Gelsenkirchen. Schalke ist laut einer Statistik in der Bundesliga der Abstiegskandidat Nummer 1 – die Zahlen beunruhigen. Doch S04-Trainer Baum hat einen Plan.

Die nackten Zahlen dürften jedem Schalke-Fan das Blut in den Adern gefrieren lassen. Laut des US-amerikanischen Prognosen-Portals fiverthirtyeight.com stehen die Gelsenkirchener trotz des ersten Saisonpunkts beim 1:1 gegen Union Berlin bereits mit einem Bein in der 2. Liga – zumindest rein statistisch: Mit einer Abstiegswahrscheinlichkeit von 48 Prozent rangiert Königsblau noch hinter Schlusslicht FSV Mainz 05 (42 Prozent) und weit hinter den übrigen Abstiegskandidaten Bielefeld (29 Prozent), Köln (27 Prozent) sowie Union (16 Prozent). Die düstere Saisonabschluss-Prognose für Schalke lautet: 29 Punkte, -35 Tore und Rang 18, stolze fünf Zähler hinter dem Relegationsplatz (Bielefeld).

Dazu muss man wissen: Die von dem renommierten US-Statistik-Guru Nate Silver (42) betriebene Website präsentiert rein datengetriebene Prognosen auf Grundlage von hochkomplexen mathematischen Modellen. Silvers Berechnungen sind so punktgenau, dass sie nicht nur im Sport weltweite Beachtung finden, sondern auch, wenn es um politische Wahlen geht oder um den Ausblick auf den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie.

Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte der Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler aus Michigan zudem durch die Entwicklung von PECOTA, einem laut Silver „tödlich akkuraten“ Algorithmus zur Vorhersage der Leistungsentwicklung von Baseballspielern, benannt nach dem ehemaligen US-Profi Bill Pecota (u.a. Atlanta).

Der Statistik-Guru sagte den Ausgang der Saison 2018/19 für Schalke fast exakt voraus

In Punkto Schalke jedenfalls erwiesen sich Silvers Prognosen in den zurückliegenden Jahren als erschreckend präzis: In der Saison 2018/19 beispielsweise hatte das Superhirn nach dem 27. Spieltag (und einem 1:0-Sieg in Hannover) orakelt, dass die damals von Huub Stevens betreuten Knappen am Saisonende mit 34 Punkten und fünf Zählern Vorsprung auf den Drittletzten VfB Stuttgart Rang 14 belegen würden. Alles, wirklich alles an dieser Prognose ging auf – bis auf die Tatsache, dass Schalke statt der vorhergesagten 34 Punkte lediglich 33 auf dem Konto hatte. Auch in der vergangenen Saison erwiesen sich Silvers „Tipps“ als gnadenlos gut: Als Königsblau nach dem 6. Spieltag (3:1 in Leipzig) nur einen Punkt Rückstand auf Spitzenreiter Bayern hatte, verortete fivethirtyeight.com die S04-Meisterchancen lediglich im Promillebereich – ebenso wie die Abstiegswahrscheinlichkeit.

Trotz Punktgewinn gegen Union hat sich die Prognose für Schalke verschlechtert

Und in der laufenden Spielzeit? Bereits vor dem Heimauftritt gegen Union war Schalke laut fivethirtyeight.com der Bundesliga-Abstiegskandidat Nummer 1, mit einer Wahrscheinlichkeit von 45 Prozent. Dass sich diese Prognose trotz des ersten Punktgewinns abermals verschlechterte, liegt wohl weniger am Resultat als an den Spieldaten: Silver und sein Team analysieren Stärken und Schwächen einer jeden Mannschaft bis ins kleinste Detail. Ein eminent wichtiger Faktor hierbei sind die „Expected Goals“, also die Anzahl von Treffern, die aufgrund von Anzahl und Qualität der heraus gespielten Chancen zu erwarten sind – im eigenen wie im gegnerischen Tor. Und hier lieferte Schalke auch gegen Union noch zu wenig: 8:13 Torschussversuche und 4:7 Torschüsse (laut offizieller Bundesliga-Statistik) sprechen klar für die Berliner.

Zwischen Ozan Kabak (links) und Nassim Boujellab ging’s ordentlich zur Sache. Hinten beobachten Amine Harit und Goncalo Paciencia.
Zwischen Ozan Kabak (links) und Nassim Boujellab ging’s ordentlich zur Sache. Hinten beobachten Amine Harit und Goncalo Paciencia. © Ralf Ibing/firo Sportphoto | firo Sportphoto/Ralf Ibing


Optimistisch stimmt hingegen, dass Schalkes neuer Trainer Manuel Baum die spielerischen Defizite in Abwehr wie Angriff klar erkannt hat und offenbar einen Plan entworfen hat, um konstruktive Lösungen zu finden. „Das Spiel muss man ein bisschen differenzierter betrachten“, erklärte der 41-Jährige nach dem 1:1 gegen Union. Leidenschaft, Laufbereitschaft, Kampfgeist und Sprintfreudigkeit – all das sei zwar „gut“ gewesen. Er wisse jedoch, dass „wir spielerisch definitiv noch zulegen müssen“, analysierte Baum und präzisierte: „Mit dem Spielaufbau sind wir nicht zufrieden, teilweise war es in der Pressing-Struktur noch nicht ideal.“ Doch der ehemalige U20-Nationalcoach mahnt auch immer wieder zu Geduld, sprach zuletzt von „kleinen Schritten“ und „kleinen Erfolgserlebnissen“, die man sich holen müsse.

Am Samstag kann Schalke die nächste Etappe auf Baums Marschroute zurücklegen. Doch im 97. Bundesliga-Revierderby (Samstag, 18.30 Uhr/Sky) stellt sich den Knappen mit Borussia Dortmund ein scheinbar übermächtiger Gegner in den Weg. Das hat auch Nate Silver so berechnet: Die Chancen auf einen Schalker Auswärtserfolg beziffert der Statistik-Guru mit mageren fünf Prozent (Remis: 14 Prozent, Niederlage: 81 Prozent). Vielleicht sollten sich Sané, Mascarell & Co. also lieber an den deutschen Schriftsteller Peter Rudl halten, der einst postulierte: „Statistik ist für Statisten.“ Mit anderen Worten: Es wird Zeit, dass die Schalker Profis ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.