Essen. Frank Mill stürmte für Gladbach und Dortmund. Vor dem Borussen-Duell am Samstag spricht er über die beiden Klubs, Erling Haaland und Marco Rose.

Frank Mill war 23 Jahre alt, als er bei seinem späteren Arbeitgeber erstmals nachhaltigen Eindruck hinterließ. Vor 40 Jahren, im September 1981, gewann er mit Mönchengladbach in Dortmund 3:2 und erzielte dabei zwei Tore. Es sei ein Spiel gewesen, an das er immer wieder zurückdenke, sagt der gebürtige Essener heute. Fünf Jahre nach dieser Partie wechselte der Torjäger zum BVB. Beim Borussen-Duell am Samstag (18.30 Uhr/Sky) in Gladbach wird der 63-Jährige wieder ganz genau hinschauen.

Herr Mill, für welche Borussia haben Sie die größeren Sympathien?

Frank Mill: Das ist schwer, es sind meine beiden Lieblingsvereine. Aber ich habe ein paar Sympathie-Punkte mehr für die Schwarz-Gelben. Ich habe fünf Jahre in Gladbach gespielt, acht in Dortmund, dort bin ich mehr verwurzelt. In den vergangenen Jahren hat der BVB das Borussen-Duell zwar meistens gewonnen, dennoch habe ich vorher immer Unentschieden getippt, weil ich dieser Sache einfach aus dem Weg gehen wollte. (lacht)

Das klingt recht diplomatisch. Ihr Abschied aus Gladbach 1986 verlief wenig harmonisch.

Wohnt noch in seiner Heimatstadt Essen: Frank Mill.
Wohnt noch in seiner Heimatstadt Essen: Frank Mill. © Ralf Rottmann / Funke Foto Services | Unbekannt

Mill: Das war sehr unschön. Alles hing auch mit diesem Europapokalspiel  bei Real Madrid zusammen, wo man nach einem 5:1-Sieg im Hinspiel noch mit einem 0:4 ausschied. Es gab den Vorwurf, ich hätte eine Riesenchance gehabt, den Ball aber nicht reingemacht. Damals waren noch Präsident Beyer, Manager Grashoff und Trainer Heynckes in Gladbach. Sie wollten mein Gehalt um die Hälfte kürzen. Das habe ich aber nicht eingesehen. Deshalb bin ich zum BVB gegangen. Nach der ersten Halbserie wollten die Gladbacher mich schon zurückholen, doch da war es zu spät. Ich machte im ersten Jahr bereits 17 Tore, fühlte mich wohl in Dortmund. Es war die richtige Entscheidung.

Sie kehrten im Oktober 1986 mit dem BVB zum DFB-Pokalspiel nach Gladbach zurück. Wie hat sich das angefühlt, plötzlich Gegner auf dem Bökelberg zu sein?

Mill: Das hat sich komisch angefühlt. Bei der einen Mannschaft war ich noch nicht so verwurzelt, mit der anderen hatte ich lange gespielt. Ich hatte auch eine schöne Zeit als Gladbach-Profi. Die Gladbacher Fans hatten aus den Zeitungen vernommen, dass mein Wechsel nicht unbedingt an mir gelegen hatte. Ich wurde in dem Spiel also nicht ausgepfiffen.

Der BVB ging in diesem Spiel auch mit 1:6 unter.

Mill: Das weiß ich nicht mehr. An Niederlagen erinnere ich mich nicht. (lacht)

Das jüngste Borussen-Duell verlor Gladbach im vergangenen März unter Marco Rose im DFB-Pokal gegen Dortmund 0:1. Nun wird er am Samstag als BVB-Trainer in den Borussia-Park zurückkehren. Was glauben Sie, erwartet ihn dort?

