Melbourne. Ein Tweet eines Ex-Nationalspielers hat in den Niederlanden eine Diskussion entfacht: Soll die Fußball-WM 2018 in Russland boykottiert werden? Die Trauer und Wut nach dem Flugzeug-Absturz über der Ukraine in der vergangenen Woche ist groß, die Ablehnung gegenüber der FIFA ebenso.
Die niederländisch-russischen Beziehungen sind seit der MH17-Tragödie schwer belastet. Auch der ehemalige Oranje-Nationalspieler John van 't Schip fordert Konsequenzen aus dem Abschuss der Boeing 777 und löste mit einem Tweet eine nationale Debatte aus.
"Ich möchte einen Aufruf an den (niederländischen Fußballverband, Anm. d. Red.) KNVB, die niederländische Regierung und die FIFA richten, die WM 2018 zu boykottieren!, twitterte van 't Schip und erntete in sozialen Netzwerken Beifall.
Der Europameister von 1988 arbeitet derzeit als Trainer von Melbourne Heart auf der anderen Seite der Welt, hat jedoch auch dort die Trauer und Wut seiner Heimat mitbekommen. Auch Australien beklagt 27 Opfer unter den 298 Toten von Flug MH17.
[kein Linktext vorhanden]Anti-Haltung gegenüber der FIFA und der Russland-WM 2018
Seit Jahren herrscht in den Niederlanden eine stark ausgeprägte Anti-Haltung gegenüber der Weltmeisterschaft in Russland und der FIFA. Denn auch das deutsche Nachbarland hatte sich als Veranstalter des Fußballturniers 2018 beworben, doch die Begeisterung in der Bevölkerung schlug rasch in Ablehnung um, als bekannt wurde, welch irre Forderungen der Fußball-Weltverband stellte und welche Steuerfreiheit er genießen wollte.
Gerard Dielessen, Präsident des Niederländischen Olympischen Komitees (NOC*NSF), blickte in einem Blog-Eintrag am Wochenende zurück auf Sotschi 2014. "Es ist schade, dass die Olympischen Winterspiele zu Jahresbeginn nicht die Versöhnung gebracht haben, auf die wir alle damals heimlich hofften. Ich sehe die gesellschaftspolitischen Diskussionen über die Fußball-WM 2018 in Russland schon auf uns zukommen. Das wird noch eine schwere Aufgabe für den KNVB und die NOC*NSF. Rückblickend auf die Winterspiele kann ich - ehrlich ist ehrlich - nicht anders, als mit gemischten Gefühlen auf die denkwürdige Begegnung mit Putin zurückblicken."
Russlands Präsident hatte dem holländischen Quartier in Sotschi während der Spiele einen Besuch abgestattet. "Ich musste die letzten Tage oft zurückdenken an meine Begegnung mit dem kleinen Machthaber im Beisein unseres Königs und seiner Partnerin. Ein ziemlich ungemütliches Treffen, wegen der ganzen Menschenrechtsdiskussionen, die damals kursierten. Ich frage mich noch immer, was diesen Machthaber antreibt. Die absolute Macht scheinbar."
Weitere prominente Reaktionen blieben noch aus, zu aufgeladen sind die politischen Spannungen derzeit. Auch wenn zuletzt mit Michael van Praag ein Niederländer aus dem europäischen Fußballverband UEFA erstmals öffentlich Stimmung gegen FIFA-Boss Sepp Blatter machte, ist es unwahrscheinlich, dass der KNVB im Falle einer sportlichen Qualifikation der nächsten Fußball-Weltmeisterschaft fernbleibt, so gigantisch der Symbolwert solch eines Verzichts auch wäre.