Köln. .
Zwei Sekunden noch waren zu spielen, aber Lasse Svan Hansen, der Rechtsaußen der SG Flensburg-Handewitt, schüttelten Weinkrämpfe – vor Glück. Der Däne, der ein perfektes Spiel abgeliefert und sieben Tore erzielt hatte, konnte es nicht fassen, Trainer Ljubomir Vranjes kniete nieder. Der krasse Außenseiter, bei dem Keeper Mattias Andersson zum Mann des Tages avancierte, hatte den großen THW Kiel vor 20 000 Fans in Köln mit 30:28 (14:16)-Toren geschlagen und war damit Champions-League-Sieger. „Das ist einfach nur unglaublich, dass wir das geschafft haben“, sagte Vranjes, als der Goldpokal übergeben war.
Damit verpasste der THW Kiel nach 2007, 2010 und 2012 den vierten Titel im wichtigsten Klubwettbewerb der Welt. Die Flensburger, die 2004 (gegen Celje) und 2007 (Kiel) im Endspiel unterlegen waren, feierten eine der größten Sensationen der Handballgeschichte. Denkwürdig war schon der Auftritt des Teams von Ljubomir Vranjes im Halbfinale. Am Samstag hatte der Außenseiter gegen den Rekordgewinner FC Barcelona (41:39) ein episches Duell erst mit dem letzten Wurf im Siebenmeterwerfen entschieden: Als Hampus Wanne, 20 Jahre alt, per Trickwurf traf. Nun folgte das zweite Wunder.
„Das Halbfinale gewinnen wir immer“, hatte SG-Rechtsaußen Lasse Svan vor dem Final Four gejuxt. Die Kehrseite war, dass die SG die Endspiele stets verloren hatte, im deutschen Pokalfinale unterlagen sie im April zum vierten Mal in Serie. Und auch in den letzten vier Endspielen gegen den Landesrivalen scheiterte die SG zuverlässig. Mit dem ersten Titel in der Champions League verscheucht die SG den Fluch, wichtige Spiele nicht gewinnen zu können.
Extrem selbstbewusst waren die „Zebras“ in die Partie gestartet, sie schienen die Flensburger mit ihrem dynamischen Tempohandball überrollen zu wollen. Schon nach einer Minute führte der THW mit 2:0, nach gut acht Minuten bereits mit 6:2, als Gudjon Valur Sigurdsson, der schnelle isländische Linksaußen, einen Schnellangriff im Tor unterbrachte. Die SG fand einfach keine Lösungen gegen die aggressive 3:2:1-Deckung des THW. Der SG drohte der Untergang. Doch schon im Halbfinale hatte der Außenseiter einen Sechs-Tore-Rückstand gekontert, und auch jetzt wurde die 6:0-Deckung der SG griffiger, weshalb Keeper Andersson zu einigen Paraden kam.
Als Rechtsaußen Lasse Svan einen kleinen Lauf der SG zum 12:9 vollendete, war die Partie wieder offen. Die Kieler waren nun vor allem von den Flügeln erfolgreich, konnten aber ihr brutales Tempo nicht mehr durchsetzen. Kurz vor der Pause war es SG-Linksaußen Anders Eggert, der einen Tempogegenstoß zum 16:14 verwandelte. Damit war, zur Verblüffung der Fans, vor den finalen 30 Minuten alles wieder offen.
Als sich die Probleme im Kieler Positionsspiel fortsetzten, drehte Flensburg das Spiel: Die Halle tobte. 15 Minuten vor Schluss führte Flensburg plötzlich mit 23:20 (45.), und alles sprach für den Außenseiter, die Körpersprache, die bessere Deckung, der variable Angriff. „Wir haben einfach keine Antworten mehr gefunden“, sagte Sigurdsson.
Doch Kiel kämpfte verbissen um den Anschluss. Und als die SG sich im Angriff eine Krise erlaubte, verkürzte der THW auf 26:25. Als aber Kiels Rückraumschütze Wael Jallouz sich einen fatalen Fehlpass erlaubte, kippte die Partie wieder: Die SG, die cool blieb, erhöhte wieder auf 28:25 (54.). Und als Keeper Andersson 110 Sekunden vor Schluss einen Wurf Palmarssons fing, beim Stand von 30:28, war der Widerstand der Kieler gebrochen.