Mill: Ich denke, dass er ausgepfiffen wird. Für Rose wird es ein Spießrutenlauf. Wie das heute alles gemacht wird, muss man auch nicht gutheißen. Es wird viel hingehalten, einfach nichts gesagt. Das stößt vielen Leuten übel auf. Als sich Rose irgendwann nicht mehr zu Gladbach bekannt hat, war schon klar, dass er nach Dortmund geht.

Können Sie seine Entscheidung nachvollziehen?

Mill: Ja, das kann ich. In Dortmund kann man zu 90 Prozent davon ausgehen, in der Champions League zu spielen. Rose will auch mal etwas Großes gewinnen.

Was kann der BVB insgesamt bieten, was Gladbach nicht hat?

Mill: Das Publikum ist unterschiedlich. Die Gladbacher Fans sind zwar auch fanatisch, aber im Dortmunder Stadion kommt der Fußball viel mehr rüber. Rose wird sicherlich eine bessere Verdienstmöglichkeit gehabt haben. Und er hat auch eine sehr gute Mannschaft in diesem Jahr. Diese BVB-Mannschaft kann etwas reißen, das hat er gesehen. Ob es für ganz oben reichen wird, ist eine andere Frage. Wenn Dortmund es ablegt, gegen kleinere Mannschaften Punkte liegen zu lassen, kann es mal ganz eng werden.

Der BVB hat auch einen außergewöhnlichen Spieler im Sturm: Erling Haaland. Wo sehen Sie seine Zukunft?

Mill: Haaland wird nicht mehr lange in der Bundesliga spielen. Er ist eine Urgewalt. Er hat es im Fuß, kann mittlerweile auch köpfen. 25 bis 30 Saisontore wird er wieder machen. Erling Haaland ist eine Bank wie Robert Lewandowski.

Der FC Bayern ist neun Mal in Serie Meister geworden. Finden Sie die Bundesliga noch spannend?

Pokalsieger mit Dortmund

Frank Mill, geboren am 23. Juli 1958, spielte in der Jugend von Rot-Weiss Essen, wo er 1976 auch seine Profikarriere begann. 1981 wechselte er zu Borussia Mönchengladbach, 1986 zu Borussia Dortmund. Mit dem BVB wurde er 1989 Pokalsieger. Zum Ende seiner aktiven Laufbahn spielte der Stürmer von 1994 bis 1996 für Fortuna Düsseldorf.1990 wurde Mill Weltmeister, kam bei dem Turnier aber nicht zum Einsatz. Er absolvierte insgesamt 387 Bundesliga-Spiele, in denen er 123 Tore erzielte. 

Mill: Im Prinzip ist es langweilig. Die anderen Mannschaften sind insgesamt nicht so gut besetzt wie die Bayern. Sie haben die Routine und die Ruhe in entscheidenden Situationen. Und die Bayern lassen die Punkte nicht liegen. Das passiert ihnen nicht. Die Dortmunder bekommen immer noch zu viele Gegentore. Dem BVB fehlt ein sehr guter Abwehrspieler.

Dortmund liegt aktuell mit zwölf Punkten nur einen Zähler hinter dem FC Bayern. Gladbach hat nur vier Punkte. Wie beurteilen Sie die Saison der Fohlen bisher?

Mill: Es ist bisher eine enttäuschende Saison. Sie haben keine schlechte Mannschaft. Gladbach kann mit einem Sieg gegen Dortmund wieder alles in die richtige Bahn bringen.

Wo könnte Gladbachs Chance am Samstag liegen?

Mill: Die Gladbacher werden im eigenen Stadion auf ihr Konterspiel setzen. Wenn sie das gut spielen, haben sie auch eine Chance. Natürlich wäre es gut, gegen Dortmund in Führung zu gehen. Denn wenn sie in Rückstand geraten, dreht sich das Spiel wieder um. Eigentlich ist Gladbach am Samstag Außenseiter.

Wie wird das Spiel nun ausgehen?

Mill: 3:1 für Dortmund. Zum ersten Mal habe ich mich bei diesem Duell festgelegt. (lacht) Der BVB hat einen guten Lauf.