Essen. Die Bundesliga hat endlich wieder ein packendes Saisonfinale. Wir sprachen mit drei Ex-Profis und einem Ex-Trainer, die das einst erlebten.

Dass der Deutsche Meister am letzten Spieltag ermittelt wird, war zuletzt eine Seltenheit. In elf der vergangenen zwölf Saisons stand die Entscheidung schon vorzeitig fest. Das war in den 1990er- und 2000er-Jahren noch anders. Da blieb es häufig bis zum Schluss spannend. Vor dem Saisonfinale in der Fußball-Bundesliga, in dem Borussia Dortmund und Bayern München am Samstag (15.30 Uhr/Sky) im Fernduell um die Schale kämpfen, ist es Zeit für einen Rückblick. Vier Deutsche Meister erzählen, wie sie die Titelentscheidung am 34. Spieltag erlebt haben.

Großer Triumph im Westfalenstadion: 1995 schnappt sich der BVB am letzten Spieltag die Schale.
Großer Triumph im Westfalenstadion: 1995 schnappt sich der BVB am letzten Spieltag die Schale. © imago | imago

Marcel Witeczek (54) über Bayerns Meisterschaft in der Saison 1993/94

Die letzte Saisonwoche war verrückt. Wir mussten am Dienstag noch ein Wiederholungsspiel gegen den 1. FC Nürnberg bestreiten. Vorher gab es ja die Aufregung um Thomas Helmers Phantomtor, als sein Abschluss daneben ging und der Schiedsrichter trotzdem auf Treffer für uns entschied. Deshalb gab es die Neuansetzung. Nürnberg war an dem Abend chancenlos. Der 5:0-Sieg hat uns Auftrieb für den letzten Spieltag gegeben.

1994 wurde der FC Bayern mit Marcel Witeczek (l.) Deutscher Meister.
1994 wurde der FC Bayern mit Marcel Witeczek (l.) Deutscher Meister. © dpa | Unbekannt

Kaiserslautern lag einen Punkt hinter uns. Wir haben damals gegen Schalke 04 gespielt. Lautern musste beim Hamburger SV ran. Für die Zwischenstände im Volksparkstadion haben wir uns aber nicht interessiert. Wir hatten Franz Beckenbauer als Trainer auf der Bank. Da konnte doch nichts passieren. Auch nach dem 0:0 zur Pause blieb er ruhig. Er hat uns seinen Satz „Geht’s raus und spielt’s Fußball“ mit auf den Weg gegeben – und dann fielen auch die Tore. Lothar Matthäus und Jorginho haben uns zum 2:0-Sieg geschossen.

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Abends hat Beckenbauer noch für das ZDF-Sportstudio auf die Torwand geschossen und den Ball vom Weißbierglas aus versenkt. Bei ihm klappte alles. Er hatte uns ja erst zur Rückrunde übernommen. Damals hat sich der Trainerwechsel während der Saison ausgezahlt. Ich denke, dass wird bei den Bayern diesmal nicht zum Titel führen.

Knut Reinhardt (55) über die Dortmunder Ekstase in der Saison
1994/95

Wir waren 1992 dem Titelgewinn bereits so nahe. Doch dann kam Guido Buchwald, traf kurz vor Schluss für den VfB Stuttgart und zerstörte unseren Meistertraum. Das war ein bitterer Moment.

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Drei Jahre später hatten wir wieder ein Saisonfinale am letzten Spieltag. Werder Bremen war Tabellenführer, musste aber bei den Bayern antreten. Wir spielten gegen den Hamburger SV. Und für uns lief es super. Freistoßtor von Andi Möller zum 1:0, Kopfballtreffer von Lars Ricken zum 2:0 – das Spiel war früh entschieden. Viele Zuschauer auf den Tribünen hingen mit einem Ohr am Radio. Sie hörten Erfreuliches aus München: Die Bayern führten zur Pause mit 2:1. Kurz vor Schluss fiel sogar noch das 3:1. Danach war allen klar: Die Deutsche Meisterschaft geht nach 32 Jahren Pause wieder nach Dortmund.

1995 ging die Meisterschale nach Dortmund.
1995 ging die Meisterschale nach Dortmund. © dpa | dpa

Nach dem Schlusspfiff hat sich die Freude im Westfalenstadion richtig entladen. Karl-Heinz Riedle und Stephané Chapuisat lagen sich am Spielfeldrand in den Armen. Unsere beiden Topstürmer hatten nach ihren Kreuzbandrissen in der entscheidenden Saisonphase gefehlt und konnten sich trotzdem freuen. Die Fans haben derweil den Platz gestürmt und den Spielern die Klamotten vom Leib gerissen. Ich stand nur noch in meiner Unterhose auf dem Platz.

