Berlin. So gerne hätte er seine Zeit als Fußballer mit einem letzten großen Titel beendet - doch Sebastian Kehls letzter Auftritt für den BVB verlief bitter.

Am Ende war es ein Abgang, wie man ihn sich als Fußballer wirklich nicht wünscht: Es lief die 67. Spielminute, da leuchtete Sebastian Kehls Rückennummer fünf auf der Tafel des Vierten Offiziellen auf. 1:3 stand es aus Sicht von Borussia Dortmund gegen den VfL Wolfsburg, als der Routinier letztmals das Feld verließ - und bei diesem Spielstand blieb es im DFB-Pokalfinale. Und so wurde nichts aus Kehls großem Traum, zum zweiten Mal nach 2012 als DFB-Pokalsieger das Marathontor erklimmen zu können. Stattdessen endete die ohnehin schon enttäuschende Saison mit einem weiteren Rückschlag - und Kehls dreizehneinhalb Jahre in Schwarz-Gelb ohne den ersehnten Triumph zum Abschluss.

"Im Moment überwiegt die Enttäuschung"

"Ich hätte es mir natürlich heute anders gewünscht", sagte der langjährige BVB-Kapitän nach dem Spiel. "Es wird wohl noch ein paar Tage brauchen, das zu realisieren." Natürlich sei er stolz über das, was er in seiner Karriere erreicht habe. "Aber im Moment überwiegt die Enttäuschung über den verpassten Titel und die Niederlage."

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Dabei hatte es schon in den letzten Wochen nicht an großen Worten gefehlt, die das Karriereende Kehls begleitet hatten. BVB-Trainer Jürgen Klopp hatte schon vor Wochen in gewohnt pathetischer Weise angekündigt, hier verlasse "ein ganz großer Borusse" die Bühne - und im Fall Kehl ist das nicht einmal übertrieben: Im Januar 2002 kam der damals 21-Jährige zum BVB, dreizehneinhalb Jahre trug er das schwarz-gelbe Trikot, feierte drei Meisterschaften und einen DFB-Pokalsieg - und seit 2008, seit Klopp Trainer ist, führte er den BVB als Kapitän aufs Feld, bevor er die Binde vor seiner letzten Saison freiwillig wieder abgab. Er wolle, so erklärte er es damals, es seinem Nachfolger erleichtern, ins Amt zu finden und im Zweifel noch helfen können.

Musterprofi Kehl

Die eigenen Interessen, das eigene Ego hinter der Mannschaft zurückstellen - nach dieser Maxime war der Musterprofi Kehl meist verfahren. Auch in schwierigen Zeiten, wenn er sich etwa nur auf der Bank wiederfand, beschwerte er sich nicht, verwies nicht auf seine Verdienste und pochte nicht auf Einsatzzeiten.

Und schwierige Zeiten gab es einige. Als der in Fulda geborene Mittelfeldspieler 2002 zum BVB kam, galt er als eines der größten deutschen Talente. Am Ende der Karriere, mit 35 Jahren, stehen nun 314 Bundesliga- und 31 Länderspiele. Eine gewiss ordentliche Summe, doch bei einem Spieler mit Kehls Potenzial hätten es deutlich mehr sein können. Doch immer wieder kamen massive Verletzungsprobleme dazwischen - wie 2006, als ihm Hasan Salihamidzic in einem Zweikampf eine massive Fleischwunde zufügte. Es dauerte über ein Jahr, bis Kehl wieder richtig in Tritt kam.

In der Saison 2010/11, als eine junge, entfesselte Borussia völlig überraschend zur ersten Meisterschaft stürmte,, konnte der Routinier wegen diverser Blessuren nur sechs Spiele machen, galt angesichts der überragenden Auftritte Sven Benders im defensiven Mittelfeld schon als Auslaufmodell. Doch wieder einmal kämpfte sich Kehl heran, in der folgenden Double-Saison kam er auf 25 Einsätze und war ein wichtiger Leistungsträger - und einer der Anführer, auf und neben dem Feld. Allerdings einer, das bewies auch das

Kehl überraschte seinen Sohn mit Torerfolg

Bis zuletzt hatte sein Wort Gewicht in der Mannschaft und im Verein, auch im Umfeld und unter den Journalisten genoss der Leader höchsten Respekt. Und selbst im Spätherbst der Karriere wusste der Fußball-Senior noch zu überraschen: Als er im DFB-Pokal-Viertelfinale den BVB mit einem fulminanten Dropkick eine Runde weiterschoss, war sein siebenjähriger Sohn Louis im Stadion - und ganz überrascht, dass der Vater auch mal ein Tor schoss.

Weitere Treffer werden nun nicht mehr dazu kommen, alle Gedanken an einen möglichen Rücktritt vom Rücktritt hat Kehl stets konsequent zurückgewiesen. Wenn die Mannschaft ab dem 30. Juli ihre Reisen durch den Uefa-Cup antritt, sitzt er zwar auch im Flieger - allerdings in die andere Richtung: Mit der Familie geht es in die USA.