Dortmund.

Woche für Woche werden aus Ballspielern Schauspieler. Am vergangenen Bundesliga-Wochenende war das noch auffälliger als sonst. Aber warum suchen Verantwortliche und Medien die Schuld dafür immer zuerst bei den Unparteiischen?

Am vergangenen Bundesligawochenende hat Borussia Dortmund zum zweiten Mal in Folge zwei Punkte liegenlassen. Doch Grund zur Sorge gibt es nach der neuerlichen und sicherlich nicht ganz unverdienten Punkteteilung nicht, weil der BVB noch immer, wie schon in der Winterpause, mit zehn Punkten Vorsprung von der Tabellenspitze grüßt und weil er, wie in jedem Pflichtspiel ab dem 2. Spieltag, das bessere Team war.

Sorgen muss sich Schwarzgelb auch wegen der Ampelkarte für Neven Subotic nicht machen, steht doch mit Felipe Santana ein zuverlässiger Stellvertreter des Innenverteidigers in den Startlöchern.

Schelte trifft den Falschen

Die Schirischelte von Subotic, Klopp und Zorc, die die keinesfalls berechtigte zweite gelbe Karte für den Serben monierten, trifft allerdings den falschen Adressaten. Denn wie auch Wolfgang Stark am Millerntor, wurde Florian Meyer, der Borussias Begegnung auf dem Betzenberg leitete, Opfer eines Täuschungsversuchs. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort „Opfer“. In Hamburg hatte Stark den Gladbacher Igor de Carmago des Feldes verwiesen, nachdem dessen Gegenspieler Lehmann ihn erst übel umgesenst und danach per Rolle Rückwärts einen Kopfstoß des Brasilianers vorgetäuscht hatte, der nie stattfand.

Wenn ein Schiedsrichter nach einer Schwalbe auf den Punkt zeigt oder einen Platzverweis erteilt, weil er, wie in St. Pauli geschehen, auf die Schauspielkünste eines Fußballers hereinfällt, steht er in den meisten Fällen höchstselbst in der Kritik. Viele Spieler, vom DFB mit formschönen Fair Play-Logos verziert, verstehen Unsportlichkeiten und Täuschungsversuche als Teil des Spiels. Dabei werden sie zum Teil sogar noch bekräftigt. So lobten nicht wenige Lehmanns „Ehrlichkeit“, als der nach dem Spiel zwar bekräftigte, dass es sich eben nicht um einen regulären Feldverweis gehandelt habe, er aber doch „dumm wäre“, wenn er so ein Geschenk des Gegners, nämlich sich direkt vor seine Nase zu stellen, nicht verwerten würde.

Heftiges Kopfschütteln

Aus Fansicht bleibt einem da nur noch heftiges Kopfschütteln und die vergebliche Hoffnung, dass der DFB und seine Spielleiter in Zukunft Schwalben und Schauspielerei mit der gleichen Konsequenz ahnden, wie sie auch das Feiern der Fußballer mit den Fans oder das wahrlich skandalöse Trikot ausziehen ahnden.

Vom Schiedsrichter kann man sicherlich nicht erwarten, auf dem Feld jeden Täuschungsversuch ermitteln zu können. Aber warum müssen wir die „sterbenden Schwäne“ an jedem Wochenende sehen? Und warum werden sie niemals nachträglich gesperrt? Nach Tätlichkeiten tagt der DFB-Untersuchungsausschuss, Unsäglichkeiten wie Schwalben, Schauspieleinlagen oder das unverfrorene Provozieren generischer Feldverweise bleiben hingegen in fast allen Fällen ungeahndet, wenn der Schiedsrichter sie nicht selbst bemerkt.

Lediglich Andreas Möller wurde vor Jahren mal für eine Schwalbe gesperrt. An ihm wurde ein Exempel statuiert, weil er - wie im übrigen auch Paulis Lehmann - nach dem Spiel ehrlich war und seinen Täuschungsversuch einräumte. So lernen Profis, dass sie nach ihren Unsportlichkeiten auch noch feist in die Kamera lügen sollen. Zum Andy Möller aller Kopfstoß-Affären wurde Norbert Meier als Coach des MSV Duisburg. Seine gemeinsame Schauspieleinlage mit Albert Streit kostete ihn sogar den Job. Geändert hat das, außer für Meier, gar nichts.

Nachträgliche Sperre

Einige Bundesliga-Fußballer halten sich noch immer in schöner Regelmäßigkeit das schmerzverzerrte Gesicht, wenn man ihnen in den Hintern tritt. Würde es wirklich die Autorität des Schiedsrichters untergraben, wenn man trotz seiner Tatsachenentscheidung schauspielende Spieler nachträglich sperren würde? Man deckt doch in erster Linie den Fehler des Übeltäters auf und nicht den des Spielleiters, der getäuscht wird. Das würde im angesprochenen Fall zwar nicht dem zu Unrecht gesperrten Igor de Camargo helfen, wäre aber trotzdem gerechter, als wenn Lehmann davon kommt. Einem Srdjan Lakic, dessen astreine Schwalbe Neven Subotic zum Zuschauen zwingt, würde eine kleine Denkpause sicherlich auch nicht schaden.

Wenn man sich endlich dazu durchringen würde, Schwalben im Nachhinein zu ahnden, wäre sicherlich nicht ausgeschlossen, dass mal ein unschuldiger Stolpervogel gesperrt würde. Es wäre aber auch nicht ausgeschlossen, dass wir schon nach kürzester Zeit weniger Schauspiel und mehr Ballspiel auf Bundesligaplätzen sehen würden. Kaum ein Fan hätte was dagegen!

Fairer Fußball

Ein Fan vom BVB schon mal gar nicht. Denn Borussia spielt im Vergleich zu weiten Teilen der Konkurrenz sehr fairen Fußball. Tätlichkeiten, Nickligkeiten und freiwillige Flugeinlagen gehören in Dortmund zur Zeit nicht zum Repertoire. Darauf kann man genauso stolz sein, wie auf die zahlreichen spielerischen Glanzleistungen dieser Saison. Hoffentlich geht die Borussia weiter mit gutem Beispiel voran.

31.01.2011, Rutger Koch, www.die-kirsche.com