Essen. Frank Buschmann ist in Deutschland einer der bekanntesten Basketball-Experten. Im Interview mit DerWesten spricht "Buschi" über die Probleme der "Randsportart" Basketball, die positiven Zeichen für die BBL und die Deutsche Nationalmannschaft ohne Dirk Nowitzki.

Schwungvoll ist die Saison der Basketball-Bundesliga wieder losgegangen, dank vieler positiver Signale im Vorfeld. Wie wichtig sind die Live-Spiele im Free-TV und der neue Sponsor für die BBL?

Frank Buschmann: Für die Liga ist es von elementarer Bedeutung, dass man einen Hauptsponsor gewonnen hat. Es ist schlicht und ergreifend schon aus finanzieller Hinsicht eine große Geschichte, dass jemand in den deutschen Basketball investiert. Und der zweite Punkt ist natürlich, dass egal welcher Sender die Bundesliga überträgt, es wichtig ist, dass die BBL im Free-TV übertragen wird. Im Pay-TV oder im Internetfernsehen funktioniert Basketball scheinbar nicht, das hat man in den zurückliegenden Spielzeiten gesehen. Für diesen Sport ist es von elementarer Bedeutung, im Free-TV zu laufen.

Ist der nächste logische Schritt dann ein BBL-Magazin im TV?

DSF-Moderator Frank Buschmann:
DSF-Moderator Frank Buschmann: "In Deutschland macht Fußball alles andere Platt." Fotos: imago © imago sportfotodienst

Buschmann: Da muss man ehrlich sein – und das soll nicht desillusionierend klingen, denn ich sage das jetzt als Basketballer – wie viele Menschen fünf Minuten Zusammenfassung von Hagen gegen Quakenbrück sehen wollen, ist im gerade noch messbaren Bereich. Das klingt jetzt wirklich für viele ganz schlimm, aber da würde Aufwand und Ertrag in keiner Relation stehen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte – ohne auf Kosten, Quote oder Logistik gucken zu müssen – dann wäre das sicherlich eine Art Sportschau für den Basketball. Aber das ist so weit weg, wie der Mars von der Erde.

Oldenburg als Titelverteidiger in der BBL, Alba Berlin will den Titel auch – wer sind Ihre Favoriten?

Buschmann: Natürlich ist es viel zu früh, um da jetzt schon eine Tendenz abzusehen. Ich habe mit Alba Berlin gegen EWE Oldenburg ein Spiel live gesehen und ich vermute ganz stark, dass diese beiden Teams am Ende auch mindestens ins Halbfinale kommen, wenn ich auch von dem Niveau dieser Partie sehr enttäuscht war. Aber ich kann nicht beurteilen, wie gut Mannschaften wie zum Beispiel Quakenbrück und Braunschweig sind. Ich schätze, es werden aber die üblichen Verdächtigen um den Titel spielen und das sind Bonn, Bamberg und die Top-Favoriten Oldenburg und Berlin – wenn die sich noch einen guten Schützen holen, wird Alba auch wohl Meister.

Phoenix Hagen ist aufgestiegen und spielt jetzt wieder in der höchsten deutschen Spielklasse. Sie kommen aus Hagen, haben dort Basketball gespielt. Wie groß ist Ihre Verbundenheit zu Hagen?

Buschmann: Och, das ist so eine Geschichte, die ist schon 20 Jahre alt – oder älter. Damals habe ich in Hagen bis zur zweiten Liga selber Basketball gespielt. Dass ich irgendeine Verbindung zu Phoenix Hagen habe, ist schlichtweg falsch. Ich bin in Hagen groß geworden und als ich dort gespielt habe, hieß der Verein nicht mal Phoenix. Wenn ich früher aus Hagen berichtet habe, passte es natürlich ganz gut, zu sagen, „der Hagener Junge berichtet aus der Ischelandhalle.“

In der BBL hat es eine Regeländerung gegeben. Jetzt müssen die Vereine vier Deutsche im Kader haben. Was sagen Sie zu dieser Bestimmung?

