Gelsenkirchen. Neuzugang Bastos trifft - doch Schalke blamiert sich. Die Königsblauen unterlagen am Samstag gegen Schlusslicht Greuther Fürth mit 1:2. Der entscheidende Treffer fiel erst in der Nachspielzeit. Schalke ist gedemütigt.

Eine Krise wurde beim FC Schalke 04 in den vergangenen Wochen – oder besser: Monaten – hartnäckig bestritten, man hielt dieses Wort für einen ungerechten Reflex der Medien. Doch wie nennt man das, wenn ein selbst ernannter Champions-League-Anwärter gegen zwei Abstiegskandidaten nur einen Punkt erzielt? Nach dem 0:0 beim FC Augsburg erlaubten sich die Schalker eine peinliche 1:2-Niederlage im Heimspiel gegen den Tabellenletzten Spielvereinigung Greuther Fürth. Eine erschreckende Entwicklung.

Der unterhaltsamste Moment der ersten Halbzeit war eine Durchsage nach 20 Minuten Spielzeit. Der Stadionsprecher bat einen Fahrer aus Hagen, er möge doch bitte mal zu seinem Auto kommen. Das Licht an seinem Wagen sei noch an. Außerdem liefe er noch, und offen sei er ebenfalls...

Da hatten die Zuschauer in der Arena natürlich ihren Spaß. Das Spiel dagegen verlangte ihnen  Geduld ab - Trainer Jens Keller hatte ja schon im Vorfeld angekündigt, dass dies wohl nötig sein würde gegen eine Fürther Mannschaft, die wie erwartet nicht daran interessiert war, ein eigenes Offensivspiel aufzuziehen.

Neuzugang Bastos ließ seine technischen Fähigkeiten aufblitzen

Vorne hatte Fürths Trainer, der ewige Schalker Mike Büskens, einen anderen ewigen Schalker aufgeboten: Gerald Asamoah spielte erstmals in der Arena nicht im königsblauen Trikot. Schalkes Fans nahmen ihm das nicht übel, sie feierten den Mann, der bei den Blau-Weißen jahrelang ein kämpferisches Vorbild war, schon vor dem Anpfiff mit Gesängen.

Auf Schalker Seite griff links Michel Bastos an. Der neue Brasilianer aus Lyon hatte Trainer Jens Keller bei den ersten Übungseinheiten auf Anhieb überzeugt. Anfangs fehlte Bastos zwar verständlicherweise manchmal noch die Bindung zum Spiel, aber seine technischen Fähigkeiten blitzten immer wieder auf. Weil der 29-Jährige in der Startelf stand, rückte Julian Draxler in die Mitte, um die Spielmacherrolle zu übernehmen, die durch Lewis Holtbys Wechsel nach Tottenham frei geworden war. Draxler wirkte auf seiner neuen Position äußerst agil, er versuchte das Spiel immer wieder an sich zu reißen.

Schalke konnte in erster Hälfte nur durch Standard gefährlich werden

Die Fürther dagegen waren ausschließlich damit beschäftigt, es zu zerstören. Gefahr ging nicht von ihnen aus. Umso überflüssiger war das Foul von Christian Fuchs an Felix Klaus, für das Schalkes Linksverteidiger schon der achten Minute die Gelbe Karte sah. Es war die fünfte für den Österreicher – er wird damit am nächsten Samstag bei den Münchener Bayern fehlen. Damit bleibt ihm auch ein weiteres Duell mit Thomas Müller erspart, mit dem Christian Fuchs schon wiederholt seine Probleme hatte. Möglicherweise muss sich dann ja mal Michel Bastos links hinten versuchen – bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika spielte er auf dieser Position für Brasilien.

Auf Schalke reagierten die Zuschauer am Samstag in der ersten Halbzeit schon dankbar mit Applaus, wenn ab und zu mal über Michel Bastos oder auf der anderen Seite über Jefferson Farfan ein flotter Angriff lief – selbst wenn die Flanke danach wieder nur bei einem Fürther ankam. Wenn es dagegen durch die Mitte ging, was Roman Neustädter und Julian Draxler wiederholt versuchten, wurde es zu eng. Viel zu eng.

