt das beim nächsten Mal.
Wer ist Ihr Lieblingsspieler?
Lohmeyer: Mein Idol damals war Stan Libuda. Wen ich aber auch wahnsinnig mag, ist Manuel Neuer. Manu hat einfach eine so positive Energie, das schätze ich. Ich finde es blöd, wenn man ihn auspfeift, dass man ihm nicht verzeiht, dass er gewechselt ist. Ebbe Sand bin ich natürlich auch ewig dankbar.
Und aus der aktuellen Mannschaft?
Lohmeyer: Da ist Eric Maxim Choupo-Moting mein Favorit. Maxim kenne ich noch als Köttel, weil er mit meinem Sohn zusammen für Altona 93 gekickt hat. Da hat man eine ganz andere Bindung zu so einem Spieler. Mein Sohn war sogar einmal sein Kapitän, davon redet er heute noch.