Gelsenkirchen.. Nach der 1:2-Heimniederlage gegen den Tabellenletzten Greuther Fürth herrscht Verzweiflung auf Schalke. Die Mannschaft stellt bekannte Fehler nicht ab, dadurch nimmt die Kritik an Trainer Jens Keller zu. Jetzt folgen zwei Auswärtsspiele, als nächster Gegner warten die Bayern.
Als die blau-weiß gekleideten Fans die Arena verließen, schimpften viele verzweifelt vor sich hin. „Volksverdummung!“, wetterte einer, ein zweiter fragte reflexartig, warum „diese Herrschaften“ eigentlich so viel Geld verdienen, und ein dritter empfahl eine Radikalkur: „Keller weg! Heldt weg! Tönnies weg! Alle weg!“
Krisenzeit auf Schalke. Das Feuer der Emotionen brennt auf Höchsttemperatur. Als der königsblaublütige Fürther Gerald Asamoah ausgewechselt wurde, feierten ihn die Schalke-Anhänger, während sich das eigene Team Pfiffe anhören musste. Darüber beklagte sich Jermaine Jones heftig. „Die Fans müssen wissen, dass Pfiffe uns nicht weiter bringen“, meinte der Mittelfeldspieler. „Vor allem nicht, wenn ein Ex-Spieler mit Standing Ovations verabschiedet wird. Das ist traurig.“
Abgeschlagener Tabellenletzter gewinnt gegen Champions-League-Anwärter
Aber muss man die Leute in ihrem Zorn nicht verstehen – und auch in ihrer Zuneigung zu einem alten Kämpfer? Wie sollen sie es begreifen, dass jetzt auch noch ein abgeschlagener Tabellenletzter bei ihrem selbst ernannten Champions-League-Anwärter mit 2:1 gewann?
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Natürlich hatte Schalke zweimal Pech. Zuerst krachte der Schuss des Brasilianers Raffael in der 87. Minute an den Pfosten, und vor Fürths Siegtor in der 92. Minute stand Torschütze Nikola Djurdjic klar im Abseits. Die Hauptursache für diese peinliche Niederlage aber lag in der unterschiedlichen Mentalität der beiden Teams: Fürth kämpfte beherzt, Schalke spulte uninspiriert ein Offensivprogramm ab und verteidigte lethargisch. Bei ihren Kontern spürten die Fürther keine konsequente Gegenwehr.
Keller beklagt Differenzen zwischen Alltag und Spieltag
Dies musste auch Trainer Jens Keller zugeben: „Wir sind nicht aggressiv hingegangen, dadurch fielen die Gegentore.“ Der Nachfolger des im Dezember entlassenen Huub Stevens war vom ersten Tag von Skepsis begleitet worden, jetzt steht er schwer in der Kritik, weil auch er den Abwärtstrend nicht stoppen konnte. Nach dem 5:4 gegen Hannover hatte Schalke ein vermeintlich leichtes Programm, gegen Augsburg und Fürth wurden sechs Punkte anvisiert. Ein Pünktchen blieb.
„Das ist ein herber Rückschlag“, meinte Manager Horst Heldt, und Jens Keller beklagte fassungslos die Differenzen zwischen Alltag und Spieltag. Sein Team habe nämlich „richtig gut trainiert“, und überhaupt: „Die Mannschaft ist intakt, die Mannschaft funktioniert.“
Naives Defensivverhalten zieht sich wie Krankheit durch die Saison
Er wollte damit wohl ausdrücken, dass sich die Spieler nicht gegenseitig zerfleischen. Eine funktionierende Mannschaft aber hätte sich garantiert nicht die Blamage geleistet, eine 1:0-Führung gegen das Schlusslicht der Liga herzuschenken. Es hatte doch alles gestimmt in dieser 47. Minute: Ausgerechnet Michel Bastos, der erst in der vergangenen Woche aus Lyon gekommene Brasilianer, hatte Schalke mit einem grandiosen Linksschuss von den linken Strafraumkante aus in Führung gebracht. Aber selbst dieses Signal gab den Blau-Weißen keine Sicherheit. Weil sich ihr naives Defensivverhalten wie eine hartnäckige Krankheit durch die Saison zieht.
Beim Ausgleichstreffer von Felix Klaus in der 52. Minute verteidigte außen Atsuto Uchida mit Wattebäuschchen, innen stand Joel Matip falsch, und Christian Fuchs hielt einen Kurzschlaf. Beim späten Siegtor von Nikola Djurdjic war Schalke zu weit aufgerückt und fand hinten keinen Zugriff mehr. Diese Angsthasen-Abwehr, in der nur Kapitän Benedikt Höwedes mal energisch die Initiative ergreift, hätte in der Winterpause Verstärkung benötigt – zumal noch keiner weiß, wann Kyriakos Papadopoulos nach seiner Knie-Operation zurückkommen kann.
Nächster Gegner werden die Bayern
Dies ist neben der Beförderung eines Jugendtrainers zum Cheftrainer einer der Vorwürfe, mit denen Manager Horst Heldt nun konfrontiert wird. Zwar schränken ihn finanzielle Zwänge ein, und die Brasilianer Michel Bastos und Raffael machen das Aufgebot bestimmt nicht schlechter. Aber Not herrscht nicht vorne. Am Samstag bei den Bayern (18.30 Uhr, live in unserem Ticker) fehlt der schon in Augsburg indisponierte Christian Fuchs wegen seiner fünften Gelben Karte. Alternativen? Jetzt muss sich das 19-jährige Talent Sead Kolasinac mit Thomas Müller herumplagen.
Schalke unterliegt Fürth
Den Schalkern droht eine Saison mit leeren Händen. Noch stehen sie auf Platz sechs, also wenigstens auf einem Europa-League-Rang. „Nach so einer Niederlage brauchen wir auch nicht mehr von der Champions-League-Teilnahme zu sprechen“, meinte Trainer Jens Keller. „Wir müssen erst einmal punkten.“ Aber wie? Und wo? Jetzt stehen zwei schwere Auswärtsspiele an: in München und in Mainz. Und ausgerechnet in dieser Woche erschweren zudem organisatorische Probleme die Aufarbeitung. Viele Schalker Spieler halten sich bei ihren Nationalmannschaften auf. Aber Luftveränderung soll ja auch gut tun.