Und so ergab sich die einzige wirklich gefährliche Situation in der ersten Hälfte durch eine Standardsituation. In der 29. Minute schlug Jefferson Farfan eine scharfe Ecke von rechts, Roman Neustädters guter Kopfball wurde allerdings vor der Linie von Milorad Pekovic abgewehrt.

Bastos schockte Fürth nach dem Seitenwechsel mit einem linken Hammer

Nach dem Wechsel aber änderte sich die Stimmung schlagartig. Denn Michel Bastos hatte seinen ersten ganz großen Auftritt in der Arena. Roman Neustädter spielte den Brasilianer auf links an, der zog nur ein paar Schritte nach innen und pfefferte dann den Ball wuchtig und platziert mit seinem starken linken Fuß hoch ins rechte Toreck. 1:0 – welch ein Einstand für den Neuen!

Für gefestigte Mannschaften ist so ein Treffer eine Befreigung. Für Schalke 04 aber bedeutet in dieser Saison nahezu jeder gegnerische Angriff, und komme er auch noch so selten vor, eine ernste Bedrohung. Die 52. Minute, Fürth entschloss sich, das destruktive Spiel aufzugeben und selbst mal etwas zu versuchen. Und hatte prompt Erfolg: Rechtsverteidiger Atsuto Uchida machte seine Seite nicht zu, Benedikt Höwedes konnte die scharfe Hereingabe von Nikola Djurdjic nicht mehr verhindern, und Felix Klaus brachte den Ball zum 1:1 im Netz unter. Höwedes war stocksauer, der Kapitän brüllte Joel Matip und Christian Fuchs an, die in der Mitte nicht gerade durch aktive Teilnahme am Geschehen aufgefallen waren.

Also wieder Anrennen, wieder Geduld beweisen, wieder nur auf engstem Raum in einer Hälfte spielen. Wiederholt packten die Schalker dabei die Brechstange aus. Nach wie vor fehlt der Mannschaft der Esprit, nach wie vor lässt sie sich leicht verunsichern.

Schalke vergab in der zweiten Hälfte gute Torchancen

Jens Keller versuchte deshalb, ihr von außen einen Impuls zu geben. Doch damit waren die Zuschauer gar nicht einverstanden. Als der Trainer in der 66. Minuten Raffael als neuen Spielmacher einwechselte und dafür Julian Draxler vom Feld nahm, gab es ein lautes Pfeifkonzert.

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Fürth verteidigte geschickt, Schalke blieb weitgehend einfallslos. Und hatte dann auch noch Pech bei seinen wenigen Chancen: In der 70. Minute brachte Jermaine Jones nicht genügend Druck hinter den Kopfball nach feiner Flanke von Jefferson Farfan, sechs Minuten später rauschte einen strammer Schuss von Raffael knapp am Tor vorbei, und in der 87. Minute krachte ein weiterer Schuss des Brasilianers an den Pfosten.

Ganz Schalke nach spätem Rückschlag unter Schock

Stehende Ovationen von den Schalker Rängen gab es nur, als in der 84. Minute Gerald Asamoah ausgewechselt wurde. Und die Fürther erkannten, wie verkrampft die Schalker waren, die Gäste fühlten sich plötzlich ermutigt. Und es passierte das Schlimmste, was Schalke an diesem Tag noch passieren konnte. In der Nachspielzeit gelang den Franken der Siegtreffer. Ilir Azemi zwang Timo Hildebrand zu einem Reflex, doch von den Fäusten des Schalker Torwarts sprang der Ball genau auf den Kopf von Nikola Djurdjic – und von dort ins Tor.

Geschockt schlichen die Schalker Spieler vom Feld. Begleitet von Pfiffen der eigenen Anhänger. Man muss die Leute verstehen...