Dortmund. Am Donnerstag trifft Borussia Dortmund auf die Glasgow Rangers. Einer ist bei beiden Vereinen eine Legende: Stefan Klos. Ein Interview.
Tatsächlich, kurz nach der ersten Anfrage via E-Mail klingelt das Handy und eine Schweizer Nummer erscheint im Display. Es meldet sich: Stefan Klos. Jener frühere Torhüter, der schon in der Jugend für Borussia Dortmund spielte und nach über zehn Jahren beim BVB zum schottischen Spitzenklub Glasgow Rangers wechselte, wo er achteinhalb Jahre blieb. In beiden Vereinen hat er Legendenstatus, für andere hat er nie gespielt – deswegen gibt es wohl keinen geeigneteren Gesprächspartner vor dem Europa-League-Duell der beiden Klubs (Donnerstag, 18.45 Uhr/RTL+). Nach der Sportlerkarriere hat sich Klos rar gemacht, mit der Familie lebt er fernab des Fußballtrubels in der Schweiz. Aber er nimmt sich Zeit für ein Gespräch über seine Ex-Klubs, die große Tradition der Rangers, die sportliche Ausgangslage – und die Erklärung, warum das Derby gegen Glasgow größer ist als das Revierderby.
Was haben Sie gedacht, als dies Paarung ausgelost wurde?
Stefan Klos: Das ist ein tolles Los, und zwar für beide Mannschaften. Es sind zwei Vereine mit großer Tradition und mit super Fanlagern. Zu normalen Zeiten wären beide Stadien ausverkauft und die Stimmung wäre riesig.
Sie sprechen den Wermutstropfen schon an: Gerade bei dieser Paarung tut es doch doppelt weh, wenn sie nicht vor vollem Haus stattfinden kann, oder?
Klos: Ja. Das macht ja den Europapokal doch auch aus, dass die Fans in andere Länder fliegen und auch mal andere Stadien außerhalb der Bundesliga sehen. Da entstehen ja auch Fanfreundschaften, wie der BVB sie lange mit Celtic Glasgow hatte. Das sind immer großartige Erlebnisse für Fans und Spieler. Aber immerhin darf das Stadion in Glasgow voll sein.
Und es werden auch BVB-Fans anreisen. Worauf müssen die sich einstellen?
Klos: Wenn das Duell vor dem Rückspiel noch nicht entschieden ist, wenn für die Rangers noch alles drin ist, wird eine gigantische Stimmung herrschen. Die Europapokalabend im Ibrox Stadium waren immer Fußballfeste. Die Schotten sind grundsätzlich sehr gastfreundlich und herzlich. Ich kann jedem BVB-Fan nur sagen, dass das eine Reise wert ist – wenn die Pandemie es zulässt. Ansonsten ist auch das Old Firm wirklich ein Erlebnis, das Derby zwischen den Rangers und Celtic. Da steht die Stadt Kopf.
Ist das vergleichbar mit dem Revierderby Dortmund gegen Schalke?
Klos: Ein paar Spuren drüber, würde ich sagen. Es sind zwei Klubs aus der gleichen Stadt, außerdem spielt man untereinander die Meisterschaft aus – das gab es zwischen dem BVB und Schalke ja eigentlich nie. Dazu kommen einige Ereignisse aus der Vergangenheit und die religiöse Komponente.
Die Rangers sind eher der Klub der Protestanten, Celtic ist der Verein der katholischen irischen Einwanderer.
Klos: Genau. All das macht es sehr intensiv.
Sie haben zehn Jahre für die Rangers gespielt. Was zeichnet diesen Klub aus?
