Gelsenkirchen.. Fünf Spieler der deutschen Nationalmannschaft hat Schalkes U19-Trainer Norbert Elgert ausgebildet. Der 59-Jährige erinnert an die gemeinsame Zeit, an Anekdoten und an Gespräche, die Wirkung hatten.
Vor zwei Jahren führte Bundestrainer Joachim Löw die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Brasilien zum Weltmeister-Titel, am Sonntag beginnt für sein Team die Mission Europameisterschaft in Frankreich mit dem ersten Gruppenspiel gegen die Ukraine.
Fünf Spieler aus dem 23-köpfigen Kader haben ihre fußballerische Ausbildung auf Schalke genossen: macht 21,7 Prozent des Teams. Benedikt Höwedes, Leroy Sané, Manuel Neuer, Mesut Özil und Julian Draxler sind durch die Schule von Norbert Elgert gegangen. Gewiss haben die fünf Nationalspieler nicht nur vom Schalker U19-Trainer profitiert, schließlich hatten sie in ihrer Laufbahn auch andere Trainer.
Aber der Fußballlehrer hat ihnen vor dem Sprung ins Profigeschäft zwei Jahre lang den letzten Schliff verpasst – wie schon so vielen Spielern, die ihren Traum vom Profifußball leben. Elgert ist stolz auf seine ehemaligen Schüler. Auch, weil sie Nationalspieler sind, weil sie an der Europameisterschaft teilnehmen.
Vor allem aber ist er stolz auf „Leroy, Benny, Manu, Mesut und Jule“, wie er sie nennt, weil sie einen guten Charakter haben, weil sie bodenständig geblieben sind. „Alle fünf greifen mit den Händen nach weiteren Sternen, sind aber mit den Beinen auf der Erde fest verwurzelt“, sagt der 59-Jährige. „Jeder von ihnen würde auch Fußball spielen, wenn er nichts dafür bekommen würde.“
Elgert über Leroy Sané
Leroy Sané bekam in der ersten gemeinsamen Saisonvorbereitung vor drei Jahren zügig eine Einladung zu einem Vier-Augen-Gespräch mit Norbert Elgert. „Leroy war schon immer hochtalentiert, gut aussehend und umschwärmt“, sagt Elgert. Nicht alles davon sei unbedingt förderlich gewesen, bedingungslos dafür zu arbeiten, sich den Traum vom Profifußball zu erfüllen. Elgert stellte seinem Stürmer deshalb vor die Wahl. „Ich habe ihn gefragt, ob er in die Showbranche wechseln möchte, Bravo-Boy werden will, oder doch lieber Fußballprofi.“
Sanés Antwort hat den Fußballlehrer allerdings nicht überrascht: „Ich will Profi werden, Trainer!“. Elgert nickte und sagte: „Entsprechend werden wir uns verhalten und arbeiten.“
Heute gilt der 20-Jährige als eines der größten Talente Europas. „Ein schneller exzellenter Schnittstellenläufer, sein Spiel gegen den Ball hat sich deutlich verbessert“, sagt Elgert, der sich auch noch gut an das Spiel im November 2014 in der Uefa Youth League bei Sporting Lissabon erinnert.
Schalke lag zur Pause 0:2 zurück und nicht nur Leroy Sané war in der ersten Halbzeit unter seinen Möglichkeiten geblieben. „So wie du hier rumläufst, wird das heute dein letztes Spiel für die U19 gewesen sein“, sagte Elgert seinem Stürmer in der Kabine. Sané drehte im zweiten Durchgang auf, erzielte zwei Tore und Schalke gewann mit 3:2. „Ein Spiel darfst du noch“, sagte Elgert. Beide lachten.
Elgert über Benedikt Höwedes
Benedikt Höwedes kam als 18-Jähriger häufig im schon deutlich in die Jahre gekommenen Auto seiner Tante zum Training der A-Jugend. Anfang 2007 kam der Tag, an dem Höwedes seinen laut Elgert „ersten kleinen Profivertrag“ auf Schalke unterschrieb. Ein Tag, an dem er mal wieder mit der „Rostlaube der Tante“ unterwegs war.
Höwedes und Elgert gingen über den Parkplatz des alten Parkstadions, auf dem die Schalker Profis ihre Autos geparkt hatten. Ganz andere Kaliber als der Wagen von Tante Höwedes. „Tolle Autos, oder?“ fragte Elgert seinen Abwehrchef. „Ja, Trainer, tolle Autos“, war seine Antwort. „Toll ja, aber nicht wichtig“, sagte Elgert.
Neun Jahre später ist Benedikt Höwedes Weltmeister. Wenn der Schalker Kapitän heute aufs Vereinsgelände fährt, dann in seinem Dienstwagen, einem VW Beetle. Die meisten Mitspieler bevorzugen da schon weitaus größere Autos.
„Benny hat sich schon vor zehn Jahren nicht nur über Fußball Gedanken gemacht“, sagt Elgert, der es klasse findet, dass sein ehemaliger Mannschaftskapitän seinen Vertrag auf Schalke bis 2020 verlängert hat: „Benny ist einfach Schalker durch und durch.“
Als Höwedes einmal gefragt wurde, mit welchem Fußballexperten er gerne über Taktik sprechen möchte, war seine Antwort übrigens: mit Norbert Elgert.
