Dortmund. Hinter dem BVB-Sportdirektor liegen keine einfachen Monate. Im Sommer hat er sein Profil geschärft. Und ist nun einer der Gewinner.
Bei seltenem und damit besonderem Besuch lässt sich Sebastian Kehl nicht bitten. Der Sportdirektor von Borussia Dortmund legte auf dem Weg in sein Büro, das sich in einem der oberen Etagen der Sport-Geschäftsstelle befindet, noch einen Zwischenstopp im Medienzentrum ein. Weil dort ausnahmweise jemand saß, der sonst auf der gegenüberliegenden Straßenseite seiner Arbeit nachgeht und erst recht nicht dafür bekannt ist, vor Mikrofonen große Reden abzuhalten: Lukasz Piszczek.
Der 39-Jährige, Assistent von Trainer Nuri Sahin, sollte ein wenig über sein gemeinsames Abschiedsspiel mit Jakub Blaszczykowski am 7. September im Dortmunder Stadion plaudern, als ihn der fünf Jahre ältere Kehl mit einer herzlichen Umarmung begrüßte und man ein paar Frotzeleien austauschte.
BVB: Hans-Joachim Watzke lobt Transferpolitik
Szenen wie diese oder Kehls lässige Vorfahrt in Dortmund-Brackel mit Sonnenbrille im silberfarbenen Cabriolet kurz zuvor schildern dieser Tage eine ausgesprochene Lockerheit beim BVB. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist der sportliche Start in diese Saison mit den beiden Pflichtspielsiegen im DFB-Pokal (4:1 gegen Phönix Lübeck) und in der Bundesliga (2:0 gegen Eintracht Frankfurt) geglückt, im Auswärtsspiel bei Werder Bremen am Samstag (15.30 Uhr/Sky) könnten die Dortmunder noch ein wenig mehr mit der August-Sonne um die Wette strahlen.
Zum anderen, weil Kehl relativ entspannt in diesen Freitag starten kann, der gemeinhein als einer der stressigsten im Leben eines Sportdirektors gilt. Am Abend schließt das Transferfenster. Die drängstensten Aufgaben aber hat der BVB schon länger erledigt. „Ich bin mit der Transferpolitik sehr zufrieden. Wir haben das sehr ausgewogen hinbekommen“, hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zuletzt auf der Bilanz-Pressekonferenz der KGaA gelobt. Watzke, 65, tätigte diese Aussagen noch bevor in Person von Salih Özcan (26/VfL Wolfsburg) und Youssoufa Moukoko (19/OGC Nizza) zwei Spieler zwar nicht permanent wie angestrebt, aber zumindest für ein Jahr von der Gehaltsliste verschwunden waren. Soumaila Coulibaly (20) wurde zum französischen Champions-League-Teilnehmer Stade Brest ausgeliehen.
BVB-Kader wirkt ausgewogen zusammengestellt
Schon offiziell waren damals die Verpflichtungen von Waldemar Anton (28), Serhou Guirassy (28), Pascal Groß (33), Yan Couto (22) und Maximilian Beier (21). Ziel war es, den Altersschnitt des Kader zu senken, aber ihm dennoch viel Erfahrung und Führungsstärke hinzuzufügen und sich dabei in der Spitze zu verstärken. Anschließend gelang es, zwei international umworbene junge Spieler für den BVB zu gewinnen. Insbesondere durch die Verpflichtung des spielstarken Groß hat man es geschafft, eine Problemstelle zu schließen, der Kader wirkt ausgewogen zusammengestellt. Nur hinten auf der linken Abwehrseite scheint der BVB etwas dünn besetzt, „wir haben da aber viele Variationen, mit denen wir das lösen können“, versicherte Trainer Nuri Sahin am Donnerstag.
Sebastian Kehl hat damit seine dritte Sommer-Transferperiode beinahe abgeschlossen und an Profil gewonnen, was ihm zu einem der Gewinner der vergangenen Monate macht, die nicht leicht für Kehl waren. Im Frühjahr noch erhielt Lars Ricken (47) den Job als Sport-Geschäftsführer, den Kehl gerne gehabt hätte. Horcht man in den Klub rein, wird lobend erwähnt, wie professionell Kehl mit diesem Rückschlag umgegangen sei, mehr noch: Er hat dadurch großen Antrieb für seine Aufgabe als Sportdirektor bekommen. Auch interne Streitigkeiten hat er überstanden. Das angespannte Verhältnis zu Sven Mislintat (51) fiel später Mislintat auf die Füße, nicht Kehl. Sein Vorgesetzer ging gestärkt aus den Rissen hervor, die während des Trainingslagers in Bad Ragaz öffentlich wurden.
BVB: Trainer Nuri Sahin spielt eine wichtige Rolle
Eine wichtige Rolle spielt Sahin (35). „Er war früher mein Kapitän, jetzt ist er mein Boss. Das ist der einzige Unterschied“, sagt der Trainer über Kehl. Mit dem Sportdirektor und auch Ricken pflege er ein „sehr gutes und auch offenes Verhältnis. Wir klopfen uns nicht nur auf die Schulter, sondern diskutieren auch viel.“ Er habe das Gefühl, „dass beide voll hinter mir stehen“. Klar ist: Unter Sahins Vorgänger Edin Terzic (41), der wiederum einen guten Draht zu Mislintat hatte und bei der Kader-Ausrichtung im vergangenen Sommer mit Kehl aneinandergerasselt war, hätte es Kehl schwieriger gehabt.
Sebastian Kehls Vertrag in Dortmund läuft noch bis Sommer 2025, beide Seiten sind grundsätzlich an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert, in den kommenden Monaten soll es nach Rickens Eingewöhnung Gespräche geben. Eine Entscheidung darüber fällt letztendlich Ricken, es wird nach dem Trainer-Wechsel seine nächste weichenstellende als BVB-Chef. Kehls Argumente liegen nun auf dem Tisch.