Rio de Janeiro. .
Das Drama von Maracana: Deutschland ist Weltmeister nach einem nervenzerfetzenden Endspiel in Rio de Janeiro. 0:0 hieß es nach 90 Minuten, in der Verlängerung aber erzielte ein Joker das Goldene Tor: In der 113. Minute schoss Mario Götze das traumhaft schöne Siegtor. Er nahm die Flanke von André Schürrle mit der Brust an und drosch den Ball volley in die Maschen. Die Mission ist erfüllt.
Diese Mission der deutschen Mannschaft wurde schon vor dem Anpfiff erschwert. Mittelfeld-Pfeiler Sami Khedira meldete sich nach dem Warmmachen ab: Der Mann von Real Madrid klagte über Wadenprobleme und musste zusehen, wie Christoph Kramer ihn auf dem Platz ersetzte. Der Mönchengladbacher war bislang nur zu sporadischen Einsätzen gekommen und landete plötzlich auf der größtmöglichen Bühne: WM-Finale vor fast 75 000 Zuschauern im mythenumrankten Maracana.
Doch schon nach gut einer halben Stunde war auch für die B-Besetzung das Spiel beendet. Ezequiel Garay hatte Kramer mit einem unfreiwilligen Bodycheck derart ausgeknockt (17. Minute), dass dieser nach einem Versuch des Weiterspielens dann doch den Platz verlassen musste. Wackelig auf den Beinen, benommen wie nach einem rechten Schwinger von Mike Tyson. Für Kramer kam André Schürrle in ein hoch intensives, spannendes Spiel, in dem beide Mannschaften zur Pause schon hätten führen können.
Den ersten Adrenalinschub versetzte Toni Kroos dem Spiel – allerdings auf andere Weise als gewohnt bei diesem Turnier. Bei einer Kopfball-Rückgabe auf Manuel Neuer hatte er den lauernden Stürmer Gonzalo Higuain übersehen. Der Profi aus Neapel verzog aber kümmerlich aus 16 Metern (21. Minute).
Doch der Schock war dem deutschen Team in die Füße gefahren. Zwar dominierte die Mannschaft von Joachim Löw das Spielgeschehen, aber Argentinien konterte gefährlich. Aber einen Treffer Higuains pfiff Schiedsrichter Nicola Rizzoli wegen Abseits berechtigterweise zurück (30.). Zehn Minuten später sprintete Argentiniens Star Lionel Messi seinem Gegenspieler Mats Hummels davon, spitzelte den Ball vorbei an Torwart Neuer, doch Jerome Boateng kratzte den Ball knapp vor der Linie weg.
Erst in den letzten Minuten vor der Pause kam auch das Team von Bundestrainer Joachim Löw zu Chancen: André Schürrle und Toni Kroos setzten ihre Versuche allerdings ziemlich genau auf Torwart Sergio Romero. Und doch hätte es beinahe noch zur Führung gereicht. Nach einer Ecke in der Nachspielzeit kam Benedikt Höwedes herangeflogen, der Schalker scheiterte mit seinem Kopfball aber am Pfosten. Zentimeter zwischen Glückseligkeit und Enttäuschung.
Nächstes Beispiel? Messi tauchte zu Beginn der zweiten Hälfte unerhört frei vor Neuer auf, zirkelte seinen Schuss aber um eine Winzigkeit am Tor vorbei (47.).
Die Angst vor dem Fehler
Ins Blau-Rot der beginnenden Dämmerung hinein näherte sich die Entscheidung, bedrohlich zogen die Wolken über dem Stadion auf. Die theatralische Kulisse für ein denkwürdiges Schauspiel. Jetzt spätestens konnte jeder Fehler, jedes bisschen zu viel Risiko dramatische Konsequenzen haben. Das veränderte vor den Augen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und James-Bond-Darsteller Daniel Craig das Spiel: noch mehr Kampf, noch weniger Leichtigkeit.
Nach Wirkungstreffern zog die deutsche Mannschaft gleich, als Neuer den heranstürmenden Higuain abräumte (57.), während er den Ball wegfaustete. Es folgten Fouls, Gelbe Karten, verbissene Zweikämpfe am Rande des Erlaubten und darüber hinaus. Bonds Mission in Moonraker, die Welt zu retten, war dagegen ein Langweiler.
Verlängerung. Und die Spannung stieg weiter an. Deutschland ergriff die Initiative, Argentinien blieb gefährlich bei Kontern, die Abwehrspieler um den starken Jerome Boateng räumten einiges ab. Einmal aber hatten sie reichlich Glück: In Minute 97 verschätzte sich Mats Hummels, der eingewechselte Rodrigo Palacio hob den Ball über Manuel Neuer – aber auch am Tor vorbei. Eine Top-Chance.
Zittern. Bangen. Hoffen. Und dann: Jubeln. Dank Mario Götze.