Mönchengladbach. Im Frühjahr war Wolfgang Kleff an Corona erkrankt. Am Dienstag feiert er seinen 75. Geburtstag. Ein Gespräch mit Gladbachs Torwart-Legende.
Wer sich mit Wolfgang Kleff unterhält, kann einen Menschen kennenlernen, der sich gerne viel Zeit nimmt. Der frühere Torhüter, der mit Borussia Mönchengladbach in den 70er-Jahren fünfmal Deutscher Meister wurde und zwei Uefa-Pokal-Triumphe feierte, hat meistens viel zu erzählen. So ist es auch bei diesem Interview zu einem ganz speziellen Anlass: Wolfgang Kleff feiert heute seinen 75. Geburtstag. Er ist glücklich, dass er diesen nach einer schwereren Corona-Erkrankung im vergangenen Frühling erleben darf.
Wie geht es Ihnen?
Wolfgang Kleff: Es geht mir gut. Ich spüre von der Erkrankung keine großen Nachwirkungen. Aber teilweise bin ich müde, brauche mehr Schlaf. Das ist aber gar nicht so verkehrt. Es liegt auch an mir. Ich gehe spät ins Bett, schaue lange Fernsehen, bin dennoch früh wach. Es ist ansonsten aber alles okay.
Im vergangenen April lagen Sie nach einer Corona-Infektion im Krankenhaus. Wie haben Sie die Erkrankung in Erinnerung?
Kleff: Das Schlimme ist, dass ich von dem Beginn gar nichts mehr weiß. Ich war weg. Mein Sohn und meine Freundin haben mich vermisst, mich angerufen, aber ich habe nicht reagiert, was ich sonst immer mache. Sie haben mich in der Wohnung gefunden, mich zum Krankenhaus gebracht. Ich habe dann am ersten Tag meinen Sohn gefragt: ‚Was war denn los?‘ Und er hat zunächst geantwortet: ‚Papa, das willst du gar nicht wissen.‘ Ich lag anderthalb Tage in der Wohnung, ohne Trinken und Essen – so hat man es mir jedenfalls berichtet. Ich wurde im Krankenhaus aber nicht beatmet, mein Sauerstoff kam mit einem Schlauch durch die Nase. Ich wusste die ersten Tage nicht, wer und wo ich bin, dann hat es sich alles ein bisschen gebessert. Es war erschreckend, wenn ich zurückblicke. Ich bin aber sehr dankbar, dass man mir im Elisabeth-Krankenhaus in Rheydt geholfen hat. Alles, was mir an manchen Tagen vor der Krankheit wichtig erschien, ist eigentlich unwichtig. Wenn man an den Punkt kommt, wo es eigentlich nicht mehr viel weiter geht, dann ist man dankbar für Kleinigkeiten. Ich hatte ja schon mehrere schwere Sachen. Der liebe Gott wollte mich noch nicht gehen lassen. Das hatte ich schon ein paar Mal. Er hat gesagt: Bleib unten und ärgere die Leute noch ein bisschen. Und dann mache ich das auch. (lacht) Ich nehme dieses Geschenk an, das man mir noch gegeben hat.
Gerade vor diesem Hintergrund ist Ihr 75. Geburtstag doch ein ganz besonderer.
Kleff: Ich merke die 75 Jahre. Aber ich bin auch dem Fußball generell oder dem Sport dankbar, dass ich einigermaßen fit geblieben bin. Wir haben früher eine Menge trainieren müssen. Auf der anderen Seite sind aber auch Verschleiß-Erscheinungen vorhanden. Die Knochen tun mir ein bisschen weh, doch das habe ich weggeschoben. Meine Grundkonstitution als Sportler hat mir aber vermutlich bei der Erkrankung im Frühjahr geholfen.
Wie denken Sie über Menschen, die sich nicht impfen lassen?
Kleff: Ich kann die Impfverweigerer nicht verstehen. Sie haben doch auch Eltern, Kinder, ein Umfeld, das in Mitleidenschaft gezogen wird. Ich finde es ein wenig verantwortungslos, wenn man das nicht machen will. Man sollte in der Gesellschaft soziales Verhalten an den Tag legen. Die Impfverweigerer sollen unter sich bleiben, aber keine anderen da reinziehen und ins Boot holen. Das ist nicht sozial gedacht und auch nicht fair anderen gegenüber. Wir leben in einer egoistischen Welt. Aber in dieser Frage egoistisch zu sein, ist schon eine Frechheit.
Was halten Sie von ungeimpften Fußballprofis?
Kleff: Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass sie alle geimpft sind, weil sie ja ständig Kontakt haben, untereinander und auf dem Feld. Profis, die sich nicht haben impfen lassen, haben den Fußball diesbezüglich in Verruf gebracht. Das tut dem Fußball nicht gut. Das ist zwar ihre Entscheidung, aber dann sollen sie Einzelsport machen und keinen Mannschaftssport. Normalerweise dürften sie nicht auf den Platz. Ich finde das sehr gefährlich.