Klos: In erster Linie eine riesige Tradition. Die Rangers feiern dieses Jahr Geburtstag, den Verein gibt es schon seit 150 Jahren. Das Stadion ist nicht so modern, wie es heute in Dortmund ist, aber auch das ist einfach Tradition pur. Ungefähr 50.000 Zuschauer passen hinein und es ist immer ausverkauft. Und Rangers-Fans gibt es auf der ganzen Welt. Wir haben mit dem Klub oft USA-Reisen gemacht, wir waren aber auch in Dubai oder Australien – und überall waren es Rangers-Fans, weil die Schotten in all diese Länder ausgewandert sind. Wenn wir in den USA Vorbereitungsspiele gemacht haben, waren Tausende Rangers-Fans im Stadion. Das ist auch von der Anhängerschaft her ein Riesenverein. Sportlich hatten sie schwierige Zeiten.
Weil der Klub 2012 Insolvenz anmelden musste und erst seit 2016 wieder erstklassig spielt?
Klos: Ja. Als ich für die Rangers gespielt habe, waren wir regelmäßig in der Champions League – was damals recht schwierig war, weil der schottische Meister noch durch Qualifikationsrunden musste. Da haben unter anderem gegen den AC Parma mit Buffon im Tor und Cannavaro und Amoroso im Angriff gespielt – der ja später beim BVB landete. Dann ist man da durchgekommen und wurde als vierte Mannschaft in die Gruppe gelost, in der dann mindestens zwei Schwergewischte waren. Da war es nicht so leicht, weiterzukommen – obwohl wir damals eine gute Mannschaft hatten.
Das ist BVB-Legende Stefan Klos
Stefan Klos ist gebürtiger Dortmunder, spielte bis 1998 nur für Dortmunder Klubs - in der Jugend für den TuS Eving-Lindenhorst, Eintracht Dortmund und den BVB und ab 1998 für die BVB-Profis. Er stand in 254 Spielen zwischen den Pfosten, wurde Deutscher Meister (1995, 1996) und Champions-League-Sieger (1997). Wegen einer herausragenden Leistung im Uefa-Pokal-Halbfinale 1993 gegen AJ Auxerre nannten ihn die Fans "Held von Auxerre".1998 wechselte Klos nach Schottland und bestritt in neun Jahren 208 Spiele für die Glasgow Rangers. Mit den Rangers holte er zehn Titel - vier Meisterschaften, drei Pokalsiege und drei Ligapokalsiege.Von 2013 bis 2016 war er BVB-Kassenprüfer, mit seiner Familie lebt er in der Schweiz.
Haben Sie heute noch Verbindungen zu den Rangers?
Klos: Das ist jetzt schon 14 Jahre her, aber ein paar Verbindungen gibt es noch. Vor Corona war ich einige Male drüben und ohne Pandemie wäre ich im Sommer wohl auch bei der Jubiläumsfeier dabei gewesen. Natürlich hat sich nicht nur bei den Spielern, sondern auch bei den Verantwortlichen viel verändert, seit ich in Glasgow gespielt habe. Aber mit Giovanni van Bronckhorst, der jetzt Trainer ist, habe ich damals noch zusammengespielt. Und Allan McGregor, der jetzt im Tor steht, war damals als junger Torwart dabei. Als ich kam, war er 16 und als ich gegangen bin, hat er dann die Torwartposition übernommen. Er ist jetzt schon 40, aber er ist ein sehr guter Torwart und hat letztes Jahr großen Anteil daran gehabt, dass die Rangers endlich wieder Meister geworden sind.
Den Zeugwart kennen Sie auch noch.
Klos: Ja, Jimmy Bell (lacht). Der hat sich mal bei mir beklagt, dass er noch nie auf einem Fußballplatz so gefroren hat wie beim Spiel in Dortmund im Dezember 1995. Vermutlich hat er das auch deswegen gesagt, weil ich mich vorher über das schottische Wetter beschwert habe (lacht). Den Vereinsarzt kenne ich auch noch. Also ein paar Personen im Umfeld sind noch dabei.
Das war aber tatsächlich ein sehr ungemütliches Spiel damals.