Buschmann im Interview mit Bundestrainer Dirk Bauermann.
Buschmann im Interview mit Bundestrainer Dirk Bauermann. © imago sportfotodienst

Buschmann: Es ist ja bekannt, dass ich ein harter Verfechter davon bin, die Vereine zu ihrem Glück zu zwingen. So wie es sich momentan darstellt, mit vier Deutschen im Kader bei einer Teamgröße von zwölf Spielern, ist es mir einfach zu wenig. Schauen wir uns die Realität an, so sind es doch immer in vielen Clubs der Busfahrer, sein Assistent und der Mannschaftsbetreuer, die auf dem Spielberichtsbogen stehen, aber sicherlich nicht spielen. Das tut mir immer noch weh und ich hätte mir eine etwas radikalere Lösung gewünscht. Vielleicht schon mit fünf Deutschen im Kader und in der kommenden Saison dann sechs – denn dann wären sie auch in der Rotation und müssten spielen. Aber ich setze mich mit meiner Forderung auch immer gerne in die Nesseln, weil dann argumentiert wird, „der Fernsehfuzzi hat gut reden, es gibt die Talente nicht, die er spielen lassen würde.“ Meine Meinung ist: Dann muss man sie machen, die Talente. Punkt. Und man sieht ja übrigens in Braunschweig, wo man mit Heiko Schaffartzik und Yassin Idbihi zwei Spieler hat, die eine richtig gute Rolle spielen, dass es funktionieren kann. Oder in Bonn mit Johannes Strasser und Tim Olbrecht.

Das ist ja eine ganz gute Überleitung zur Nationalmannschaft. Einige der von Ihnen aufgezählten Spieler haben eine überraschend gute Europameisterschaft gespielt – und das ohne Dirk Nowitzki.

Buschmann: Ich war auch überrascht, aber wir müssen uns auch immer vor Augen halten, dass die Deutsche Nationalmannschaft fünf ihrer sechs Spiele verloren hat. Aber die Art und Weise, wie das Team von Bundestrainer Dirk Bauermann aufgetreten ist, außer bei den Spielen gegen Lettland und Mazedonien, macht Hoffnung. Die EM war alles in Allem ein Glücksfall für den deutschen Basketball, weil wir wieder die Diskussion um den Nachwuchs angestoßen und gesehen haben, dass noch andere deutsche Spieler außer Dirk Nowitzki gut mit der Murmel umgehen können. Dieser Auftritt macht Mut für kommende Turniere - wie zum Beispiel die Olympischen Spiele 2012 in London - wenn dann auch Nowitzki wieder dabei ist. Dann ist natürlich die Frage, ob die Schaffartziks und Benzings wieder so frisch aufspielen oder nur gucken, wo der „große Blonde“ steht.

Aber dazu müssen die deutschen Spieler auf dem Court in der BBL Leistung zeigen und sich weiterentwickeln...

Buschmann: Das ist ja genau der Punkt, der mich ärgert. Bei dem Spiel Alba gegen Oldenburg, welches ich vorhin angesprochen habe, hätte Albas Trainer Luka Pavicevic Steffen Hamann ohne Probleme mehr Spielzeit geben können. Hamann hat einen Großteil dazu beigetragen, dass Berlin die Partie unter Kontrolle bekommen hat – insgesamt kam er dann auf 18, 19 Minuten. Warum nicht mehr? Aber da sagt dann der Vereinsboss, „wir müssen gewinnen und nicht gucken, dass deutsche Spieler Einsatzzeit bekommen.“ Klar, es muss über Leistung gehen. Aber in diesem Fall verstehe ich die Entscheidung des Coaches überhaupt nicht. Ich würde mir wünschen, dass die deutschen Spieler in wichtigen Phasen des Spiels auf dem Feld stehen, denn nur so können sie lernen und besser werden. Außerdem würde ich mir wünschen, dass Spieler wie Patrick Femerling oder Sven Schultze in Deutschland noch einen Vertrag kriegen würden und nicht irgendwo in Europa spielen müssen.

In den USA hat die NBA-Saison wieder begonnen und Dirk Nowitzki startet einen neuen Anlauf, den Titel zu gewinnen. Ist das realistisch?

Dirk Nowitzki im Interview mit Frank Buschmann.
Dirk Nowitzki im Interview mit Frank Buschmann.

