Dortmund. Für Marco Reus war 2014 ein Jahr zum Vergessen: Der BVB-Star musste Verletzungen und einen Strafbefehl verarbeiten. Seine Zukunft steht in den Sternen

Es hätte sein Jahr werden sollen: Im Mai endlich der erste Titel mit Borussia Dortmund, im Juli der Gewinn der Weltmeisterschaft mit ihm als einem der prägenden Spieler und im Winter die Unterschrift unter einen neuen, hochdotierten Vertrag - entweder beim BVB, der dem Vernehmen nach acht statt bisher drei Millionen bietet, oder dank einer Ausstiegsklausel für den kommenden Sommer in München, Madrid oder Manchester. Dort eben, wo im Fußball das große Geld sitzt.

Doch statt der noch immer leeren Titelliste verzeichnete 2014 zunächst nur die Krankenakte des Marco Reus neue Anträge - und zum Ende des Jahres sogar die Strafakte. Oft spricht man bei Fußballern von einem Seuchenjahr, selten aber ist dieser Begriff so berechtigt wie im Falle des 25-jährigen Offensivspielers.

Das Unglück begann am 17. Mai: Im DFB-Pokalfinale gegen Bayern München machte der in den Wochen zuvor stark aufspielende Offensivakteur zwar ein ordentliches, für seine Verhältnisse aber unterdurchschnittliches Spiel. Der FC Bayern gewann 2:0, zum zweiten Mal in Folge musste sich der gebürtige Dortmunder Reus in einem großen Finale den Münchnern geschlagen geben - und wie im Champions-League-Finale im Mai 2013 (1:2) war seine Leistung zwar passabel, insgesamt aber doch ein gutes Stück unter seinen großen Möglichkeiten geblieben.

Schwere Verletzung - einen Tag vor dem Abflug

Doch das Jahr sollte für ihn noch größere Rückschläge bereithalten: Am 6. Juni, einen Tag vor dem Abflug ins WM-Land Brasilien, musste Reus im Testspiel gegen Armenien (6:1) kurz vor der Halbzeitpause vom Feld, gestützt von Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Die niederschmetternde Diagnose folgte noch in der Nacht: Teilriss des Syndesmosebandes - die WM war für den Tempodribbler vorbei, bevor sie begonnen hatte.

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"In unseren Überlegungen für Brasilien hat er eine zentrale Rolle gespielt", rief ihm Bundestrainer Joachim Löw noch hinterher - doch den Siegeszug des DFB-Teams in Brasilien musste der 25-Jährige vor dem Fernseher verfolgen. Und dass Finaltorschütze Mario Götze während der Siegerehrung nach dem Endspiel gegen Argentinien (1:0) Reus' Trikot in die Kameras hieß, dürfte für diesen ein äußerst schwacher Trost gewesen sein - denn schon jetzt war klar, dass einer der begabtesten Fußballer seiner Generation auch in diesem Jahr ohne Titel bleiben würde.

Rückkehr, Rückschläge, Riesen-Geldstrafe

Zu allem Überfluss entpuppte sich die Verletzung bei einer eingehenderen Untersuchung in Dortmund noch als schwerwiegender: BVB-Mannschaftsarzt Markus Braun diagnostizierte einen knöchernen Bandausriss am Fersenbein. In der Sommervorbereitung im schweizerischen Bad Ragaz reichte es nur zu Lauftraining - doch die Rückkehr gelang schneller als gedacht: Bereits in der DFB-Pokal-Auftaktrunde bei den Stuttgarter Kickers (4:1) am 16. August stand der Mann, der mit seinen Solis ganze Abwehrreihen auseinandernehmen kann, wieder in der Startelf.

Doch der nächste Rückschlag folgte bereits Anfang September, im EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland (2:1) blieb Reus kurz vor Schluss verletzt liegen - Teilriss des Außenbandes. Mitte Oktober kehrte er beim 1:2 gegen den 1. FC Köln zurück - dieses Mal für rund einen Monat: Sein Auswärtsauftritt beim SC Paderborn (2:2) endete mit einem harten Foul durch Marvin Bakalorz und einem Außenband-Abriss.