Endlich gab es mal wieder eine Meisterfeier in Dortmund. Das hatte sich die fußballverrückte Stadt verdient. Und die nächste wird bald kommen. Am Wochenende holt sich der BVB wieder die Schale – davon bin ich überzeugt.

Michael Henke (66) über den Münchener Jubel im Saisonfinale 1999/2000

Für mich war die Sache eigentlich schon durch. Wie sollte Bayer Leverkusen mit Trainerfuchs Christoph Daum denn bitteschön in Unterhaching verlieren? Unser Manager Uli Hoeneß hatte unseren Nachbarn allerdings noch heiß gemacht. Unterhaching sollte als Siegprämie Bier und Würstchen bis zum Abwinken bekommen.

Die Meister-Macher beim FC Bayern im Jahr 2000: (v.l.n.r.) Ottmar Hitzfeld und Michael Henke.
Die Meister-Macher beim FC Bayern im Jahr 2000: (v.l.n.r.) Ottmar Hitzfeld und Michael Henke. © firo | Unbekannt

Wir mussten unsere eigenen Hausaufgaben machen und Werder Bremen besiegen. Im Olympiastadion lief alles nach Plan – schon nach 16 Minuten stand es 3:0 für uns. Dann bekam Uli Hoeneß die Info, dass Unterhaching in Führung gegangen war. Michael Ballack hatte ein Eigentor erzielt – ausgerechnet Leverkusens Bester.

BVB: Unterhaching als Warnung

Hätte Bayer noch ausgeglichen, wären wir nur Vizemeister geworden. Doch dazu kam es nicht. Markus Oberleitner machte sogar noch das 2:0 für Unterhaching. Und somit hatten wir die Meisterschaft sicher. Bei der Jubelfeier habe ich einem Journalisten gesagt, er könne ruhig schreiben, dass der Henke keine Ahnung vom Fußball hat, denn mit so einer Wendung hätte ich wirklich nicht gerechnet. Umso schöner war unsere Meisterparty, zu der wir die Unterhachinger eingeladen haben.

Die Konstellation von damals weist Parallelen zur Gegenwart auf. Ich würde sagen, dass Dortmund in dieser Saison zu 99 Prozent durch ist. Wenn ich mich aber an Unterhaching erinnere, weiß ich, dass für die Bayern immer noch was drin ist.

Jürgen Kohler (57) über den BVB-Titelgewinn in der Saison 2001/2002

Bayer Leverkusen schien eigentlich schon auf und davon zu sein. Drei Spieltage vor Schluss hatte die Mannschaft noch fünf Punkte Vorsprung. Doch dann kamen zwei Niederlagen – und auf einmal sind wir als Tabellenführer ins Saisonfinale gegangen.

Das Meistertor für den BVB in der Saison 2001/2002. Ewerthon drückt den Ball zum 2:1 gegen Werder Bremen über die Linie.
Das Meistertor für den BVB in der Saison 2001/2002. Ewerthon drückt den Ball zum 2:1 gegen Werder Bremen über die Linie. © firo | Unbekannt

Damals gab es sogar einen Dreikampf. Die Bayern hatten auch noch Titelchancen. Wir sind gegen Werder Bremen in Rückstand geraten. Ich saß zu dem Zeitpunkt noch auf der Bank, bin aber überhaupt nicht nervös geworden. Okay, Leverkusen führte zwar gegen die Hertha. Aber ich war mir sicher, dass wir das Spiel in unserem Westfalenstadion noch drehen.

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Und so kam es dann auch: Jan Koller glich aus, Ewerthon brachte uns in Führung. Da spielten die Ergebnisse in Leverkusen und München keine Rolle mehr. Matthias Sammer hat mich in der Schlussphase eingewechselt. Deshalb konnte ich den Abpfiff und damit den Titelgewinn mit auf dem Rasen erleben. Das war ein unglaublicher Moment, zumal es mein allerletztes Bundesliga-Spiel war.

BVB-Meisterfeier mit Verspätung

Die Party am Borsigplatz mussten wir erst einmal verschieben, wir standen ja noch im Uefa-Cup-Finale bei Feyenoord. In Rotterdam gab es zwar eine Niederlage, aber das hat die Stimmung nicht getrübt. Ganz Dortmund hat mit etwas Verspätung den Deutschen Meister gefeiert.