Dortmund. .

Schwerarbeit für den Weltmeister: Die deutsche Nationalmannschaft musste sich ihre ersten drei Punkte in der Qualifikation für die EM 2016 am Sonntagabend hart erkämpfen. Ihr 2:1-Sieg zum Gruppenauftakt gegen Schottland in Dortmund war verdient, zwischenzeitlich aber auch gefährdet. „Ich habe im Vorfeld nicht aus Spaß gesagt, dass es eng wird“, meinte Doppeltorschütze Thomas Müller nach dem Abpfiff, „wir haben es verpasst, das Ergebnis frühzeitig höher zu stellen.“

In der vergangenen Woche musste Joachim Löw mal wieder nach dem Rechten sehen. Genauer: nach dem Rechten ganz hinten. Nach dem Rücktritt des Weltmeisterkapitäns Philipp Lahm klafft in der Abwehrkette eine Qualitätslücke von kraterähnlichem Ausmaß. Kein Wunder, ein vergleichsweise auf höchstem Niveau konstant spielender Außenverteidiger wie Lahm wird weltweit gesucht.

Beim 2:4 am Mittwoch gegen Argentinien durfte sich der vielseitig verwendbare Dortmunder Kevin Großkreutz versuchen. Der nächste Kandidat in Löws Castingshow hieß nun Sebastian Rudy: ein 24-jähriger Mittelfeldspieler, der in seinem Verein 1899 Hoffenheim erst einmal in der Abwehr ausgeholfen hatte. Eine erwartete Veränderung nahm der Bundestrainer hingegen in der Angriffsmitte vor: Für den gegen Argentinien unglücklich agierenden Rückkehrer Gomez brachte Löw den WM-Finaltorschützen Götze.

Die deutschen Fans hatten das Spiel gegen Argentinien abgehakt, trotzig sangen sie schon vor der Partie wieder ihr Lied des Sommers: „Die Nummer eins der Welt sind wir“. Torwart Manuel Neuer wunderte sich, als er seinen Arbeitsplatz einnahm: Von der berühmten Dortmunder Südtribüne prasselte tatsächlich Applaus auf ihn herab. Aber die war ja diesmal auch in Weiß und nicht in Gelb gehüllt. Dennoch: Für den früheren Schalker und heutigen Münchener war dieser Empfang an dieser Stätte so ungewöhnlich, als hätte eine Gruppe BVB-Fans hinter ihm „Blau und Weiß, wie lieb ich dich“ gesungen.

Das Spiel begann wie erwartet: Mit angriffslustigen, um Spielkontrolle bemühten Deutschen und mit eher defensiv eingestellten, aber kämpferisch dagegenhaltenden Schotten. Eine erste Großchance verpasste Thomas Müller in der siebten Minute, als er freistehend einen Kopfball neben das Tor steuerte. In Minute 18 aber passte dann alles: Sebastian Rudy rückte rechts auf, schlug eine gut gebutterte Flanke aus dem Halbfeld, vorne behauptete sich Thomas Müller in der Luft gegen zwei Abwehrspieler, und sein Kopfball senkte sich in hohem Bogen ins Netz. Ein Mittelstürmertor von einem nominellen Rechtsaußen – das war genau nach dem Geschmack des Bundestrainers, Positionswechsel gehörten zum Plan.

Den Torschrei hatten viele Fans auch in der 27. Minute schon auf den Lippen, als Marco Reus Keeper David Marshall zu einer Streckübung zwang. Die zweite Hälfte begann dann mit einer Top-Chance für Schottland: Steven Naismith dribbelte sich durch die deutsche Abwehr, zielte aber ganz knapp am langen Eck vorbei.

Etwas später spaltete sich die Südtribüne, als Götze von einigen Zuschauern, die unschwer als BVB-Fans auszumachen waren, ausgepfiffen und von vielen anderen angefeuert wurde. Die Leute hatten Zeit für solche Nebensächlichkeiten, weil sie in dieser Phase weder Hochglanzfußball noch Dramatik geboten bekamen. Das änderte sich erst, als Götze einen Zuckerpass auf seinen Freund Reus spielte, dessen Schuss dann aber das Tor verfehlte.

Müllers Durchblick im Gewusel

Plötzlich wurden auch die Schotten mutiger, weil sie merkten, dass die Abwehr nicht das Sahneteilchen der Deutschen war. In der 66. Minute spielte Kapitän Darren Fletcher den Ball perfekt in den Rücken der Kette, Ikechi Anya behielt im Angesicht von Manuel Neuer die Nerven – 1:1. Das Hochgefühl der Schotten hielt aber nur vier Minuten an: Nach einer Ecke reagierte Thomas Müller im Gewusel am schnellsten. Tragisch am Ende: In der Nachspielzeit musste BVB-Star Marco Reus verletzt vom Rasen. „Es scheint wohl nicht ganz so schlimm zu sein“, wollte Löw aber auch vor einer Untersuchung keine genaue Diagnose abgeben.