Porto Andre. .
In Porto Seguro, dem Hafenstädtchen nahe des deutschen WM-Quartiers im Fischerdorf Santo Andre, sparen sich die Menschen ihre Kräfte am Mittag. Wer kann, sitzt im Schatten der Palmen, weil die Hitze auf der Haut brennt, weil die Feuchtigkeit in der Luft zu sperrig scheint, um ausreichend atmen zu können. Am Abend erwacht dieser Ort erst richtig, ehe er sich am nächsten Morgen von den Strapazen der Nacht zu erholen scheint. Begeisterung, Bedächtigkeit – Brasilien hat einen speziellen Rhythmus.
Einen Rhythmus, den es aufzunehmen gelte, wie Oliver Bierhoff in der vergangenen Woche anwies. Nach dem ersten Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft darf der Teammanager erfreut feststellen, dass dies in perfekter Weise gelungen scheint.
80 Prozent Luftfeuchtigkeit
Mit 4:0 zerbröselte die deutsche Elf Portugal in Salvador, einer ärmlichen Ostküstenstadt, in der zum Anstoß um 13 Uhr Ortszeit tropische 30 Grad herrschten – und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Aus der klimatisierten Kabine zu treten und aufs Spielfeld zu gehen, fühle sich wie eine „Backpfeife“ an, sagte Verteidiger Benedikt Höwedes.
Kühle Kalkulation von Löw
„Nach 20 Minuten habe ich auf die Stadionuhr geschaut und gedacht: Hoppla, das Spiel dauert heute aber lange“, berichtete Stürmer Thomas Müller, der Deutschland mit seinen drei Treffern innerhalb von 90 Minuten weltweit neben den Niederlanden zu einem der heißesten Favoriten auf den Titel machte. „Deutschland macht Angst“, stellte der italienische Corriero dello Sport fest, „die deutsche Truppe zerschmettert Portugal. Die Rivalen sind gewarnt: In Brasilien wird Deutschland bis zum Ende eine Hauptrolle spielen.“
Aber – und das ist neu – nicht mit dem bedingungslos begeisternden Stil, der die Mannschaft 2010 in Südafrika durch das Weltmeisterschafts-Turnier getragen hatte, sondern ganz offenbar mit kühler Kalkulation in flirrender Hitze. Akribisch hatten Bundestrainer Joachim Löw und sein Betreuerstab die Bedingungen in den Ostküstenspielorten vorab zu simulieren versucht und zugleich festgelegt, dass „es aus einer kompakten Defensive über schnelles Konterspiel“ nach vorn gehen werde.
Bemerkenswerteste Folge: Löw, sonst ein Freund des schönen, offensiven Spiels, setzte auf Fußball des Verstands, beorderte mit Jerome Boateng, Per Mertesacker, Hummels und Höwedes vier gelernte Innenverteidiger in seine Abwehrkette. Jede Menge teutonisches Sicherheitspersonal, das die jederzeit mögliche brasilianische Schirmchendrink-Party von Mario Götze, Mesut Özil, Thomas Müller und Toni Kroos stets vor unliebsamen Eindringlingen beschützt.
Aber auch die fußballerischen Feingeister hielten sich an ihre Vorgaben. „Wir müssen auf den Spielrhythmus reagieren“, hatte Thomas Müller schon vor der Partie gesagt, „wenn in einer Phase sechs, sieben Spieler nicht höchstes Tempo gehen können, ist es cleverer, sich gut zu organisieren und sich in den Positionen auszuruhen.“ Das taten die deutschen Filigrankünstler, ehe sie – wie auf ein unsichtbares Signal hin – immer wieder das Tempo erhöhten und Chancen produzierten. Begeisterung aus Bedächtigkeit.
Portugal kam daher wie das Gegenteil. Es verstrickte sich in Einzelaktionen und richtete sich selbst mit einer unnötigen Roten Karte zu Grunde. Nicht einmal eine Halbzeit genügte den Deutschen, um die Entscheidung herbeizuführen. In der zweiten sparten sie ihre Kräfte, ohne in Gefahr zu geraten. Auf dem Weg zu dieser WM hatte das schon einmal ganz anders ausgesehen. Gegen Schweden in Berlin verspielte Löws Elf im Qualifikationsspiel einen 4:0-Vorsprung. Löw war danach stark in die Kritik geraten. Der Vorwurf: Hilf- und ratlos habe er an der Seitenlinie gestanden, unfähig, das Unheil aufhalten zu können.
Samstag der nächste Hitzetag
Doch scheinbar hat er es geschafft, seiner WM-Truppe einen passgenauen Brasilien-Rhythmus zu verpassen, der auch schon am kommenden Samstag wieder gebraucht wird. Dann ist Ghana der Gegner. In Fortaleza. Voraussichtliche Temperatur in der brasilianischen Küstenstadt beim Anpfiff um 16 Uhr bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit: 28 Grad.