Strafbefehl von 540.000 Euro

Am 18. Dezember kehrte Reus ins Lauftraining zurück und bewies dabei geradezu absurdes Timing. Denn am gleichen Tag war bekannt geworden, dass der 25-Jährige keine Fahrerlaubnis hat - und dennoch jahrelang wie selbstverständlich Auto gefahren war. Und das, wie für einen Fußballprofi üblich, in nicht eben schwach motorisierten Autos.

Bei einer Verkehrskontrolle präsentierte er den Polizisten nach WDR-Informationen sogar einen gefälschten niederländischen Führerschein, den er sich in seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach besorgt haben soll. Die Affäre brachte dem bislang Unbescholtenen einen Strafbefehl über 90 Tagessätze ein, die sich in seinem Fall auf 540.000 Euro addierten. "Heute weiß ich: Ich war in dieser Situation viel zu naiv, das war eine Dummheit", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Ich habe meine Lehren daraus gezogen. So etwas passiert mir nie wieder."

"Er ist als Jugendlicher einmal falsch abgebogen", verteidigte Trainer Jürgen Klopp seinen besten Offensivspieler mit einem eher unglücklichen Sprachbild - und versicherte ebenso wie Vorstandschef Hans-Jachim Watzke, dass der BVB voll zu seinem Spieler stehe. Reus selbst, der sich ohnehin in der Öffentlichkeit rar macht, ist erst einmal abgetaucht, weder von ihm noch seinem Berater gab es bislang eine ausführliche Stellungnahme - wie zu hören ist, auf dringendes Anraten der BVB-Kommunikationsabteilung, die mit der Öffentlichkeitsarbeit von Reus' Spieleragent Dirk Hebel zuletzt nicht immer glücklich war.

Bayern-Spekulationen um Reus hören nicht auf

So hatten Hebel und sein Schützling inmitten der Spekulationen um einen möglichen Wechsel des Offensivspielers eine äußerst unglückliches Stellungnahme auf Facebook veröffentlicht, in die sich alles Mögliche hineinlesen ließ - nur kein Dementi eines Wechsels. Bei den BVB-Offiziellen hatte dies gehörig Schnappatmung ausgelöst, denn die Gedankenspiele um einen möglichen Wechsel belasten den Offensivspieler ohnehin schon.

Die Verhandlungsposition hat gelitten

Glaubt man Aussagen von Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, kann einer der besten deutschen Spieler im Sommer für 25 Millionen Euro wechseln. Glaubt man dem, was BVB-Offizielle hinter vorgehaltener Hand sagen, liegt die Summe rund 10 Millionen Euro höher - was für einen Spieler der Kategorie Reus aber immer noch vergleichsweise günstig wäre. Reus-Berater Hebel hält die Wechsel-Spekulationen am köcheln - und tut dem Spieler damit eher keinen Gefallen. Denn der Druck auf den sensiblen Reus wird so nicht eben geringer.

Und die vergangenen Monate dürften dessen die Verhandlungsposition nicht unbedingt verbessert haben. Drei schwere Verletzungen innerhalb eines halben Jahres lassen anderswo die Zweifel wachsen. Aus München ist schon zu hören, man zweifle an der physischen und psychischen Robustheit des Spielers.

Reus muss schnell zu alter Weltklasse zurückkehren

Reus' für den Rückrunden-Auftakt geplante Rückkehr auf den Fußballplatz wird daher ganz genau beobachtet werden - in Dortmund, in München und sicherlich auch an vielen anderen Orten der Fußballwelt.

Um das Gerede um seine Person dabei möglichst auf das Sportliche zu minimieren, gibt es für Reus nur eine Möglichkeit: schnell wieder zu alter Weltklasse zurückkehren und die Schlagzeilen um seine Person durch sportliche Meldungen überlagern. Auch der BVB wäre darüber sicher nicht unglücklich, denn für die von Trainer Klopp so geschätzten Vollgasveranstaltungen ist Reus ein wichtiger Fixpunkt.

Solange er diese auf den Fußballplatz beschränkt.