Mönchengladbach. Gerardo Seoane setzte Rocco Reitz in bisher allen Liga-Spielen ein. Gladbachs Trainer lobt seine Entwicklung, nun ist er gegen den BVB gefordert.
Es herrscht recht großer Medienandrang am Trainingsplatz von Borussia Mönchengladbach an diesem Donnerstag. Volontärinnen und Volontäre des Sport-Informationsdienstes lernen den Umgang mit der Videokamera und haben ihre Objektive allesamt auf einen schmalen Eingang gerichtet, durch den pünktlich um 11 Uhr die Profis auf das Gelände laufen. Unter ihnen ist auch Rocco Reitz, der seine schwarze Wollmütze tief ins Gesicht gezogen trägt. Fünf Grad, eisiger Wind, nun auch noch einsetzender Regen – der Dezember zeigt sich hier am Niederrhein von der besonders ungemütlichen Seite.
Auf dem Platz aber ist die Stimmung gut. Reitz feixt mit seinen Teamkollegen, freut sich über seine Treffer beim Torschusstraining, nach der lockeren, knapp 90-minütigen Einheit schießt er mit Robin Hack noch einige Bälle gegen eine Mauer, wobei eine Kugel ihr Ziel weit verfehlt und nur um Haaresbreite an den Kameras und damit den Auszubildenden vorbeifliegt. Für Reitz und seine Mannschaft steht nun am Freitag noch ein nicht-öffentliches Training an vor dem Bundesliga-Topspiel gegen Borussia Dortmund (Samstag, 18.30 Uhr/Sky) – eine Partie, in der einiges von Reitz abhängen dürfte.
46 Bundesliga-Einsätze unter Seoane
Der 22-Jährige steht exemplarisch für den Borussia-Weg, von dem die Gladbacher Verantwortlichen gerne sprechen, wenn sie ihre Zukunftsvision erklären. Sie beinhaltet vor allem den Wunsch, wieder verstärkt Spieler aus der eigenen Jugend fest in den Profikader zu integrieren. Wie dies gelingen kann, zeigt Reitz. Seitdem Trainer Gerardo Seoane im Sommer 2023 das Team übernahm, ist der Mittelfeldspieler in allen 46 Bundesliga-Spielen zum Einsatz gekommen. Diese bemerkenswerte Quote kann kein anderer Spieler im aktuellen Gladbacher Aufgebot vorweisen. Reitz ist der Dauerbrenner der Fohlen.
„Er hat sich diese Einsätze über seine Qualität, über seine Spielweise erarbeitet“, sagte Seoane am Donnerstag. „Wir hatten von Anfang an das Gefühl, dass er ein Element mitbringt, das uns im zentralen Mittelfeld gefehlt hat: diese Bissigkeit, Aggressivität und Balleroberungsqualität. Auch seine Erfahrungen im Ausland haben geholfen, sich weiterzuentwickeln.“ Reitz, der in Duisburg geboren wurde und in Düsseldorf aufwuchs, spielt bereits seit seinem siebten Lebensjahr für Gladbach, war allerdings zwischenzeitlich zweimal an den belgischen Erstligisten VV St. Truiden ausgeliehen. Dort sammelte er Spielpraxis.
Traumdebüt in der U21, Training unter Nagelsmann
Mit Seoanes Einstieg bei Borussia begann Reitz‘ Aufstieg. U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo nominierte ihn für sein Aufgebot, bei seinem Debüt gegen Estland am 17. November 2023 erzielte Reitz prompt zwei Tore. Eine Woche zuvor hatte er beim Spiel gegen Wolfsburg (4:0) seinen ersten Bundesliga-Treffer markiert, eine Woche nach seinem fabelhaften U21-Einstand traf er dann auch beim Spiel in Dortmund (2:4). Reitz überzeugte mit seiner Zweikampfstärke, Technik und nicht zuletzt Fähigkeit, gegnerische Bälle rechtzeitig abzufangen.
Die Leistungen des Gladbacher Durchstarters wurden belohnt: Am letzten Tag der Winter-Transferperiode gab der Klub die Verlängerung seines Vertrages um zwei Jahre bis 2028 bekannt. Sportchef Roland Virkus beschrieb die Entwicklung als „sensationell und vorbildhaft. Dass er seine Zukunft so lange bei Borussia sieht, ist ein tolles Signal für den gesamten Klub“. Bundestrainer Julian Nagelsmann berief Reitz dann im Mai 2024 ins Trainingslager der A-Nationalmannschaft vor der Heim-Europameisterschaft. Beim 0:0 im Test gegen die Ukraine saß er auf der Bank.
Seoane beorderte Reitz zwar nicht immer in die Startelf, setzte ihn aber in jedem Spiel ein. „Egal in welcher Rolle, ob als Teil der Doppelsechs, als Achter oder Einwechselspieler, hat er immer einen Einfluss auf das Spiel“, erklärt Seoane. „Er zeigt eine gute individuelle Entwicklung, stellt das Team aber über alles. Er erfüllt viele Kriterien, um auch Spielzeit zu haben.“ Die wird er auch am Samstagabend im Borussen-Duell wieder bekommen. Die Kameras dürften auch dann wieder auf Rocco Reitz gerichtet sein.