Dortmund. Ansgar Knauff zählt zu den BVB-Überraschungen. Im Interview mit dieser Redaktion spricht er über Heimweh, Rassismus - und Jürgen Klopp.
Ansgar Knauff (19) rattert in dieser Saison durch eine emotionale Achterbahnfahrt. Erst wetzte der Offensivspieler nur für die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund in der Regionalliga über den Rasen, dann katapultierte ihn Trainer Edin Terzic plötzlich zweimal in die Startelf im Champions-League-Viertelfinale gegen Manchester City (1:2, 1:2). Spätestens nach seinem entscheidenden Treffer beim 3:2-BVB-Sieg im April gegen den VfB Stuttgart entwickelte sich der gebürtige Göttinger zu einer BVB-Überraschung. Nun aber schaut er den etablierten Mitspielern wieder meistens von draußen aus zu.
Herr Knauff, wie fühlt sich der Alltag auf der Bank an?
Ansgar Knauff: Ich bin ein junger Spieler, und da ist es normal, dass ich nicht immer spiele. Es hat ein wenig gedauert, die letzten Wochen zu verarbeiten. Aber im Nachhinein blicke ich mit einem guten Gefühl zurück. Ich hatte tolle Erlebnisse, die ich nicht vergessen werde. Das nimmt mir keiner mehr.
Können Sie sich beim BVB dauerhaft durchsetzen?
Ich glaube an mich, ansonsten würde ich nicht bei Borussia Dortmund spielen. Die letzten Wochen machen Lust auf mehr.
Wer unterstützt Sie im Kader?
Viele. Es herrscht eine gute Stimmung im Kader. Die Mischung aus jungen Spielern und Erfahrenen passt. Ich nehme mir Spieler wie Marco Reus zum Vorbild. Als ich kleiner war, habe ich die alle im Fernsehen gesehen, jetzt stehe ich mit ihnen auf dem Platz. Da kann ich mir einiges abgucken. Dadurch werde ich automatisch besser, weil ich mich an das Niveau anpassen muss.
Wie hilft ihnen Trainer Edin Terzic?
Edin war ja schon zu Beginn der Saison Co-Trainer. Er hat mich deswegen bei meinem Weg zu den Profis begleitet. Er vertraut mir, er hat mich oft eingesetzt. Ich fühle mich sicher unter ihm. Er ist ein Super-Trainer.
Ist es ein Problem, dass er wieder in die zweite Reihe rückt?
Es ist normal, dass man als Spieler Trainerwechsel erlebt. Das ist kein Problem. Ich bin mittlerweile in der Mannschaft angekommen. Ich fühle mich wohl.
Helfen Ihnen die Spiele in der zweiten Mannschaft?
Ja, denn das ist noch mal etwas ganz anderes. In der Jugend messe ich mich mit Gleichaltrigen. In der zweiten Mannschaft habe ich manchmal gegen Spieler gespielt, die zehn Jahre älter waren. Das ist eine ganz andere Härte, die vielen Einsätze haben mir sehr weitergeholfen. Außerdem spielen wir eine außergewöhnliche Saison. Ich hoffe, wir steigen in die 3. Liga auf.
Es heißt, Ex-Trainer Jürgen Klopp hätte Sie entdeckt?
Na ja, nicht so ganz. Als ich 12 Jahre alt war, haben wir mit der SVG Göttingen beim Opel Family Cup mitgemacht. Ich wurde bester Spieler des Turniers und Jürgen Klopp hat mir die Auszeichnung überreicht. Doch ich war damals viel zu jung, um zum BVB zu wechseln. Ich konnte damals nicht absehen, dass ich mal zur Borussia gehe.
Warum sind Sie dann später doch in Dortmund gelandet?
Ich habe ab der U14 bei Hannover 96 gespielt und nach dem Jahr hat sich Dortmund bei meinem Berater gemeldet. Ich bin mit ihm und meiner Mutter hier hingefahren. Wir haben uns alles angeschaut. Den Verein, das Trainingsgelände, das Jugendhaus, die Schule. Uns hat das Konzept überzeugt. So bin ich zur U15 zum BVB gewechselt.
Wie ist es, so früh so eine Entscheidung zu treffen?
Das war nicht leicht, wir haben viel darüber nachgedacht. Es ist ein großer Schritt, von zu Hause wegzuziehen, die Schule zu wechseln. Aber ich wollte so viel wie möglich Fußball spielen und hier ist alles auf den Fußball ausgelegt. Die Schule arbeitet mit dem Klub zusammen. Man wohnt mit Jungs zusammen, die auch den gleichen Traum haben. Und wenn ich mal Heimweh hatte, haben mich die anderen Jungs aufgefangen.
Spüren Sie Druck?
Druck ist immer da. Damit musste ich lernen umzugehen, schon in jungen Jahren. Auch bei einem U15-Turnier stehen Leute am Rand, die einen beurteilen.
Sie standen in der Jugend im Schatten von Youssoufa Moukoko. Neidisch?
Nein, im Gegenteil. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, ich spiele seit der U15 mit ihm zusammen. Der mediale Hype um ihn war sicherlich sehr groß, weil er so viele Tore geschossen hat. Das ist nicht immer positiv. Alles, was er macht, wird beobachtet. Wenn er ein Spiel nicht getroffen hat, haben die Medien darüber berichtet. Deswegen war ich eher froh, dass in der Jugend nicht jeder Schritt von mir unter die Lupe genommen wurde.
Sie beide gehören zur neuen Generation schwarzer Fußballer. Haben Sie Rassismus erlebt?
Ich persönlich nicht direkt. Aber am Anfang der Saison in der U19 im Derby gegen Schalke wurde Youssoufa Moukoko übel beleidigt. Es gibt Rassismus immer noch. Ich habe zwar das Gefühl, dass es besser geworden ist. Aber Rassismus ist nicht weg, wir dürfen Rassismus nicht ignorieren.
Ihr BVB-Vertrag gilt bis zum Jahr 2023. Sehen Sie Ihre Zukunft in Dortmund?
Ich bin hier glücklich. Ich möchte in der nächsten Saison so viel wie möglich spielen. Und dann muss ich schauen, wie es läuft. Im Optimalfall bleibe ich lange im Verein.
Sie haben in der Bundesliga noch nicht vor Fans gespielt. Fehlen die Zuschauer Ihnen?
Ich kenne es ja leider noch nicht anders. Ich war nur als Besucher öfter im Dortmunder Stadion. Mit Fans erlebt man dort natürlich eine ganz andere Atmosphäre. Ich freue mich einfach darauf, wenn ich in einem vollen Stadion vor der Südtribüne auflaufen kann.
Ansgar Knauff wechselte 2016 in die Jugend von Borussia Dortmund. Der 19-Jährige durfte am 20. März 2021 beim 2:2 gegen den 1. FC Köln zum ersten Mal in der Bundesliga mitmischen.