Klos: Allerdings. Wir waren 1995, in der ersten Champions-League-Saison mit dem BVB, in der gleichen Gruppe. Der Platz in Dortmund war gefroren, es gab keine Rasenheizung. 1999, als ich schon bei den Rangers war, gab es auch Europapokalspiele gegen den BVB – aber da war ich verletzt und konnte nicht mitspielen. Da hat der BVB im Elfmeterschießen gewonnen.
An Ihnen hat das also nachweislich nicht gelegen.
Klos: (lacht) Genau, ich bin unschuldig. Ich hatte das Kahnbein gebrochen und musste operiert werden.
Es hat sicher wehgetan, dieses Spiel zu verpassen.
Klos: Allerdings. Ich war auch noch gar nicht so lange weg, nicht einmal ein ganzes Jahr. Da wäre ich gerne dabei gewesen.
Heute wird der BVB in Deutschland als klarer Favorit gehandelt. Sehen Sie das auch so?
Klos: Wenn Dortmund alle Spieler zur Verfügung stehen, sind sie Favorit. Der BVB ist ja eigentlich eine Champions-League-Mannschaft, die jetzt eher dort im Achtelfinale spielen sollte als in der Europa League. Und die Rangers haben sich länger nicht für die Champions League qualifizieren können, das wollen sie jetzt unbedingt mal wieder schaffen. Sie haben in den letzten Jahren in der Europa League ganz gut abgeschnitten, aber da ist natürlich noch ein Unterschied zur CL. Andererseits hat es ja auch Gründe, dass der BVB auch nicht mehr in der Champions League spielt. Die Mannschaft bringt ihre Qualität nicht immer auf den Platz. Und sie muss eine gute Leistung zeigen, um weiterzukommen, denn so leicht wird das nicht.
Wie besiegt man die Rangers?
Klos: Das weiß ich nicht. Das würde ich hier aber auch nicht verraten, es sollen ja beide Mannschaften die gleichen Voraussetzungen haben (lacht). Mir und meiner Familie hat es in Glasgow sehr gut gefallen. Es ist ein richtig schönes Land mit tollen Menschen. Ich bin sicher, dass es allen Fans, die mitreisen, richtig gut gefallen wird – und auch Ihnen als Journalist.
Also drücken sie auch niemandem die Daumen?
Klos: Richtig. Mich verbindet mit beiden Klubs so viel. Es soll die bessere Mannschaft weiterkommen – also die, die in den beiden Spielen die bessere Leistung zeigt. Ich hatte bei beiden Vereinen eine richtig gute und erfolgreiche Zeit, da favorisiere ich keinen.
Aber anschauen werden Sie sich die Spiele schon, oder?
Klos: Wenn es übertragen wird, dann sicher. Aber heutzutage muss man ja immer erstmal suchen, wo man die jeweiligen Spiele gucken kann (lacht).
Ich entnehme Ihren Worten eine gewisse Distanz zum Fußballgeschäft.
Klos: Da ist schon richtig. Ich verfolge viel, aber bin nicht aktiv dabei. Es geht eher über die Medien, außerdem kenne ich noch den einen oder anderen von früher, mit dem ich quatsche. Aktiv bin ich nicht mehr involviert. Aber ich war vor Corona immer mal wieder beim BVB im Stadion, wo ich mich dann auch freue, alte Weggefährten zu treffen.
Und eine Rückkehr in die Branche interessiert Sie nicht?
Klos: Ich habe keinen Plan, wieder eine größere Rolle im Fußball zu spielen. Ich lebe lieber über viele Jahre an einem Ort. Ich habe vier Kinder, die noch relativ klein waren, als ich aufgehört habe mit dem Fußball. Und deswegen hatte und habe ich keine Lust, für zwei Jahre irgendwo hinzugehen, um einen Job im Fußball zu machen – etwa als Trainer – und dann bei jedem Jobwechsel umzuziehen mit dem ganzen Tross. Deswegen sind wir in der Schweiz gelandet und haben das nie bereut.