Gelsenkirchen. Die Art und Weise, wie Schalke das Spiel gegen Leverkusen zum 2:2 noch aus dem Feuer gerissen hatte, beeindruckte auch Bayer-Sportchef Rudi Völler: "Diese Fähigkeit hat nicht jede Mannschaft". Felix Magath habe Schalke "Kampfkraft und Leidenschaft eingeimpft".

Zu guter Letzt hatte Manuel Neuer dann noch einen Tipp vom Arzt parat: „Man muss schon aufpassen, dass man nicht herzkrank ist”, sagte Schalkes Torwart – und stand dabei noch ganz unter dem Eindruck des nächsten Spektakels, das sich gerade in der Arena abgespielt hatte: Wieder so eine Aufholjagd, wieder so ein Happy-End, wie man es auf Schalke erst eine Woche zuvor beim 3:3 gegen den Hamburger SV erlebt hatte. Wieder lag Schalke mit 0:2 zurück – und rettete noch ein Unentschieden beim 2:2 gegen Spitzenreiter Bayer Leverkusen. Auf Schalke, man glaubt es kaum, hat plötzlich der Erlebnisfußball Einzug gehalten.

Diesmal freilich hatte es selbst Felix Magath kaum für möglich gehalten, dass seine Mannschaft dieses Spiel noch aus dem Feuer reißen würde. Schalke lag nach Toren von Toni Kroos (29.) und Stefan Kießling (44.) mit 0:2 zurück und hatte gar nicht richtig ins Spiel gefunden. Magath sah phasenweise sogar fast einen Klassenunterschied und sagte: „Leverkusen war die beste Mannschaft, gegen die wir bisher gespielt haben.”


Schalke nutzte die Unordnung

Doch als eine Viertelstunde vor Schluss bei den bis dahin vorzüglich organisierten Gästen Abwehrchef Sami Hyypiä mit einer Knöchelverletzung vom Feld musste, nutzte Schalke die Unordnung aus und traf durch ein Stocher-Tor von Kevin Kuranyi (83.) und einen Kopfball von Vicente Sanchez (88.) zum Ausgleich. Bayer-Torwart Rene Adler, der das Kopfballtor des nur 1,70 Meter großen Sanchez auf seine Kappe nahm, sah in Hyypiäs Ausscheiden den Knackpunkt: „Wenn er drin geblieben wäre, hätten wir gewonnen. Da wette ich alles drauf.” Doch Sportchef Rudi Völler war dies zu billig: „Wir haben hier 2:2 verloren.” Gegen Schalke müsse man „immer damit rechnen, dass die zurückkommen.”

Die Torschützen: Vicente Sanchez (l.) und Kevin Kuranyi. (Foto: ap)
Die Torschützen: Vicente Sanchez (l.) und Kevin Kuranyi. (Foto: ap) © AP | AP





Dabei waren die Schalker in der Vergangenheit nicht gerade als Mannschaft bekannt, die Rückschläge so mir nichts, dir nichts wegsteckt und niemals aufgibt. Doch Rudi Völler glaubt, dass Felix Magath den Schalkern „Kampfkraft und Leidenschaft eingeimpft” hat. Und die körperliche Kraft, um 90 Minuten anzurennen und dem Gegner physisch überlegen zu sein, hat Magath den Spielern bei seinem harten Training mit Medizinbällen und Treppensteigen gegeben. Deswegen analysiert Völler: „Diese Fähigkeit, ein Spiel nochmal zu drehen, hat nicht jede Mannschaft. Das ist die große Stärke der Schalker, und deswegen stehen sie auch zu Recht soweit oben.”

Magath indes sieht Schalke noch längst nicht auf einer Höhe mit anderen Top-Teams: „Die letzten beiden Spiele gegen Hamburg und Leverkusen haben gezeigt, dass wir viel mit Kampf, Kraft und Moral machen. Das ist schwer, über eine ganze Saison durchzuhalten. Hamburg und Leverkusen haben uns vorgemacht, wie eine Spitzenmannschaft spielt.” Auch Kapitän Heiko Westermann warnt: „Man kann nicht davon ausgehen, dass wir jede Woche einen Zwei-Tore-Rückstand aufholen.”

Der Trainer glaubt jedoch nicht, dass seine Mannschaft schon am oberen Limit spielt; er sieht noch Steigerungspotenzial, wenn die verletzten Jermaine Jones und Christian Pander zurückkehren. „Im Moment spielen wir mit dem, was wir haben, und das ist einfach klasse”, lobt Magath seine junge Mannschaft, die nun vor dem nächsten Härtetest bei Bayern München steht.

Meisterlich ist bei Schalke jedoch jetzt schon die Moral. Und dies führt dann zu solchen Erlebnissen wie gegen Hamburg und Leverkusen. „Es ist nervenaufreibend, Trainer auf Schalke zu sein”, lächelte Magath: „Hier ist immer etwas los. Aber dafür bin ich ja auch hierher gekommen, um endlich mal was zu erleben.”

Da musste man zweimal hinhören: Felix Magath hat mit den Bayern zweimal das Double gewonnen und den VfL Wolfsburg im Sauseschritt zur Deutschen Meisterschaft geführt. Auf Schalke will er endlich auch mal was erleben.