Bad Ragaz. In Dortmund sammeln sich viele Probleme. Idole hören auf, Stars verabschieden sich. Was bedeutet das für die Zukunft? Eine BVB-Analyse.

Das Wasser plätschert im Springbrunnen, die Sonnenstrahlen reflektieren in den Fenstern des Dortmunder Mannschaftshotels. Im Hintergrund kitzeln die Schweizer Berge vereinzelte Wolken. Hier bereitet sich Borussia Dortmund auf die kommende Saison vor – und man könnte bei dieser Szenerie meinen, dass der Klub gerade ohne Nebengeräusche in die Zukunft gleitet.

Doch eigentlich zerren am BVB verschiedenste Schwierigkeiten. Idole verabschieden sich. Weiterhin begreifen junge Talente das Ruhrgebiet nur als Durchgangsstation. Die Corona-Krise belastet die Finanzen. Ein Teil der Fans kritisiert die Kommerzialisierung. Hinzukommt im kommenden Sommer eine maßgebliche Veränderung: Sebastian Kehl übernimmt das Sportdirektor-Amt von Michael Zorc.

Und so begleitet die Verantwortlichen die Frage, wo sie den Verein hinsteuern möchten bei all den Problemen, die sich auftürmen.

Die Erwartungshaltung

Schwarz-gelbe Spielzeiten lassen sich mit dem Kopf oder mit dem Herz beurteilen. Der Kopf sagt, dass der zweite oder dritte Platz in der Liga als gelungen eingestuft werden kann. Das Herz der Fans hofft hingegen, dass sich die Dortmunder endlich mal wieder vor den Rekordmeister FC Bayern schieben. Dadurch wird die Borussia an den Münchenern gemessen, selbst wenn diese deutlich mehr in ihren Kader investieren können. Erfolge wie die regelmäßige Teilnahme an der Champions League verblassen durch diesen Vergleich und Trainer geraten schneller in die Kritik, wenn der BVB nicht mit der besten deutschen Mannschaft mithält.

Die Trainerfrage

Deswegen sucht der Verein seit dem Ende von Jürgen Klopp (2015) immer noch einen Dirigenten an der Seitenlinie, der wieder eine Ära prägen kann und der Mannschaft möglichst eine erfolgversprechende Spielphilosophie einimpft. Weiterhin fehlt es der Elf an Lösungen gegen tief stehende Gegner und an Konstanz. Jetzt darf sich Marco Rose versuchen, dies zu ändern. Der 44-Jährige legt viel Wert auf einen aktiven Fußball, seine Spieler sollen früh attackieren, zudem flexibel auf jede Situation reagieren können. Bislang schlendert Rose demonstrativ gelassen durch seine ersten Wochen, obwohl viele Nationalspieler erst nach und nach mit dem Training beginnen. Spannend wird sein, wie der neue Trainer mit dem großen öffentlichen Druck bei Misserfolgen umgeht.

Der neue Trainer beim BVB: Marco Rose.
Der neue Trainer beim BVB: Marco Rose. © dpa | Unbekannt

Der Kader

Das Geschäftsmodell funktioniert, Talente zu verpflichten, zu fördern und sie für enorme Summen weiterzuverkaufen. In diesem Sommer wechselt Jadon Sancho für 85 Millionen Euro zu Manchester United. Allerdings hinterlassen diese Wechsel immer wieder Löcher im Kader, die mühsam zugeschüttet werden müssen. Und die Anhänger wissen, dass sie einen Stürmer wie Erling Haaland nicht zu tief in ihr Herz schließen dürfen, weil er irgendwann weiterzieht. In Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer, der nur noch seine Reha absolviert, haben sich zwei Lieblinge verabschiedet. Der Vertrag von Kapitän Marco Reus gilt noch zwei Jahre. Es fällt zunehmend schwer, eine Mannschaft zusammenzustellen, die sich nicht nur über Erfolg definiert. Auch weil Profis wie etwa Julian Brandt hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Die Kommerzialisierung

Im Grunde vollführt Dortmund seit vielen Jahren einen Spagat. Einerseits muss sich der börsennotierte Klub Entwicklungen anpassen, sich vermarkten, um den Anschluss an die europäische Spitze zu halten und die Aktionäre zufriedenzustellen. Hinzukommt die Corona-Krise, die für große Verluste gesorgt hat. Andererseits nehmen die Anhänger eine bedeutende Stellung im Verein ein. Die Südtribüne verschafft dem BVB weltweite Bekanntheit. Die Ultras wissen die Öffentlichkeit zu nutzen. Eine klare Grenze haben sie gezogen: Wenn sich ihr Verein an einer Super League beteiligen würde, würden sie sich abwenden.

Am Montagabend verdichten sich die Wolken in der Schweiz. Regen kündigt sich an. Ob auch die Dortmunder Zukunft ungemütlich wird, bleibt abzuwarten.