Salvador. .

Es war ein großer Moment für Thomas Müller. Selbst für Thomas Müller, der schon so viele große Augenblicke in seiner Karriere genießen durfte. Als seine Rückennummer 13 kurz vor dem Ende dieses WM-Vorrundenspiels gegen Portugal rot aufleuchtete auf der Wechseltafel, da trottete er hinaus zu seinem Dienstende. Auf den Tribünen von Salvador erhoben sich die Menschen, um ihn mit einem warmen Applaus vom Rasen zu verabschieden. An der Seitenlinie wartete Lukas Podolski auf ihn – und begrüßte ihn, indem er ein Hütchen lüftete, das er nicht auf seinem Kopf trug. Besondere Ehrerbietung für den entscheidenden Mann dieses kapitalen 4:0-Sieges gegen Cristiano Ronaldos Portugal. Das Ausrufezeichen, das Deutschland in den Ostküsten-Boden rammte, weht gut sichtbar im heißen Winter-Wind.

Das erste Spiel ist ja immer das, das einen durch das Turnier tragen kann. Und es ist das, das vermeintliche Geheimnisse lüftet. Ein weniger gut gehütetes war, dass der noch nicht in Bestverfassung befindliche Mittelfeldstratege Bastian Schweinsteiger nicht beginnen würde. Ähnlich erging es Miroslav Klose, dem einzigen wahren Stürmer im Kader. Für ihn lief eben jener Müller auf – und pulverisierte in 90 Minuten die wochenlange Diskussion über die Frage, warum Deutschland keinen echten Stürmer, sondern nur „falsche Neuner“ nach Brasilien entsendete. Die Antwort lautet: Weil Deutschland Müller hat.

Elfmeter eiskalt verwandelt

Eiskalt verwandelte er den berechtigten Elfmeter – verursacht von Joao Pereira an Mario Götze – zum 1:0 (12. Minute). Schlitzohrig luchste er Bruno Alves den Ball vor dem 3:0 ab und vollstreckte in einer Gedankenschnelle, wie es außer Müller nicht viele können im internationalen Fußball (45.+1). Sein unglaublicher Instinkt für die Situation führte ihn beim 4:0 kurz vor dem Ende vor das portugiesische Tor, wo er einfach nur den Ball über die Linie schieben musste, weil er ihm vor die Füße gefallen war (78.). Eine Gabe, eine Kunst, wie sie sein berühmter Namenvetter Gerd einst perfektionierte. Mats Hummels hatte zwischenzeitlich per Kopf zum 2:0 getroffen (32.). Aber Müller stahl allen die Show. Wie eigentlich immer, wenn WM ist.

2010 ging sein Stern auf, mit fünf Treffern krönte er sich bei seinem ersten großen Turnier sensationell zum Torschützenkönig. Seine Torgefahr hat er aus Südafrika nach Brasilien exportiert. Es war sein achter Treffer im siebten WM-Spiel. Müller, der Mann, dessen Beine zu dünn sind, als dass die Stutzen nicht ständig halb heruntergelassen da hängen würden, ist mal wieder die deutsche Sensation.

Rote Karte für Pepe

„Thomas hat eine ganz unorthodoxe Spielweise“, sagte Bundestrainer Joachim Löw und räumte ein, selbst ein bisschen am Ende seines Wissens angekommen zu sein: „Man weiß als Trainer selbst manchmal nicht, wohin er läuft. Unberechenbar. Er ist schwer zu greifen.“ Portugals Verteidiger-Bösewicht Pepe hatte es nach dem 0:2-Rückstand versucht: In einem Zweikampf traf er Müller mit der Hand im Gesicht. Es folgten verbale und leichte körperliche Auseinandersetzungen, an deren Ende Pepe mit der Roten Karte vom Platz flog. Da war die Partie bereits entschieden für eine deutsche Mannschaft, die nicht überragend agierte (zum Beispiel das Einzelteil Mesut Özil), aber zuverlässig.

„Für mich ist es ganz gut gelaufen“, sagte Müller, der gerade seinen Vertrag beim FC Bayern München verlängert hat, während nun sein Marktwert explodiert. Er sagte es mit diesem durchtriebenen Lächeln, mit dem er auch Fußball spielt. Müller ist 24 Jahre alt, er hat die Champions League gewonnen, den Weltpokal, Meistertitel, den DFB-Pokal. „Drei Tore in einem WM-Spiel macht man nicht alle Tage. So wird es ja nicht weitergehen. Ich denke nicht, dass ich im nächsten Spiel auch drei Tore schieße.“ Müller dachte einen Moment über seine Worte nach. Dann fügte er an: „Aber ich werde es versuchen.“ Am kommenden Samstag ist Ghana der nächste deutsche Gegner. Die Afrikaner dürften gewarnt sein vor Thomas Müller, der falschen Neun, der wilden 13.