Buschmann: Ich halte es für schwierig, dass Dirk dieses Jahr den Titel holt. Da gibt es einfach wieder zwei, drei Mannschaften die besser sind. Die Los Angeles Lakers werden wieder weit kommen und auch Boston, sofern Kevin Garnett gesund bleibt. Die Mavericks haben sich gut verstärkt, aber den Titel wird Dallas nicht gewinnen. Aber ich glaube, dass die Mavs eine gute Saison spielen werden. Dirk hatte jetzt etwas Zeit, die Birne freizubekommen und sich körperlich auszuruhen.

Könnte ihm ein Wechsel den Titel bescheren?

Buschmann: Das sind ja die Mechanismen, die die älteren NBA-Profis immer pflegen, um doch noch mal einen Titel zu gewinnen. Aber ich glaube, dass Dirk in Dallas bleiben möchte. Er ist nicht der Typ für einen Wechsel nur, um sich einen Champion-Ring an den Finger stecken zu können. Dafür ist er zu bodenständig. Außerdem hat Mavs-Besitzer Mark Cuban da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Aber ich kann mir das aber ehrlich gesagt nur total schwer vorstellen. Ich denke, dass Dirk seine Karriere in Texas beenden wird.

Die NBA ist in Deutschland nun im zweiten Jahr nirgendwo mehr zu sehen. Wie ist die Wahrnehmung des US-Basketballs?

Buschmann: Die ist auf den Punkt gebracht nicht existent. Ich habe noch Zeiten erlebt, in der in jeder zweiten Nacht ein Spiel live im Fernsehen übertragen wurde. Damals spielte zum Beispiel beim DSF Geld keine Rolle und da gab es Spiele, bei denen nachts 300.000 Leute vom TV saßen und sich ein Spiel angeguckt haben. Da spielten aber auch noch ein Michael Jordan, ein Scottie Pippen oder ein Charles Barkley. Das waren alles Typen, die die Fans begeistert haben.

Das heißt, der NBA fehlen die richtigen Typen?

Buschmann: Da gibt es LeBron James, der ganz gut ist - aber bei Weitem eben kein zweiter Michael Jordan. Und, klar gibt es noch den einen oder anderen Spieler, der auch irgendwie ein Typ ist. Aber letztlich ist in der NBA alles zu sehr Geschäft geworden, zu sehr Egogezocke und alles möglichst cool mit vielen Tattoos und möglichst vielen Spin-Moves – das hat für mich nicht mehr so viel mit der normalen Competition im Basketball zu tun. Außerdem – soweit ich informiert bin – will die NBA immer noch viel Geld für die Übertragungsrechte haben und das wird kein deutscher Sender ausgeben. Dafür ist das Interesse einfach zu gering. Außerdem gibt es da ja auch immer noch das kleine Übel mit dem Namen „Zeitverschiebung.“ Wenn man also Nowitzki live sehen will, muss man mitten in der Nacht aufstehen. Welcher normale Mensch, der nicht Student ist, kann sich das erlauben?

Im Fußball-Fachmagazin „Kicker“ gab es in den vergangenen Ausgaben ein Interview mit den Bundestrainern der „Randsportarten“ Handball, Eishockey und Basketball. Warum haben diese Sportarten keine Chance gegen „König Fußball“?

Buschmann: Irgendwie unterscheidet sich Deutschland da zu allen anderen europäischen Ballsport-Nationen, wo Sportarten neben dem Fußball existieren können. Da würde ich auch gerne mal mit dem Märchen aufräumen, dass es einzig und alleine an den Fernsehsendern liegt. Es liegt tatsächlich einfach am Nutzungsverhalten der Zuschauer, die Fußball gucken wollen und Fußball und Fußball. In Deutschland macht der Fußball alles andere Platt. Ein Beispiel dazu: Ein Freundschaftsspiel von Werder Bremen in der Sommerpause auf Norderney gegen einen Achtligisten macht eine deutlich höhere Quote als ein Vorrundenspiel der deutschen Basketball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft. Damit haben wir das Problem auf den Punkt gebracht und da muss man dann auch Fernsehanstalten verstehen, die auf Quote, Marktanteile und damit auf Werbeeinnahmen schauen müssen. Warum das so ist in Deutschland, kann ich nicht sagen. Der Fußball macht bei uns de facto alles platt.