Sind Sie jetzt geimpft?
Auch für Bochum im Tor
Wolfgang Kleff wurde am 16. November 1946 in Schwerte geboren. Beim VfL Schwerte begann er mit dem Fußball. Insgesamt 13 Jahre war er Torwart von Borussia Mönchengladbach. Er spielte unter anderem auch für Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiß Oberhausen und den VfL Bochum. Kleff wurde 1972 Europameister und 1974 Weltmeister, blieb bei den Turnieren allerdings ohne Einsatz.
Kleff: Nein, ich brauche bislang nicht geimpft zu werden. Das habe ich beim Arzt überprüfen lassen. Ich gelte als genesen, habe noch so hohe Antikörper-Werte, dass ich erst in ein, zwei Monaten wieder darauf getestet werde. Ich bin derzeit geschützt durch meine Krankheit.
Zum 75. Geburtstag können Sie auch einmal zurückblicken: Worauf sind Sie in Ihrem Leben stolz?
Kleff: Auf meine Kinder bin ich stolz. Sie stehen über allem, auch über sportlichem Erfolg. Ich habe zwei tolle Kinder. Mein Sohn ist jetzt 42, meine Tochter 24. Wir haben guten Kontakt zueinander, den wir aufrechterhalten. Wir sehen uns ab und zu, treffen uns.
Was wollten Sie Ihren Kindern mit auf den Weg geben?
Kleff: Dass sie nicht alles machen, was ich mache. (lacht) Was im Vordergrund steht und was sie von mir und ihren beiden Müttern – es sind zwei verschiedene – mitbekommen haben, ist Ehrlichkeit und Menschlichkeit. Dass man gut miteinander umgeht und nicht unfair ist. Es geht um Respekt vor dem Leben und anderen. Ich denke, dass ich ihnen auch ein bisschen Humor vermittelt habe. Vielleicht nehmen sie sich ein Beispiel an meiner Lebensart, an meiner Gesinnung, wie ich bin, wie ich denke. Ich bin Natur, kann mich nicht verstellen, bin kein Schauspieler. Das habe ich ihnen mitgegeben. Der Kern muss immer ehrlich sein. Darauf kann man aufbauen.
Aufgrund Ihres Typs und wegen Ihrer großen sportlichen Erfolge gehören Sie zu den Gladbachern, die sicherlich nie in Vergessenheit geraten werden. Was bedeutet Ihnen dieser Status?
Kleff: Das ist für mich kein Status. Man kann mich ja auch ablehnen. Oder man sagt: Der ist töfte, der ist in Ordnung. Es bedeutet mir insofern etwas, dass ich den Leuten zeigen kann: Das bin ich, das ist Wolfgang Kleff – und manchmal halt auch der Otto. (lacht)
Sie spielen an auf Ihren Spitznamen, auf Ihre Ähnlichkeit mit Komiker Otto Waalkes.
Kleff: Ja, das ist ja auch nichts Schlimmes. Ich habe eine gewisse Schlagfertigkeit, die ich auch einsetze.
Gibt es vielleicht auch Dinge, die Sie in Ihrem Leben gerne anders gemacht hätten?
Kleff: Ja, die gibt es. Es hat auch mit der Altersstruktur zu tun. In jungen Jahren denkt man ganz anders als in späteren, man handelt also auch ganz anders. Kein Mensch kann alles richtig machen. Wenn man etwas falsch macht, muss man damit leben, es akzeptieren und nicht auf andere schieben, sondern immer bei sich anfangen. Ich würde rückblickend manches auf jeden Fall anders machen. Aber in meinen Gedanken oder an meinem Charakter würde ich nichts ändern wollen. Es können ja nicht alle so hübsch und so gut sein wie ich. (lacht) Was mir noch ganz wichtig ist: Man muss sich auch mal entschuldigen können. Das ist keine Bloßstellung. Manche haben Angst davor. Eine Entschuldigung ist für mich Stärke, keine Schwäche. Man muss sich Fehler zugestehen. Das habe ich auch beim Fußball immer gesagt: ‚Hey, ich mache Fehler. Und wenn ich sie mache, könnt ihr auch über sie schreiben. Das ist doch eine Tatsache.‘ Es darf da eben nur nichts reininterpretiert werden.
Wie werden Sie nun Ihren Geburtstag am Dienstag verbringen?
Kleff: Mit meinen Kindern und meiner Freundin. In den vergangenen Jahren sind wir an meinem Geburtstag immer zusammen Essen gegangen. Ich will auch zu meinem 75. nichts Großartiges machen.
Und was wünschen Sie sich für die nächsten Lebensjahre?
Kleff: Natürlich wünsche ich mir in der heutigen Zeit, dass Corona vorbeigeht. Aber ich wünsche mir auch, dass die Menschen sich untereinander vertragen, dass manche Leute ein bisschen mehr auf andere achten und sich selbst nicht immer so wichtig nehmen.