Essen. Unter Bundestrainer Marco Sturm feiert das deutsche Eishockey seit zwei Jahren einen Aufschwung. Am Freitag startet das Nationalteam in die WM.
Die ersten Spiele der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft sind längst ausverkauft. Am Freitag startet das Team in die Heim-Weltmeisterschaft in Köln mit der Partie gegen die USA (20.15 Uhr/Sport1). Im Juli 2015 übernahm Marco Sturm (38) das Amt des Bundestrainers mit der Aufgabe, das deutsche Eishockey wieder international salonfähig zu machen. Ein Gespräch über die Schwierigkeiten, die nun bevorstehen, und eine deutsche Eishockey-Krankheit.
Herr Sturm, vor der Olympia-Qualifikation im September 2016 herrschte große Anspannung. Wie sieht es jetzt aus, spüren Sie mehr Gelassenheit, weil Ihr erstes Jahr mit großen Turnieren sehr gut gelaufen ist?
Marco Sturm: Der Fokus ist ziemlich gleich. Aber die Anspannung wird eher mehr, weil es eben die Heim-WM ist. In der Vorbereitung war der Kampf um die Plätze viel größer. Das Turnier wird nicht einfach, wir haben eine harte Gruppe. Das heißt, wir müssen unsere Leistung abrufen und noch einen drauflegen. Sonst wird es nicht schön.
Bei der WM 2016 gelang es Ihnen, das Team nach fünf Jahren wieder in ein Viertelfinale zu führen, dazu sicherten Sie die Teilnahme an den Olympischen Spielen: Sie haben in kurzer Zeit viel erreicht. War das genau das, was Sie erwartet haben?
Sturm: Schwierige Frage. Es war für uns alle ein frischer Start, für das Trainerteam, für die Spieler. Das war vielleicht auch nötig. Die Erfolge kamen relativ schnell, was auch gut ist. Doch natürlich ist es leicht, von unten nach oben zu kommen. Sich oben durchzusetzen und zu bleiben, das ist die schwierige Phase.
Also scheint die Herausforderung bei der Heim-WM höher zu sein. Alle erwarten ein starkes DEB-Team, das an die Erfolge anknüpft.
Sturm: Der Druck ist immer größer bei einer Heim-WM. Das ist ganz normal. Unsere Herausforderung wird es, das ein bisschen zu kontrollieren. Man muss es so hinbekommen, dass jeder einen klaren Kopf behält. Wir müssen mental bereit sein. Sicher, wir haben die Fans im Hintergrund, das ist gut und wird uns nach vorn bringen. Dadurch wird es aber nicht einfacher.
Sie haben für einen Aufschwung gesorgt, doch viel mehr als jetzt scheint kaum erreichbar. Für ein Halbfinale muss sehr viel zusammenkommen. Verschiebt sich durch die Voraussetzungen Ihre Perspektive nun mehr darauf, das Erreichte zu konservieren?
Sturm: Ich bin einer, der seine eigenen Ziele hat. Die muss man auch haben. In der Weltrangliste sind wir im Vorjahr von Platz 13 auf zehn geklettert. Jetzt möchte ich wieder unter die Top Acht kommen. Unser Ziel muss sein, dass wir in Zukunft nicht mehr in die Olympia-Qualifikation müssen. Aber das ist ein langer Weg. Die kleinen Nationen sind gleich gut wie wir oder teilweise besser.
Aber die Mannschaft hat Fortschritte gemacht. Was gefällt Ihnen in der Entwicklung am besten?
Sturm: Für uns ist das A und O, dass wir defensiv gut spielen. Aber mutig zu sein und nach vorn zu spielen, gehört auch dazu. Besonders bei der WM vergangenes Jahr in Russland haben wir gezeigt, dass wir uns nicht verstecken, auch gegen Kanada oder die USA nicht.
Was lässt sie noch unzufrieden zurück?
Sturm: In der eigenen Zone passieren viele Fehler, weil die Umstellung von den Klubs zum Nationalteam etwas dauert. Außerdem krankte das deutsche Spiel nicht nur am Toreschießen, sondern am Verhalten vor dem Tor, am Hunger. Die US-Amerikaner und Kanadier gehen direkt auf das Tor zu, weil da die Wahrscheinlichkeit am größten ist, ein Tor zu erzielen. Dessen sind sich einige Spieler in Deutschland nicht bewusst.
Wovon ist der Erfolg bei der Heim-WM vor allem abhängig?
Sturm: Disziplin, Wille und Leidenschaft. Wenn das jeder mitbringt, sehe ich einen Erfolg.