Dortmund. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke drängt auf mehr Fans im Stadion. Der Virologe Ulf Dittmer schlägt einen Stufenplan vor.

Es vergehen noch ein paar Tage, bis die beiden höchsten deutschen Spielklassen starten. Doch schon jetzt nimmt die Debatte Fahrt auf, wie viele Fans ins Stadion kommen dürfen. Vor allem Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wuchtet sich in die Offensive. Bei der Vorstellung des neuen BVB-Trainers Marco Rose polterte Watzke: „Warum soll ein Stadion nicht ausverkauft sein nur mit Geimpften? Wo ist das Problem?“

19.770 Anhänger auf Schalke - auch beim BVB ein Drittel

Gefühlt liegt ein unbeschwertes Fußballerlebnis nach knapp anderthalb Jahren Corona-Pandemie jedenfalls schon eine Ewigkeit zurück. In der letzten Spielzeit geisterten die meisten Spiele ohne Fans vor sich hin. Nun erlaubt die Coronaschutzverordnung in Nordrhein-Westfalen derzeit bei einer Inzidenz von höchstens 35 eine Zuschauerkapazität von einem Drittel der regulären Stadionkapazität.

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke trägt Maske im Stadion.
BVB-Chef Hans-Joachim Watzke trägt Maske im Stadion. © Unbekannt | firo

Daher plant etwa Schalke für das erste Heimspiel in der Zweiten Liga am 23. Juli gegen den Hamburger SV mit 19.770 Zuschauern. Auch der BVB möchte sein Stadion beim ersten Ligaspiel gegen Eintracht Frankfurt am 14. August zu einem Drittel füllen.

Hans-Joachim Watzke aber denkt an mehr. „Wenn wir nicht bereit sind, dies irgendwann wieder zuzulassen, müssen wir sagen: Okay, wir ergeben uns Covid-19. Dann werden wir nie mehr unser altes Leben zurückkriegen. Oder glaubt irgendeiner von euch, dass die nächsten Jahre kein Covid-Fall mehr auftritt? Dann können wir auch glauben, dass es keine Grippe mehr gibt. Vielleicht auch kein Weihnachten mehr“, rumste der 62-Jährige.

Gefahr durch Getestete im Stadion beim BVB und auf Schalke

Der Virologe Ulf Dittmer vom Universitätsklinikum in Essen wählt gemäßigtere Worte, gibt dem Dortmunder Geschäftsführer aber im Prinzip recht. „Ich kann mir ein volles Stadion mit vollständig Geimpften vorstellen“, meint Dittmer. Zunächst sollte man noch studieren, wie gut welcher Impfstoff gegen die Mutanten wirke. Aber „das Risiko wird nie bei null liegen. Irgendwann müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben. Und wenn wir uns das nicht trauen, dann wird ein Stadion in den kommenden Jahren nie voll sein“, erklärt der Virologe.

Allerdings dürfen beim Saisonstart nicht nur Geimpfte in die Stadien. Das Hygienekonzept gleicht dem bei der derzeit laufenden Europameisterschaft. Getestete, Genesene, Geimpfte können die Spiele bestaunen. Im Stadion soll Abstand gehalten werden. Die EM verdeutlichte jedoch, dass bei den Emotionen, die der Fußball herauskitzelt, Regeln schnell zur Makulatur werden. Beim 2:0-Erfolg gegen Deutschland purzelten die englischen Fans fast übereinander.

Und: Solange Getestete auch ins Stadion dürfen, sieht Ulf Dittmer keine Gelegenheit für ein ausverkauftes Vergnügen. Das Risiko sei zu hoch, wenn viele Menschen zusammenkämen, „dass Falschgetestete das Virus verbreiten“. Generell gebe es beim Fußball im Stadion zwei Aspekte. „Zunächst befinden sich die Fans unter freiem Himmel, das senkt das Risiko“, erklärt Dittmer. Auf der anderen Seite herrsche eine große Enge, gerade auf dem Weg zu den Plätzen. Es werde gesungen und geschrien. Viele Sitze lägen im Schatten, der Wind wehe oft nicht so stark. „All das erhöht das Risiko einer Infektion. Auch das Reisen birgt Gefahren, dazu zählt die Anreise.“

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Gladbachs Max Eberl klingt defensiver als BVB-Chef Hans-Joachim Watzke

Vermutlich klingen die Aussagen aus anderen Profiklubs deswegen deutlich defensiver als die von Hans-Joachim Watzke. „Natürlich hoffen wir, dass in der neuen Saison möglichst viele Fans kommen dürfen. Die Konzepte dafür liegen vor. Grundsätzlich gilt für uns weiterhin: Der Gesundheitsschutz der Gesellschaft hat absoluten Vorrang“, erklärt Schalkes Sportvorstand Peter Knäbel. Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl meint: „Wir freuen uns auf die Rückkehr der Zuschauer und auf den Moment, wenn die Stadien wieder ganz voll sind. Aber mit aller Sicherheit, die dafür notwendig ist.“

Ulf Dittmer empfiehlt Klubs wie dem BVB und Schalke einen Stufenplan für den Herbst. „Wir sollten zunächst schauen, wie sich die Pandemie in Deutschland im Oktober und November entwickelt und dann die Stadien schrittweise füllen“, sagt der Virologe. „Die Impfungen sind der Schlüssel für ein normales Leben.“