Dortmund.. Thomas Tuchel und Pep Guardiola stehen sich erstmals als Trainer des BVB und des FC Bayern gegenüber. Trotzdem hat das Duell eine lange Vorgeschichte.

Es hat durchaus Charme, sich noch einmal Udo Lattek in seiner besten Zeit als Fußballtrainer vorzustellen. Einen Mann, der von Erfolg zu Erfolg eilt, Titel einheimst wie Pep Guardiola in Barcelona und München. Der zwar von der körperlichen Erscheinung niemanden in seinen Bann zieht, wohl aber keck und schlagfertig ist, wie man es von Jürgen Klopp heutzutage kennt. Und der als Stratege den Eifer und die Leidenschaft vorlebt, die man in diesen Tagen Thomas Tuchel zuschreibt. Keine Frage, der im Februar im Alter von 80 Jahren verstorbene Udo Lattek wäre im heutigen Bundesligageschäft eine der, wenn nicht die schillerndste Trainerpersönlichkeit.

Trainerlegenden sind sie inzwischen alle, die Latteks, Cramers, Happels und Weisweilers. Doch anders als zu ihrer noch nicht so glitzernden Zeit begleitet die aktuelle Übungsleitergeneration zumindest in vereinzelten Fällen ein nahezu elektrisierender Ruf. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass das Spitzenspiel des achten Spieltags am Sonntagabend (17.30 Uhr/live in unserem Ticker) zwischen Bayern München und Borussia Dortmund auch nicht bloß als Spiel zweier Mannschaften betrachtet wird, sondern als das Aufeinandertreffen außergewöhnlicher Trainer. Pep Guardiola hier, Thomas Tuchel dort, Titelverteidiger gegen Herausforderer, Vorbild gegen Bewunderer.

Die Fortsetzung besonderer Trainerduelle

Die letzten 20 Jahre haben beeindruckende Duelle zwischen den Roten und den Schwarzgelben hervorgebracht – nicht nur auf dem Rasen, auch auf den Trainerbänken. Ottmar Hitzfeld schnappte mit Dortmund Giovanni Trapattoni und Otto Rehhagel (bis zu seiner vorzeitigen Entlassung) Mitte der 90er Jahre die Meistertitel weg, genauso Matthias Sammer Anfang des neuen Jahrtausends dem inzwischen nach München übergesiedelten Hitzfeld. Und Jürgen Klopp fügte erst vor wenigen Jahren zweimal dem bajuwarischen Establishment um Louis van Gaal und Jupp Heynckes empfindliche Schlappen zu.

Und nun also Tuchel gegen Guardiola, das Duell der Star-Trainer.

Zumindest für diese Saison, denn ob sich aus dem ersten Aufeinandertreffen als BVB- und FCB-Coach eine fortwährende Rivalität erhebt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob Guardiola bei den Bayern seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag verlängert. Für den Moment jedoch ist es von der fachlichen Kompetenz und der Strahlkraft her die Auseinandersetzung der am meisten beachteten Trainer der Branche, die sich so sehr ähneln. Das liegt natürlich rein optisch zunächst an der eher hageren Erscheinung zweier hochaufgeschossener Anfangsvierziger, lässt sich jedoch noch viel mehr in der Ausübung ihres Berufs erkennen.

Beide lieben den Ballbesitz

Tuchel und Guardiola lieben den Ballbesitz, die Kontrolle über das Spiel und den Gegner. Sie sind keine Zuchtmeister der Magath’schen Schule, hassen dennoch das Verlieren, weshalb mit ihnen in der Coaching-Zone auch beizeiten schon mal die Pferde durchgehen können. Beide gelten als absolute Perfektionisten, die erst zufrieden sind, wenn die Spieler den Ball ihrem Teamkollegen hundertprozentig genau in den Fuß gepasst haben.

Als Trainer sind sie Querdenker, holen sich Anregungen sowohl aus anderen Sportarten als auch aus der Wissenschaft. „Ich war als Spieler mit meinen Beinen und meinem Talent nie so gut, wie ich es im Kopf war“, hat Tuchel mal über sich gesagt. Er und Guardiola wollen den Aktiven in jeder erdenklichen Situation den richtigen Lösungsvorschlag erteilen können, um dann mit Eigeninitiative und Mut erfolgreich zu sein. Die Spielweise des Gegner schauen sie sich im Videostudium genauso oft an wie Serienjunkies zum gefühlt hundertsten Mal alle Staffeln von Breaking Bad.

Feldherren mit Pfefferstreuern

Vor einem Dreivierteljahr saßen sich Tuchel und Guardiola bei einem inzwischen zur Legende erhobenen Treffen in einem Münchener Restaurant gegenüber und wirbelten wie zwei Feldherren beim Durchspielen eines Schlachtplans Salz- und Pfefferstreuer über den Tisch, dass die Kellner nicht mehr verantworten konnten, unfallfrei Getränke am Tisch zu servieren.

Ihr Wiedersehen am Sonntag als Verantwortliche von Dortmund und München wird ein Medienereignis, auch wenn es vorrangig nur um 90 Minuten Fußball geht. Denn trotz zweier gehypter Marken im Showgeschäft Bundesliga wusste Udo Lattek schon immer, worauf letzten Endes noch heute jeder Trainer angewiesen ist: „Alle Systeme und jede Taktik hängen zuallererst von der Bereitschaft der Spieler ab, sich zu helfen und zu ergänzen.“ Auch Pep Guardiola, auch Thomas Tuchel.