Dortmund. Völlig verdient verlor Borussia Dortmund 0:3 gegen Juventus Turin und lieferte dabei vor allem offensiv eine wenig überzeugende Leistung ab. Nach dem Spiel war die Ratlosigkeit groß.
Marcel Schmelzer überlegte kurz, wollte erkennbar nichts Falsches sagen. "Es war ja fast gar kein Offensivspiel da", meinte er dann über die Angriffsbemühungen von Borussia Dortmund bei der 0:3-Niederlage gegen Juventus Turin. "Wir sind fast gar nicht in den Strafraum gekommen." Es die kürzeste, gleichzeitig aber Analyse des Abends. Am Ende der Partie, die das Aus im Champions-League-Achtelfinale bedeutete, hatten die Statistiker zwar neun Torschüsse für den BVB notiert, wirklich gefährlich war aber nur einer: ein abgefälschter Distanzschutz von Neven Subotic, der knapp neben das Tor trudelte.
Subotic ist hauptberuflich Innenverteidiger und damit für das Verhindern von Toren zuständig - dass er die gefährlichste Szene hatte, sagte viel über das BVB-Spiel am Mittwochabend aus. "Die Form und das Vermögen, uns Torchancen herauszuspielen, geht uns ein bisschen ab", urteilte der eingewechselte Oliver Kirch. Immer hektischer, immer unkoordinierter wurden die BVB-Bemühungen, sodass irgendwann sogar das geduldige Dortmunder Publikum genug hatte: Als Kevin Kampl nach rund einer Stunde einen Ball aufs Tor brachte und Juventus Torhüter Gianluigi Buffon zwang, sich erstmals mit einer Parade das Trikot zu beschmutzen, gab es höhnischen Applaus von den Rängen, schon zur Pause waren Pfiffe zu hören.
Reus: "Wir haben einfach schlecht gespielt"
Wir haben einfach schlecht gespielt, waren wenig kreativ vorne, haben die Bälle nicht gehalten und sind zurecht rausgeflogen heute", haderte Marco Reus. Als Lösungsansatz fiel ihm aber lediglich ein: "Wir müssen mehr Kreativität vorne haben und müssen die Bälle halten." Auch seine Mannschaftskameraden hatten weder überzeugende Erklärungen und Lösungen anzubieten: "Wir müssen einfach daran arbeiten, dass wir wieder mehr Druck entwickeln können", sagte Marcel Schmelzer. "Uns da durchzuspielen, schnell über außen, flanken, oder auch durch die Mitte mal zum Abschluss zu kommen, ist momentan unser größtes Problem", urteilte Oliver Kirch während Kapitän Mats Hummels monierte, man habe "eine zu kleine Strafraumbesetzung, wenn wir außen zum Flanken kommen", und müsse "vielleicht auch mal aus 25 Metern draufhauen", statt Kombinationen in engen Räumen zu suchen. Die Dortmunder, sie wirkten nach Abpfiff nicht weniger ratlos als auf dem Platz.
Auch Trainer Jürgen Klopp war bei der Ursachenforschung keine große Hilfe. "Wir investieren viel, um in die richtigen Räume zu kommen, bekommen das Anspiel durch - und kommen dann nicht zum Abschluss", sagte er. "Nach dem Spiel gegen Schalke ist uns die Konsequenz abhanden gekommen. Das müssen wir schleunigst ändern." Der 3:0-Sieg gegen den Revierrivalen allerdings ist knapp drei Wochen her, danach waren Spiele gegen Dynamo Dresden (2:0), den Hamburger SV (0:0) und den 1. FC Köln (0:0) gefolgt, in denen die Offensivleistung bereits deutlich zu wünschen übrig ließ - doch bislang hat Klopp die Lösung dafür noch nicht gefunden.
Es fehlt ein koordiniertes Zusammenspiel
"Die massierten Gegner hinten bereiten uns mehr Probleme, als wir uns das wünschen", haderte Oliver Kirch. Nach dem überzeugenden 3:0-Sieg gegen Schalke wähnte man dies überwunden, doch nun erscheint die Partie eher als einmaliger Ausreißer nach oben.
Schon gegen Hamburg und Köln, erst recht aber gegen Turin, blieb offensiv vieles Stückwerk, es fehlte ein koordiniertes Zusammenspiel. Die Bewegungen der Angreifer wirkten schlecht bis gar nicht abgestimmt, selten wurde mal Überzahl in gefährlichen Bereichen geschaffen, wurden Dreiecke gebildet und schnelle Doppelpässe gesucht. "Wenn eine Mannschaft tief hinten drin steht, musst du dich viel bewegen mit den Offensivspielern, um Räume aufzureißen", meinte Kirch. "Letztendlich wird das auch ein Schlüssel gewesen sein."
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Selten bot sich dem Ballführenden mehr als eine Anspielstation und allzu oft fehlte auch diese. Die Folge: Fehlpässe und hektische Einzelaktionen, bei denen der Ball verloren ging. Marco Reus, sonst immer für eine überraschende Aktion gut, tauchte in Durchgang zwei komplett ab, auch Mittelstürmer Pierre-Emerick Aubameyang hing vollkommen in der Luft - und Henrikh Mkhitaryan konnte erneut nicht den Beweis antreten, dass er seine hervorragenden Anlagen für den BVB gewinnbringend einsetzen kann.
Seit Wochen notorisch ungefährlich
Da Juventus das Dortmunder Gegenpressing zudem routiniert ins Leere laufen ließ, fehlte den Hausherren jede Handhabe, um für Torgefahr zu sorgen. Lediglich einige Ecken und Flanken flogen in den Strafraum, aber in diesen Situationen sind die Dortmunder schon seit Wochen notorisch ungefährlich.
Da zudem im Mittelfeldzentrum jeglicher Zugriff fehlte und Ilkay Gündogan und Sven Bender mit zehn bzw. 17 Prozent gewonnen Zweikämpfen eine unterirdische Bilanz vorzuweisen hatten, bekam der BVB die Partie trotz 56 Prozent Ballbesitz nie in den Griff und hätte bei einigen gefährlichen Kontern noch mehr Tore kassieren können.
Tief stehen, wenig Räume bieten, schnell umschalten - Juventus Turin präsentierte die Blaupause, wie man gegen Dortmund bestehen kann. "Es war in der kompletten Hinrunde schon so, dass Mannschaften sich gesagt haben, wir stehen hinten gut und gucken dann mal, was nach vorne geht. Das hat leider viel zu häufig geklappt", klagte Kirch - und warnte dann vor der nächsten Aufgabe am kommenden Samstag (15.30 Uhr/im Live-Ticker): "Hannover wird ein ähnliches Spiel aufziehen. Da müssen wir uns etwas überlegen."
Nach der Länderspielpause folgen dann mit Bayern München und Borussia Mönchengladbach zwei Topmannschaften der Liga. Wenn Dortmund seine Probleme nicht schleunigst abstellt, droht der erneute Absturz in Richtung Tabellenkeller.