Iserlohn.. „Wir können hier bald einen Kindergarten aufmachen“, sagte Karsten Mende, Manager der Iserlohn Roosters, spontan. Innerhalb von gut sieben Wochen wurde das Trio Michael Wolf, Christian Hommel und Tyson Mulock Vater. Aber nicht nur sie tragen zum Baby-Boom bei.


Das kleine blaue Trikot ist kleiner als klein. Noch nicht einmal so lang und breit wie ein Küchentuch. Aber erst jetzt, sechs Wochen nach seiner Geburt, passt es seinem Besitzer. Krew heißt das winzige Bündel Mensch, das in diesem Miniatur-Trikot der Iserlohn Roosters steckt und mit großen Augen die Welt um sich herum begutachtet. Der Kleine machte den glücklichsten Dreier des Eishockey-Klubs in dieser Saison perfekt: Innerhalb von gut sieben Wochen im Herbst wurde das Stürmer-Trio Michael Wolf (32 Jahre), Christian Hommel (32) und Tyson Mulock (30) Vater. „Wir können hier bald einen eigenen Kindergarten aufmachen“, sagt Manager Karsten Mende, weil auch Torwart Erik Ersberg und Abwehrmann Colten Teubert Kinder im Säuglingsalter haben. Baby-Boom bei den Roosters.

Das blaue Trikot ist eine Sonderanfertigung, so klein gibt es das für gewöhnlich nicht zu kaufen. „Das war ein Geschenk des Krankenhauses zur Geburt“, sagt Tyson Mulock, Vater des kleinen Krew. Er erinnert sich daran, wie nett alle im Krankenhaus zu ihm und seiner Frau waren. Und daran, dass der Arzt großer Roosters-Fan war. Die Rückennummer 13 ist auf das winzige Stückchen Textil gedruckt. „Ich dachte erst: Hey, das ist die Nummer von Michael Wolf“, erinnert sich Mulock lachend. Dann versteht er, dass die Zahl das Geburtsjahr symbolisiert. Und hört auf, sich zu wundern.

Zuhause ist Frau Wolf der Kapitän

„Die Veränderung ist natürlich riesengroß, besonders, wenn es das erste Kind ist“, sagt Michael Wolf. Seit September bereichert die kleine Lara sein Leben, raubt ihm dann und wann den Schlaf, aber meistens seiner Frau. Auf dem Eis ist Wolf der Kapitän, wenn es um die Kleine geht, ist es derzeit die bessere Hälfte. Sie schläft vor Spieltagen im Kinderzimmer, damit der Nationalspieler am nächsten Tag ausgeruht seiner Arbeit nachgehen kann. „Dafür“, sagt Wolf, „bin ich sehr dankbar.“ Lara schläft relativ zuverlässig. Ähnlich wie Leni Lynn, die Tochter von Christian Hommel. Nur Krew tanzt etwas aus Reihe. „Seitdem ich ein Kind habe, wundere ich mich über die Formulierung: ,Ich habe geschlafen wie ein Baby.’ Was soll das heißen? Dass man eine oder zwei Stunden geschlafen hat? Ich verstehe das nicht“, sagt der Kanadier mit - zum Teil - gespielter Entrüstung.

In der nächtlichen Not ist meist Mama der Matchwinner, für die Puck-Papas bleibt die Drecksarbeit. „Meine Frau schläft im Schnitt nur so vier bis fünf Stunden pro Nacht. Das ist schon ein anspruchsvoller Job“, sagt Tyson Mulock, „ich helfe ihr, in dem ich die Wohnung mache, Wäsche reinige oder Krew mal ein paar Stunden übernehme.“ Vor und nach dem Training bleibt für gewöhnlich genug Zeit für derlei Unterstützung.

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Doch gerade jetzt, wenn die besinnlichen letzten Tage des Jahres und das erste Weihnachtsfest mit dem Nachwuchs anstehen, ist die Väter-Riege der Roosters stark beansprucht. Vor, an und direkt nach Weihnachten wird gespielt, drei Partien in sechs Tagen, weit mehr als 1000 Reisekilometer kommen bei den Auswärtsspielen in Schwenningen am vergangenen Sonntag, in Hamburg am zweiten Weihnachtsfeiertag und zwei Tage später in Mannheim zusammen.

Einen Tag vor Silvester sieht der unerbittliche Spielplan der Deutschen Eishockey Liga ein Heimspiel gegen Straubing vor. Es ist die letzte Chance in diesem Jahr, den Tiefen der Tabelle zu entkommen. „Im Eishockey ist es leider so, dass jetzt fast alle zwei Tage gespielt wird. Gerade wenn man dann längere Auswärtsfahrten hat, ist das ein bisschen schade“, bedauert Michael Wolf, nicht mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können. „Aber wir haben uns an diesen Rhythmus gewöhnt“, fügt der Hemeraner Christian Hommel hinzu: „Wir kriegen es auch so hin, ein bisschen Weihnachten zu feiern.“

Vier Schwestern und einen Bruder

Tyson Mulock teilt diesen Optimismus, wenngleich er viele tausend Kilometer von der kanadischen Heimat entfernt feiern wird. „Es ist hart, an Weihnachten nicht bei der Familie sein zu können. Aber wir feiern hier Krews erstes Weihnachten und werden unsere eigenen Traditionen entwickeln“, sagt der Familienmensch. Mulock hat vier Schwestern und einen Bruder, er ist den normalen familiären Wahnsinn gewohnt. Deshalb schätzt er es, in Iserlohn zu sein, an dem Eishockey-Standort in Deutschland, an dem es ohnehin so familiär zugeht, wie an kaum einem anderen.

Gerade jetzt, da die jungen Väter ihr Glück und ihre Sorgen mit Mannschaftskameraden teilen können, die sich in der gleichen Situation befinden. „Ich habe in vielen Teams gespielt. Meistens gab es keine Ehefrauen, keine Familien“, sagt Tyson Mulock, „hier ist das anders. Hier ist einer für den anderen da und man kann sich gerade jetzt austauschen, was man mit den Kindern tun kann. Und noch viel wichtiger: Was man nicht mit ihnen tun sollte.“ Er lacht. Er mag dieses Iserlohn mit der auffällig stark ausgeprägten Nachwuchsabteilung: „Je mehr Kinder, desto besser.“

Sertich in froher Erwartung

Ein Satz, den sich offenbar zumindest Roosters-Stürmer Marty Sertich zu Herzen genommen hat. Auch er wird Vater. Aber erst nach dieser Baby-Boom-Saison. Ein kleines blaues Trikot dürfte im Krankenhaus schon bereit liegen.