Essen/Dallas. . Dirk Nowitzki ist wieder in seinem Element. Der deutsche Basketballstar bereitet sich mit seinen Dallas Mavericks auf die NBA-Saison und die Verteidigung des Titels vor. DerWesten sprach mit dem Würzburger über den veränderten Kader der Mavs, Nowitzkis Motivation, sich wieder zu schinden und die Chance der Texaner im Titelrennen.

Dirk Nowitzki, haben Sie die Dallas Mavericks nach Ihrer Rückkehr in die USA überhaupt noch wiedererkannt?

Dirk Nowitzki: Es ist natürlich bitter, dass Caron Butler gegangen ist und wir Tyson Chandler und J.J. Barea nicht halten konnten. Ich glaube, diese Jungs werden für immer Freunde und Familie für uns bleiben. Immer, wenn man zusammen eine Meisterschaft gewinnt, verbindet das und (das) dieses Gefühl bleibt für immer. Aber mit unseren neuen Spielern kann man zufrieden sein. Lamar Odom wird gut reinpassen, Vince passt gut zu uns und auch Delonte West wird Jason Kidd unterstützen. Ich glaube schon, dass wir wieder eine solide Truppe haben – mit älteren Leuten, die zusammenspielen, die gewinnen wollen und ich denke, dass wir damit wieder ein solides Produkt auf das Spielfeld bringen werden.

Wie haben Sie Mavericks-Besitzer Mark Cuban in dieser kurzen Offseason wahrgenommen?

Das große Ziel von Mark Cuban war dieses Jahr, dass wir für die kommende Saison, also für 2012/13, ein bisschen finanziellen Spielraum bei den Mavericks haben. Seitdem Cuban hier ist, hatten wir nie die Chance, einen Free Agent zu holen, weil wir immer über dem Salary Cap lagen. Sein Ziel war es, zur kommenden Saison etwas Flexibilität zu haben. Die letzten paar Tage waren ein bisschen ungewiss und wir wussten alle nicht, wie unser Kader für diese Spielzeit aussehen wird. Aber in den vergangenen 48 Stunden ist viel passiert und jetzt haben wir eine komplette Mannschaft zusammen.

Ohne Tyson Chandler haben die Mavs Qualität auf der Center-Position verloren. Wie sehen Sie die Situation unter dem Dallas-Korb?

Nowitzki: Erstmal ist es natürlich schade, dass Tyson gegangen ist und es ist sehr schwer, so einen Spieler zu ersetzen. Nicht umsonst hat er so einen riesigen Vertrag in New York bekommen. Er hat bei uns einfach seinen Wert bewiesen - das fängt an von der Rebound-Arbeit, geht über das Spiel in der Mitte und die geblockten Schüsse. Auch mannschaftlich und menschlich hat er sehr gut in unsere Truppe reingepasst. Auch deshalb tut dieser Wechsel weh. Aber wir haben mit Brendon Haywood einen erfahrenen Mann, der auch schon ein paar Jahre in der Liga spielt und sehr gute Spiele gemacht hat. Außerdem haben wir Ian Mahinmi, der vergangene Saison einen großen Schritt gemacht hat und auch in den Finals solide Minuten für uns gespielt hat. Hinzu kommt, dass wir wahrscheinlich auch viel mit einer kleinen Aufstellung spielen werden - mit Lamar Odom und mir auf der vier und fünf, da sind wir in der Defensive schon vielseitig aufgestellt. Aber wir werden viel über Teamwork gehen müssen. Und wenn wirklich mal ein Dwight Howard kommt oder ein Tim Duncan, dann muss Haywood seine Klasse zeigen.

Können Sie sich vorstellen, dass es zu Komplikationen im Zusammenspiel mit Neuzugang Lamar Odom geben wird? Der ehemalige Laker fiel wegen eines Fouls gegen Sie im vierten Playoffspiel der vergangenen Saison negativ auf.

Nowitzki: Ich glaube, es wird keine Probleme mit Lamar geben. Erstmal spielen wir ja schon seit zwölf Jahren gegeneinander in der NBA und sind nie aneinander geraten oder haben böse Worte gewechselt. Und dann war in seinem Foul damals auch ein bisschen Frust. Wir haben richtig gute gespielt im vierten Spiel gegen die Lakers und deshalb war es sicherlich nur Frustration. Wir werden in Dallas sehr gut zusammenspielen. Er ist für seine Größe ein guter Passgeber und wird werden Spaß auf dem Court haben.

