Rottach-Egern. Max Eberl, Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, macht sich Sorgen um den deutschen Nachwuchs in der Abwehr und sieht Fehler in der fußballerischen Ausbildung. Den eigenen Verein dagegen sieht er im Interview für die nahe Zukunft und den Kampf um die Europapokalplätze gut gerüstet.
Während die Spieler von Borussia Mönchengladbach im Trainingslager schwitzen, um die Grundlage für die kommende Saison zu legen, kommt Sportdirektor Max Eberl relativ entspannt daher - seine Arbeit, die Zusammenstellung des Kaders, ist längst abgeschlossen. Ein Interview über den Transfermarkt, den verschärften Konkurrenzkampf im Gladbacher Kader, Saisonziele - und den Mangel an guten deutschen Abwehrspielern.
Herr Eberl, Sie haben Borussia Mönchengladbach vor allem in der Offensive und im zentralen Mittelfeld verstärkt - sahen Sie in der Abwehr keinen Handlungsbedarf?
Max Eberl: Wir überlegen immer - gerade auf der Rechtsverteidigerposition. Vielleicht gewinnen wir den einen oder anderen Spieler, auf anderen Positionen zu spielen. Es gibt im Kader immer die Möglichkeit, zu verschieben. Wir haben mit Roel Brouwers, Martin Stranzl und Filip Daems drei routinierte Spieler, die uns sehr gut zur Gesicht stehen - alleine schon für das Mannschaftsgefüge. Mit Alvaro Dominguez, Oscar Wendt und Jantschke haben wir zudem Spieler im besten Fußballeralter.
Nur einer der sechs, die Sie aufgezählt haben, ist ein deutscher Spieler - hat Deutschland bald ein Abwehrspieler-Problem?
Eberl: Das ist subjektiv meine Einschätzung, die ich aber mit einigen anderen teile. Zum Beispiel mit Leitern von Nachwuchszentren in Deutschland.
Was ist das Problem?
Eberl: Es wird viel Wert auf fußballerische Elemente gelegt. Kreative, dribbelstarke Spieler, das was Deutschland nicht so häufig hatte. Das hat sich in den vergangenen Jahren ein bisschen, vielleicht sogar schon gefährlich gedreht.
Woran machen Sie das fest?
Eberl: Das Problem sieht man bei der Nationalmannschaft: Jerome Boateng und Mats Hummels sind zwei Innenverteidiger, dazu kommt der schwerverletzte Holger Badstuber, bei dem man nicht weiß, ob er noch mal zurückkommt. Und nach Per Mertesacker wird es dann schon eng. Genauso auf den Außenverteidigerpositionen: Bei Dortmund spielt rechts Lukasz Piszczek, links Marcel Schmelzer; bei Bayern Philipp Lahm und David Alaba - und das war's auf den Positionen. Das spricht Bände.
Was ist Ihrer Meinung die Lösung in diesem Zusammenhang?
Eberl: Wir müssen in Deutschland jetzt wieder mehr Wert auf körperlich robuste Spieler legen, die auch Fußball spielen können. Vielleicht haben wir einfach zuletzt in der Ausbildung zu viel auf Kreativität geachtet und das andere Elementare vergessen.
Sie haben mit Joel Mero einen 18-jährigen, finnischen Innenverteidiger geholt.
Eberl: Dass wir ihn aus Finnland geholt haben, zeigt genau das Problem, was ich gerade beschrieben habe.
Einen deutschen Defensivspieler wollen Sie aber abgeben. Julian Korb könnte den Verein verlassen.
Eberl: Wir arbeiten nicht intensiv daran, ihn abzugeben. Wir haben mit dem Spieler verlängert und sehr offen mit ihm und seinem Berater kommuniziert, dass wir ihn gerne verleihen würden, wenn ein gutes, sinnvolles Angebot kommt.
Hat er keine Chance, zu spielen?
Eberl: Er ist ein guter Backup für Tony Jantschke, aber braucht jetzt in seinem zweiten, dritten Profijahr einfach die Spielpraxis. Bislang gab es noch keinen Verein, der ihm die Einsatzzeit garantieren konnte. Nur um ihn abzugeben, werden wir ihn nicht irgendwo hinschicken. Allerdings wird sich in der 2. Fußball-Bundesliga das Transferkarussell noch drehen - die Wechselfrist endet erst in sechs Wochen.
Man sieht Sie in diesem Trainingslager kaum am Telefon und Sie wirken sehr entspannt.
Eberl: Wir haben es zwar in den letzten Jahren auch immer geschafft, einen Großteil des Kaders stehen zu haben, aber es gab immer hier und da noch kleine Stellschrauben zu drehen - Spieler die noch gehen wollten oder auch Spieler, zu denen wir gesagt haben, 'bitte geh' du doch'. Das ist dieses Jahr zu Gunsten aller frühzeitig geklärt gewesen. Das ist sehr wichtig, um eine komplette Vorbereitung vernünftig absolvieren zu können.
Eberl freut sich über den neuen Gladbacher Konkurrenzkampf
Im Kader stehen jetzt Max Kruse, Raffael und Christoph Kramer. Was erwarten Sie von den Neuen?
Eberl: Bei Raffael ist es bekannt, was wir bekommen. Er ist ein sehr kreativer, laufstarker Spieler, der mehr Assists als Tore hat und manchmal zu gönnerhaft ist. Er ist ein Mannschaftsspieler, der immer versucht, den besser Postierten zu finden. Er steht uns sehr gut zu Gesicht.