Elgert über Julian Draxler
Julian Draxler stand früh im Fokus von Felix Magath, der zu seiner Zeit als Manager und Trainer der Schalker Profis erkannt hat, dass einer aus der U19 noch mehr Talent als die vielen anderen Hochbegabten hat: Julian Draxler, der erst 17 Jahre alt war.
Schon vor sechs Jahren sei der Spielmacher nicht unbedingt der Typ Bodybuilder gewesen, den gefürchteten Trainingseinheiten von Magath musste er sich während des Wachstums trotzdem stellen. Elgert gibt zu, dass er Bedenken hatte, sagt aber auch: „Wer die Zirkel von Magath kennt, weiß jetzt, wie die Zirkel von Elgert sind.“ Die Sorgen, die er hatte, teilte übrigens auch Draxlers Vater Hans-Jürgen, den eine eigene Geschichte mit dem Jugendtrainer seines Sohnes verbindet.
Als Elgert von 1990 bis 1992 Trainer des SV Schermbeck war, wollte er Papa Draxler als Spielmacher verpflichten. Der zog bei einem Gladbecker Verein im Mittelfeld die Fäden. „Auch ein ganz feiner Fußballer“, sagt Elgert. Der Wechsel zerschlug sich allerdings. Stattdessen arbeitete der Fußballlehrer 20 Jahre später mit dem Sohn zusammen und hat großen Anteil an dessen Werdegang. Mit 17 Jahren und 117 Tagen ist Draxler noch immer der jüngste Spieler, der für Schalke in der Bundesliga spielte. „Jule gehört wie Manu und Mesut nach wie vor zur Schalke Familie“, sagt Elgert.
Elgert über Mesut Özil
Mesut Özil war bei Norbert Elgert schon als Spieler des Jungjahrgangs im Mittelfeld gesetzt. Gleich in Özils erstem A-Jugend-Jahr 2006 wurde Schalke Deutscher Meister. Elgert hatte den feinen Techniker zuvor schon beim Schul-Training der Gesamtschule Berger Feld betreut. „Es war auffällig, dass Mesut nicht nur den Ball eng am Fuß führte, sondern dabei auch den Kopf stets oben behielt“, sagt Elgert. Das Problem: Özil spielte damals noch in der Jugend von Rot-Weiss Essen.
Es habe einiger Gespräche bedurft, um Mesut Özil und seinen Vater davon zu überzeugen, dass Schalke genau die richtige nächste Station für ihn ist. Elgert beschreibt Özil als ruhigen, zurückhaltenden, aber durchaus immer schon selbstbewussten Spieler. Selbstbewusst wie im Sommertrainingslager 2005. Elgert erkundigte sich in einem Einzelgespräch nach den Zielen und Özil habe geantwortet: erst auf Schalke Profi werden, dann in Spanien bei Real Madrid oder Barcelona spielen und danach nach England zu Arsenal London wechseln. Ein Plan, der mit 27 Jahren voll aufgegangen ist.
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2013 bekamen Norbert Elgert und seine Frau eine Einladung zum spanischen Pokalfinale von Mesut Özil und seinem Vater, verbunden mit einem schönen Wochenende in Madrid. Als Geste, als Dankeschön.
Elgert über Manuel Neuer
Manuel Neuer habe schon damals enorme Feldspielerqualitäten gehabt, sagt Norbert Elgert über den dreimaligen Welttorhüter des Jahres, den der Fußballlehrer bereits als Zwölfjährigen im „Basis-Technik-Training“ betreut hat und dem er durchaus auch eine Karriere als Feldspieler zugetraut hätte. Ohnehin sei aufgrund seiner zunächst geringen Körpergröße erst relativ spät klar gewesen, dass Manuel Neuer Torwart wird.
„Manu war immer sehr ruhig und gelassen, fast stoisch“, sagt Elgert, der sicher ist, dass diese eine Eigenschaft eine enorme Qualität ist. „Manu könnten nicht mal 300 000 Zuschauer aus der Ruhe bringen. Es ist auch seine mentale Stärke, die ihn zum besten Torwart der Welt macht.“ Spaßeshalber habe Norbert Elgert seine Nummer eins während des Trainings manchmal gefragt, ob er ihm nicht verboten habe, Valium einzunehmen.
Als Neuer aus der B-Jugend in Elgerts Team kam, hatte er mit Tim Grothuysen einen Konkurrenten, der Jugend-Nationaltorwart war. Elgert sagte Neuer vor Saisonbeginn: „Bei deiner Begabung entscheidest allein du selbst, wann du spielst.“ Ein paar Monate habe es gedauert, bis Neuer im Tor der Schalker U19 stand. In der Saison 2004/05 gewann er mit der A-Jugend den DFB-Junioren-Vereinspokal.
Wenn Manuel Neuer den Ball abwarf, wurde es schon damals gefährlich. Sogar beim großen Hallenturnier in Göttingen. Der Torwart hatte sich auf der Fahrt die Turnierregeln genau durchgelesen und keine Passage gefunden, dass es verboten sei, ein Tor per Abwurf zu erzielen. Gelesen, getan: Aus 40 Metern schleuderte er den Ball aufs Tor, der gegnerische Torwart war chancenlos.