Er hatte zuletzt Spaß in einer Realityshow...

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Nowitzki: Was er außerhalb des Platzes macht, interessiert mich herzlich wenig. Das muss jeder selbst wissen. Ich ziehe mich lieber ein bisschen zurück. Aber ihn scheint es nicht zu stören, wenn er außerhalb des Platzes noch ein bisschen Rummel hat - immerhin ist er vergangenes Jahr bei den Lakers zum "besten Sechsten Mann der Liga" gekürt worden.

Offenbar wird der deutsche Nationalspieler Chris Kaman von den Los Angeles Clippers in der Liga angeboten. Wäre es interessant mit Kaman zusammen in Dallas zu spielen?

Nowitzki: Das wäre schon witzig. Chris ist ein super Spieler und in den vergangenen Jahren ein guter Freund von mir geworden. Wir haben fast wöchentlich Kontakt und tauschen uns regelmäßig aus. Aber ich glaube nicht, dass dieser Wechsel nach Dallas zustande kommt. Ich wünsche ihm alles Gute und vor allem, dass er verletzungfrei bleibt.

Ein "Ziehen und Zerren in der NBA" 

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Das Team der Mavs ist offenbar komplett, aber in der Liga wird noch viel spekuliert, wo einige Superstars unterkommen können. Wie nehmen Sie die ganzen Meldungen um die Wechsel wahr?

Nowitzki: Das ist dieses Jahr schon komisch. Das sind jetzt alles Nachwehen von dem Lockout und damit muss jedes Team mit zurecht kommen. Ich kenne diese Situation noch aus meiner Rookie-Saison 1998/99, von daher wusste ich schon, was ich zu erwarten hatte. Die vergangenen Tage waren schon gefüllt mit Gerüchten. Ein Ziehen und Zerren, wie es besser nicht geht. Wir Spieler dürfen uns damit gar nicht so sehr beschäftigen. Wir können eh nichts an diesen Wechselspielchen ändern. Wichtig ist für uns, dass wir uns auf die Mavericks konzentrieren, alles andere liegt nicht in unseren Händen. Aber die Gerüchteküche wird noch ein bisschen brodeln, bis man weiß, was mit Chris Paul und Dwight Howard passiert. Auch Nene ist noch auf dem Markt. Die nächsten Tage werden interessant werden - aber uns tangiert das nur peripher.

Kann man deshalb auch noch gar nicht absehen, wer die größten Favoriten in Westen sind?

Nowitzki: Nein, das ist noch nicht so leicht vorauszusagen. Wenn Chris Paul zu einer Mannschaft in L.A. geht, oder die Lakers Dwight Howard verpflichten, dann sind die natürlich Top-Favorit. Aber das ist im Moment noch alles offen. Aber auch ohne Howard sind die Lakers mit Kobe Bryant sehr stark. Auch die Oklahoma City Thunder sind fast unverändert zusammengeblieben und eine starke Mannschaft. Mit denen ist auch wieder zu rechnen. Im Westen wird wieder einiges los sein.

Nicht nur die Vorbereitung auf die NBA-Saison ist sehr kurz, auch die Spielzeit ist sehr gedrängt und mit 66 Spielen kürzer als sonst. Ist das vielleicht ein Vorteil für die Mavericks?

Nowitzki: Eigentlich müssten wir mit unseren erfahrenen Spielern relativ schnell in den Rhythmus kommen. Wir haben mit Jason Kidd einen Ballverteiler, der uns das Eingewöhnen leicht macht. Außerdem müssten noch viele Spieler, die bei uns geblieben sind, unser System kennen. Ich hoffe schon, dass wir gut in die Saison starten. Aber nichtsdestotrotz sind es eine Menge Spiele und wir sind mit Odom und Carter nicht unbedingt jünger geworden. Deshalb brauchen wir auch unsere Bankspieler. Ich weiß jetzt noch gar nicht genau, wer zu Beginn auf dem Platz stehen wird und wer von der Bank kommt. Fakt ist: Die Bankspieler geben uns wichtige Minuten.

Wie schaffen Sie es eigentlich, sich nach dem Titelgewinn wieder zu motivieren?