So wie Kruse.
Eberl: Max Kruse beobachten wir schon seit drei Jahren sehr intensiv. Vergangenes Jahr haben wir ihn noch nicht geholt, aber seine Entwicklung war auch so nicht abzusehen. Er ist ein guter, rotzfrecher Junge, der weiß, was er kann. Das hat er beim SC Freiburg gezeigt mit sehr intelligenten Laufwegen und guter Schnelligkeit. Er ist torgefährlich und macht uns ein Stück weit unberechenbarer.
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Christoph Kramer haben Sie aus der 2. Liga vom VfL Bochum geholt.
Eberl: Kramer kennen wir schon aus der Jugend bei Fortuna Düsseldorf. Er ist ein laufstarker Spieler mit guter Balleroberung. Er muss allerdings noch ruhiger am Ball werden. Er ist ein Mittelfeldspieler, den wir sehr gut gebrauchen können.
Und einer, der dort den Konkurrenzkampf anheizt.
Eberl: Es ist eine schöne Möglichkeit für unseren Trainer Lucien Favre, auf verschiedene Systeme reagieren zu können und dadurch variabler spielen zu lassen.
Aber es bedeutet auch unzufriedene Spieler.
Eberl: Das bedeutet natürlich Konkurrenzkampf und Härtefälle. Aber jeder Spieler hat die Chance zu spielen und ist deshalb in jedem Training gefordert. So haben wir uns das vorgestellt: Einen mit 23 Feldspielern kompakten Kader zu haben, der in sich qualitativ hoch ist.
Trotzdem: Es können nur elf Spieler auflaufen - auch im Trainingslager und Testspielen.
Eberl: Jeder will sich anbieten, um Eigenwerbung zu betreiben. So muss das auch sein. Murren im Profi-Fußball ist okay, aber jeder Spieler weiß, dass eine Unterschrift unter einem Vertrag nicht gleich eine Stammplatzgarantie bedeutet. Man muss professionell, ehrlich und gradlinig damit umgehen - die Verantwortlichen, aber auch die Spieler. Wir kommunizieren offen, welche Chancen ein Spieler bei uns hat.
Welche Chancen haben denn Luuk de Jong und Granit Xhaka, die in Ihrer zweite Saison bei Gladbach gehen.
Eberl: Granit hat nach einer schwierigen Zeit am Ende gezeigt, was er kann. Er kannte bislang nur die Sonnenseite des Fußballs beim FC Basel und musste auch mal die Schattenseiten kennenlernen.
Die Schattenseite, auf der Bank zu sitzen.
Eberl: Wir wollten nach zwei extremen Jahren - mit Platz 16 und dem vierten Rang - etwas Stabilität gewinnen. Dass die Attraktivität darunter gelitten hat, war logisch - die kommt erst mit dem Erfolg wieder. Aber darunter leiden dann so kreative Spieler wie Xhaka oder auch ein Stürmer wie Luuk de Jong.
Was erwarten Sie von den beiden?
Eberl: Für beide war die Bundesliga Neuland - aber jetzt sind wir ein Jahr weiter und haben unsere Abgänge von Dante, Marco Reus und Roman Neustädter in zwei Sommertransferperioden auffangen. Das ist uns jetzt sehr ordentlich gelungen, wie ich finde.
Und damit wollen Sie den etwas sperrigen Begriff "Nachhaltigkeit der Einstelligkeit" auch in der anstehenden Saison angehen?
Eberl: Die Nachhaltigkeit der Einstelligkeit ist nicht nach einer Saison at acta gelegt. Wir haben diese Einstelligkeit bewusst gewählt, vor dem Hintergrund, dass man dann bis zum Schluss um die internationalen Plätze mitspielt. Wir wollen die untere Tabellenhälfte weit hinter uns lassen.
Wer sind die Konkurrenten im Kampf um die internationalen Plätze?
Eberl: Es gibt in Deutschland vier Mannschaften, die seit Jahren konstant oben mitspielen, wir sind wieder auf dem Weg dorthin und wollen genau das.
Bayern, Dortmund, Schalke und Leverkusen - und dann?
Eberl: Vereine aus Großstädten wie Hamburg, Hannover und Stuttgart haben von sich aus immer das Ziel Europa; hinzu kommen Teams wie Wolfsburg und Hoffenheim, die viel Geld in die Hand nehmen können und damit haben wir dann schon zehn Teams zusammen. Und da habe ich Nürnberg mal außen vorgelassen, die auch immer konstanter werden.
Klingt nach einer großen Herausforderung für Gladbach.
Eberl: Die Bundesliga ist sehr ausgeglichen und wenn wir uns dort etablieren, wo wir in den vergangenen beiden Jahren standen, sind wir auf dem richtigen Weg.
Eberl: Uns ist bewusst, dass die Möglichkeit vorhanden ist, dass wir gegen Bayern verlieren können. Von dem ersten Spiel hängt aber nicht unsere ganze Saison ab. Wenn wir gegen Bayern gewinnen, sind wir noch nicht automatisch in Europa und wenn wir dort verlieren, haben wir noch keine schlechte Saison gespielt.
Sie haben in der bärenstarken Saison, die Gladbach auf Platz vier beendete, auch zum Auftakt in München gespielt. Und die Bayern geschlagen.
Eberl: Ein Sieg gegen Bayern setzt unheimlich Kräfte frei und kann viel auslösen. Wir hatten damals eine Dynamik im Verein gehabt, mit der wir jeden schlagen konnten.