Belo Horizonte. .
Sechs Minuten dauerte dieses opulente Stück Fußball-Geschichte. Sechs Minuten, die aus einem brodelnden, gelben Kessel den leisesten Ort im ganzen Land machten. Trauer. Schweigen im Stadion. Weil niemand im Stadion Worte fand, zu beschreiben, was er da sah. Die einen, weil sie die schlimmste Niederlage aller Zeiten auf sich zusteuern sahen. Die anderen aus Ehrfurcht vor dem Moment, aus Ungläubigkeit, dabei zu sein. WM-Halbfinale, Brasilien gegen Deutschland, das Duell der Fußball-Weltmächte – Zwischenstand nach 30 Minuten: 5:0 für die deutsche Mannschaft. Am Ende siegte das Team von Bundestrainer Joachim Löw mit 7:0 und steht damit am Sonntag in Rio de Janeiro im Endspiel um den Weltmeisterpokal gegen Argentinien oder die Niederlande.
Klose ist nun bester WM-Schütze
Dass es ein großer Abend werden würde im Estadio Mineirao von Belo Horizonte, schien festzustehen. Doch alle Überhöhungen im Vorfeld waren nichts gegen die historische Dimension, die dieses Spiel schon in der ersten Halbzeit annahm. Generationen werden sich an jenen 8. Juli in Brasilien erinnern. Mit Schaudern. Mit Glücksgefühlen. Je nachdem.
Ein paar Minuten lang schien die deutsche Mannschaft beeindruckt vom grimmigen Gelb, das die Tribünen füllte, vom Lärm, der sich auf den Rasen wie eine Springflut übertrug. Doch noch bevor die Dämmerung einsetzte, begann die brasilianische Götterdämmerung.
Den Weg zum Sieg bereitete mal wieder eine Standardsituation. Einen Eckstoß von Toni Kroos drückte Thomas Müller aus fünf Metern über die Linie – und war dabei etwa so frei wie in einem Testspiel gegen eine Amateurauswahl. Deutscher Jubel auf den Tribünen nach elf Minuten. Es war nur der Prolog eines epischen Werks, in dem Toni Kroos eine der Hauptrollen spielte.
Der Münchener spielte Müller im Strafraum frei, der legte zauberhaft ab für Miroslav Klose. Der Stürmer erzielte im Nachschuss seinen 16. WM-Treffer und ist damit bester Schütze aller Zeiten. 2:0 nach 23 Minuten. Keine 60 Sekunden später landete eine flache Hereingabe von Philipp Lahm auf dem Fuß von Kroos, der volley aus 16 Metern zum 3:0 traf. Und während Brasilien in sich zusammenfiel, begann die deutsche Mannschaft zu zaubern, wie sie es zu besten Zeiten in der jüngeren Vergangenheit getan hatte. Kroos bediente den starken Sami Khedira, der legte vor dem Tor noch einmal zurück, so dass der Mittelfeldspieler keine Mühe mehr hatte, den Ball ins Tor zu schieben (26.). Und weil ein 4:0-Vorsprung auf dem Weg zu dieser WM gegen Schweden schon mal nicht ausreichte, legte die deutsche Nationalelf nach: Khedira auf Mesut Özil, Özil zurück auf Khedira. 5:0. Vier Tore in sechs Minuten. Vollkommener Irrsinn zur Halbzeit. Gellende Pfiffe von den Tribünen.
Im Angesicht eines Debakels raffte sich der Gastgeber nach der Halbzeitpause noch einmal auf. Bundestrainer Löw musste in der Innenverteidigung den leicht angeschlagenen Mats Hummels durch Per Mertesacker ersetzen. Zunächst scheiterte Oscar, dann Paulinho sogar zweimal aus bester Position am scheinbar unbezwingbaren Manuel Neuer. Der Torhüter rettete den komfortablen Vorsprung über diese etwas heikle Phase.
Beifall von den brasilianischen Fans
Und Deutschland schlug erneut zu: Lahms Flachpass schoss der eingewechselte André Schürrle zum 6:0 in Tor. Und wenig später traf erneut Schürrle zum 7:0. In Worten: Sieben zu null. Die brasilianischen Fans erhoben sich von ihren Plätzen und klatschten dem Gewinner Beifall. Aus Anerkennung für die einen. Oder aus Hohn für die anderen, die auch der Treffer von Oscar in der 90. Minute nicht trösten konnte.