Montreal. .
Es ist ein gemeines Wortspiel, das da vor dem Großen Preis von Kanada in der Formel 1 die Runde machte. Weil die erste Startreihe erneut mit den Mercedes-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton besetzt war und Titelverteidiger Red Bull nur dahinter fuhr, kursierte die Legende vom „Dead Bull“, dem toten Bullen. Die Eigenrettung des Championteams folgte beim dramatischsten Rennen der bisherigen Saison aber auf dem Fuße, so dass der spätere Sieger Daniel Ricciardo selbst mit reichlich Abstand sagte: „Ich stehe noch unter Schock. Es ist so surreal.“
In der vorletzten Runde eines Chaos-Rennens hatte er dem Dauer-Führenden Nico Rosberg den Sieg weggeschnappt. Gerade mal 24 und erst im siebten Rennen für den Weltmeisterrennstall, bewies der Australier echte Rennfahrertugenden und erwischte zweimal den richtigen Moment: Erst hielt er sich im Endspurt, als vier Autos fünf Runden vor Schluss innerhalb von zwei Sekunden lagen, auf dem nicht ungefährlichen Circuit Gilles Villeneuve aus allem heraus, um dann die eine sich bietende Chance zu nutzen. Champion-Arithmetik. Der angesäuerte Kollege Sebastian Vettel, immerhin Dritter, schüttelte den Kollegen, der ihm in dieser Saison jetzt auch noch einen Sieg voraus hat: „Das ist sein großer Tag.“
Vom Ergebnis allein sollte man sich nicht täuschen lassen: Mercedes hat nichts an Überlegenheit eingebüßt, der sechste Doppel-Erfolg des entzweiten Duos Nico Rosberg/ Lewis Hamilton war über die Hälfte des siebten WM-Laufs wahrscheinlicher als das Comeback von Red Bull. Eine halbe Minute Vorsprung hatten die Silberpfeile schon herausgefahren, bis sich die technischen Probleme aus dem Heck meldeten. Und zwar so synchron, als ob sich die Technik an die offizielle Gleichberechtigungspolitik der Streithähne halten würde, die sich schon in der Startkurve berührt hatten und sich anschließend gegenseitig in Fehler jagen wollten. Lewis Hamilton kam beim Boxenstopp dann auch gar nicht mehr weg, aus Sicherheitsgründen: „Du trittst auf die Bremse, das Auto wird nicht langsamer – kein gutes Gefühl.“ Rosberg hingegen drückte „wie wild alle Knöpfe im Cockpit“. Aber die neue Formel-1-Technik ist so kompakt wie kompliziert, ein Problem zieht das nächste nach sich. Zeitweise wusste der Wiesbadener gar nicht mehr, an welcher Stelle im Rennen er sich befand. Erstmals spürte Primus Mercedes damit die Tücken der neuen Technik.
Vettel hingegen hätte sich über seinen dritten Rang noch mehr freuen können. Tat er aber nicht. Dass er die Hälfte des Rennens hinter dem Force India des am Ende Fünftplatzierten Nico Hülkenberg feststeckte, verhagelte dem Weltmeister die Laune. Erst haderte er mit der Taktik des Teams: „Ich hätte mir gewünscht, dass uns was Cleveres einfällt in der Strategie.“ Und dann bekam Motorenhersteller Renault eine volle Breitseite ab: „Mit unserer Gurke geht nichts auf der Geraden. Ich komme ja nicht hierher, um Zweiter oder Dritter zu werden. Wie soll man zufrieden sein, wenn da die Chance hat und man sie nicht nutzen kann?“