Nowitzki: Im Sommer war es schon ein bisschen schwer mit der Motivation. Nachdem ich mir meinen Traum erfüllt habe, fiel es mir schon nicht so leicht, vier Wochen später mit Holger Geschwindner Froschsprünge durch die Halle zu machen. Das kam für mich etwas zu früh. Aber nach dem Abstand jetzt fühle ich mich wieder wohl und wenn die Spiele losgehen, kommt der Wettbewerb so durch in mir, dass ich gewinnen will. Und dann hoffe ich, dass wir den Titel verteidigen können. Das ist der absolute Traum.

Wie war das Leben nach dem Titel - auch wie ein Traum für Sie?

Nowitzki: War natürlich mehr los im Sommer als sonst. Es war Wahnsinn, wie Deutschland an diesem Erfolg dran teilgenommen hat. Das habe ich im Sommer auch schon häufiger gesagt. Es war toll, wie viele Leute mir erzählt haben, dass sie nachts aufgestanden sind, um unsere Spiele zu verfolgen und wie viele Leute sich mit mir gefreut haben. Ich werde mittlerweile auch von älteren Menschen erkannt, die nichts mit Basketball anfangen können. Es war einfach ein bisschen mehr Rummel als für gewöhnlich – auch während meiner Zeit bei der Nationalmannschaft. Es war ein guter Sommer. Ich hätte nie gedacht, dass man mit Basketball in Deutschland so einen Rummel auslösen kann. Aber nach der Europameisterschaft habe ich auch ein bisschen Abstand gebraucht und zwei Monate gar keinen Ball angefasst. Aber jetzt freue ich mich auch wieder auf die neue Saison.

Nowitzki hätte vielleicht mit einem Burnout zu kämpfen gehabt 

Ihre Strategie ist, Ruhe zu finden, sonst hätten Sie wahrscheinlich schon längst einen Burnout?

Nowitzki: Ich versuche einfach alles mit Spaß zu nehmen. Natürlich braucht man zwischenzeitlich auch Abstand zum Sport und seine Ruhe – das war zwar nach der Meisterschaft ein bisschen schwer mit der Parade und dem Trainingscamp der Nationalmannschaft und den ganzen Flügen hin und her – aber nach der EM habe ich mir die Zeit genommen, zwei Monate Erholung, und das hat mich auch so ein bisschen gerettet. Wäre die NBA-Saison direkt nach der EM losgegangen, würde ich jetzt vielleicht mit einem Burnout zu kämpfen haben. Das wäre ein bisschen wenig Pause gewesen. Der Lockout war in dem Fall auch ein bisschen ein Glücksfall für mich.

Was sind Ihre Ziele und Wünsche für das Jahr 2012 und die Saison?

Nowitzki: Ich freue mich jetzt ganz besonders auf Banner-Präsentation in der eigenen Arena, wenn unsere Meisterschaft unter dem Hallendach verewigt wird. Die Meisterringe bekommen wir ja leider noch nicht an dem Tag, aber wenn wir diese Auszeichnung bekommen wird es sicherlich auch noch mal ganz speziell. Dafür haben wir so lange gearbeitet und ich habe hier in den USA 13 Jahre lang geschuftet. Aber mein größter Traum hat sich mit dem Gewinn der Meisterschaft erfüllt.

Sie trainieren seit Freitag wieder mit der Mannschaft, aber schon vorher haben Sie sich mit Ihrem Trainer Holger Gschwindner fit gemacht. Bei wie viel Prozent sind Sie jetzt?

Nowitzki: Ich glaube, dass ich schon noch ein bisschen Arbeit vor mir habe. Ich bin ja nach "Wetten, dass...??" direkt nach Dallas geflogen und habe dort schon ein bisschen für mich selbst trainiert, bin ein bisschen die Halle hoch und runter gerannt und habe Konditions- und Krafttraining gemacht. In Würzburg habe ich vorher schon mit Holger trainiert. Aber ich habe schon noch ein paar Prozent draufzulegen. Ich habe Spaß an der Sache und freue mich, mit den Jungs auf hohem Niveau zu spielen. Und solange der Spaß da ist, werde ich auch schnell wieder fit. Aber brauche noch ein paar Wurfeinheiten, ein paar Krafteinheiten und ein paar Laufeinheiten und dann hoffe ich, dass ich am 25. Dezember so nah an hundert Prozent bin wie möglich. (Aufgezeichnet von David Nienhaus)