Mönchengladbach. Zwölf Profi-Verträge laufen bei Gladbach 2023 aus. Im Sommer dürften Verkäufe anstehen. Der Klub will zur „Borussen-Philosophie“ zurückkehren.
Mino Raiola hatte den weiteren Karriereweg für seinen Klienten Marcus Thuram schon geebnet. Der womöglich mächtigste Spielerberater in der Fußballbranche wollte den Franzosen im Sommer 2021 bei Inter Mailand unterbringen. Der Stürmer von Borussia Mönchengladbach schien damals bereits auf dem Sprung zum italienischen Topklub zu sein, ehe eine langwierige Knieverletzung den Transferplan zerschoss.
Deshalb blieb der prominente Sohn des 1998er-Weltmeisters Lilian Thuram bei den Gladbachern, die in dieser Saison ihr Ziel, die Rückkehr ins europäische Geschäft, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verfehlen werden. Ob Marcus Thuram (24), der am Samstag (15.30 Uhr/Sky) im Spiel beim Bundesliga-Schlusslicht Greuther Fürth nach einer überstandenen Muskelblessur wieder zum Aufgebot zählen dürfte, auch in der kommenden Saison noch Borusse sein wird, ist mehr als fraglich.
Diese Personalie ist bei weitem nicht die einzige, mit der sich Sportdirektor Roland Virkus intensiv beschäftigen muss. Denn Thuram ist einer von zwölf Gladbach-Profis, deren Verträge 2023 auslaufen. Dazu zählen zum Beispiel auch die Angreifer Alassane Pléa (29) und Breel Embolo (25), Linksverteidiger Ramy Bensebaini (26) und Nationalspieler Jonas Hofmann (29), der nach einem Muskelfaserriss und einer Corona-Infektion in Fürth sein Comeback geben könnte.
Gladbachs Vizepräsident Bonhof: „Der Weg ist nicht einfach“
Gladbachs Mannschaft steht also in diesem Jahr vor einem Umbruch. Es gibt etliche Kandidaten, die im Sommer verkauft werden könnten, womit der Klub in dieser Transferperiode auch noch angemessene Ablösesummen erzielen könnte. Für den künftigen Kader wollen die Verantwortlichen einen Strategie-Wechsel vollziehen, der die verstärkte Einbindung eigener Talente ins Profi-Team vorsieht. Gladbach will damit auch auf einen Kurs zurückkehren, den Vizepräsident Rainer Bonhof „die Borussen-Philosophie“ nennt.
Diese sei in den vergangenen Jahren „ein bisschen verloren gegangen“, sagt Bonhof: „Dahin wollen wir wieder zurück, ohne unsere Ziele zu verlieren. Man kann ein paar Dinge verändern, die trotzdem von Erfolg begleitet sein können. Der Weg ist nicht einfach, aber das kriegen wir hin.“ Ein Signal, wie die Zukunft aussehen könnte, sendete Trainer Adi Hütter zuletzt beim Spiel gegen Mainz (1:1), als er Conor Noß (21) für Lars Stindl (33) einwechselte. Der Offensivspieler Noß trägt seit seinem achten Lebensjahr das Trikot der Borussia, unterzeichnete 2021 einen Profivertrag und kam nun zu seinem zweiten Bundesliga-Einsatz.
Diese Entwicklung hat Noß auch Virkus zu verdanken, der 2008 den Chefposten im Nachwuchsleistungszentrum übernommen hatte, als Max Eberl zum Sportdirektor aufgestiegen war. Virkus ist seit Februar erneut Eberls Nachfolger -- diesmal aber als Sportdirektor und Geschäftsführer. Auch er meint, dass Gladbach in den vergangenen zwei Jahren vom „Borussia-Weg“ ein wenig abgekommen sei: „Borussias Kader stand immer für ein Drei-Säulen-Modell aus Jugendspielern, externen Top-Talenten und gestandenen Spielern“, erklärt Virkus.
Borussias Sportdirektor Virkus: „Es wird lange Zeit dauern“
Zu den extern verpflichteten Talenten zählen die Außenverteidiger Joe Scally (19) und Luca Netz (18), aus den eigenen Reihen bildet Noß eher schon die Ausnahme. „Man kann nicht eine eigene Akademie haben und dann in den letzten zwei Jahren nur einen Spieler da rausholen“, klagt Bonhof: „Es liegt zum Teil auch an den Spielern selbst, die zwar von uns gefördert werden, aber auch bereit sein müssen, mal etwas zurückzugeben.“ Bedeutet: Auch die Talente müssten sich zu Gladbach bekennen. „Bis wir wieder komplett zurück sind auf unserem Weg, wird es lange Zeit dauern“, räumt Virkus ein: „Wir sind ambitioniert, aber auch realistisch.“
Für den Richtungswechsel wird er noch viele Gespräche führen müssen. Dazu gehören vermutlich auch Telefonate mit Mino Raiola.