Essen. Ab Mittwoch stehen sich im ersten deutschen Finale um den Stanley Cup Christian Ehrhoff und Dennis Seidenberg gegenüber. Uwe Krupp wird einen Nachfolger bekommen. Der Bundestrainer hatte die begehrte Trophäe 1996 mit Colorado gewonnen.
Für Christian Ehrhoff geht ein Kindheitstraum in Erfüllung. Als er 13 war, hockte er daheim vor dem Fernseher und sah Uwe Krupp zu, wie er als erster Deutscher den Stanley Cup gewann. 15 Jahre später hat der Eishockey-Nationalspieler die einmalige Gelegenheit, Krupps Nachfolger zu werden. "Ich habe damals gedacht: Da will ich auch hin", erinnert sich der 28-Jährige, der ab Mittwoch mit den Vancouver Canucks im ersten deutschen NHL-Finale auf Dennis Seidenberg und die Boston Bruins trifft.
Sein Gegenüber hatte 1996 ganz andere Vorstellungen von seiner sportlichen Zukunft. "Damals habe ich noch Tennis gespielt und nicht gedacht, dass ich mal in der NHL spielen würde", sagt der 29-Jährige, der sich erst spät für eine Eishockey-Karriere entschied: "Höchstens die DEL schien mir damals eine Möglichkeit für mich."
Auf sehr unterschiedlichen Wegen haben es die beiden Nationalspieler, die zuletzt bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver gemeinsam im deutschen Team standen, ins Finale um die älteste Mannschaftstrophäe der Welt geschafft. Seidenberg, in Schwenningen geboren, wagte 2002 den Sprung über den großen Teich, kämpfte sich drei Jahre lang durch die Niederungen der AHL, wurde von Philadelphia über Phoenix nach Carolina transferiert. Ehrhoff, der 2003 als deutscher Meister mit den Krefeld Pinguinen in die USA ging, etablierte sich in San Jose als einer der Top-Offensivverteidiger der Liga.
Spätestens seit seinem Wechsel nach Vancouver vor zwei Jahren gilt er als einer der gefährlichsten Schützen von der blauen Linie. "Christian macht einen richtig guten Job in der Offensive. Es ist unglaublich, seit drei Jahren kommt er immer auf 40 bis 50 Punkte", lobt Seidenberg seinen Nationalmannschaftskollegen.
Der ehemalige Mannheimer hatte 2009 größere Probleme, überhaupt wieder einen neuen Job in der NHL zu bekommen. "Ich habe nur auf den richtigen Vertrag gewartet, das hat eine Weile gedauert, bis ich mit Florida einig wurde", berichtet Seidenberg, der im März 2010 nach Boston transferiert wurde. "Gott sei dank", sagt er heute. Bei den Bruins, dem ältesten US-Klub in der NHL, fühle er sich "richtig wohl, ich habe viel Eiszeit und bin in diesem Jahr auch sehr erfolgreich." Im Halbfinale gegen Tampa Bay Lightning verteidigte er an der Seite von Kapitän Zdeno Chara in der ersten Abwehrreihe. "Dennis hat sich in Boston zu einem der besten Spieler entwickelt. In den Play-offs hat er richtig überzeugt", sagt Ehrhoff.
Auch wenn sich die beiden Finalisten seit den gemeinsamen Tagen in der U18-Nationalmannschaft kennen - in der langen NHL-Saison mit bislang 95 (Ehrhoff) bzw. 99 Spielen (Seidenberg) gibt es nur selten Kontakt. Am 26. Februar trafen beide zum einzigen Mal in der Hauptrunde aufeinander, Seidenberg gewann in Vancouver 3:1, "da haben wir uns kurz unterhalten".
Als Ehrhoffs zweite Tochter Milla vor fünf Wochen auf die Welt kam, "haben wir getextet", berichtet der Canucks-Verteidiger. Beim Finale wird es das eine oder andere "Hallo" geben, ein längeres Gespräch aber erst, wenn der zweite deutsche Stanley-Cup-Sieger feststeht. Die Chance, dass Ehrhoff seinem Kindheitsidol Krupp nacheifert, ist etwas größer. "Christian ist mit Vancouver Favorit", sagt Seidenberg: "Die Canucks haben in der Hauptrunde die meisten Punkte geholt. Sie haben ein unglaublich starkes Powerplay mit den Sedin-Zwillingen und Christian an der blauen Linie."
Ehrhoff, der in den letzten beiden Halbfinalspielen gegen seinen Ex-Klub San Jose wegen einer Schulterverletzung fehlte, ist rechtzeitig zum Finale wieder fit. Er sieht sich selbst in der Favoritenrolle: "Dieser Rolle sind wir von Anfang an gerecht geworden. Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht, jetzt wollen wir die Gelegenheit auch nutzen."
Die Bruins, die in der Vorrunde 14 Punkte weniger holten als Vancouver, haben, so Seidenberg, "eine sehr schlaue, erfahrene Mannschaft". Wer auch immer am Ende gewinnt, eines steht für Ehrhoff schon jetzt fest: "Auf jeden Fall ist es schön für das deutsche Eishockey, dass es nach Uwe endlich einen zweiten deutschen Sieger gibt." (sid)