Essen. . Irina Mikitenko hat als Siegerin der bedeutendsten Marathon-Serie der Welt eine Million Dollar gewonnen. Jetzt geht sie auf ihre Abschiedstournee. Ein Interview.

Irina Mikitenko kommt gerade vom Training. Wenn sie von ihrer Leidenschaft zum Laufen, wenn sie von ihrem Streifzug durch die Natur erzählt, dann tut sie das mit einer so enormen Begeisterung, dass die Frühlingsfrische durch die Telefonleitung zu fließen scheint. Die 41-Jährige ist die erfolgreichste deutsche Langstrecklerin des vergangenen Jahrzehnts. In der ewigen Punktewertung der World Marathon Majors, der weltweit bedeutendsten Marathonläufe, steht sie auf Platz eins vor allen Afrikanerinnen.

Auf ihrer Abschiedstour kommt sie am 18. Mai zum Marathon durchs Ruhrgebiet Sie ist Startläuferin einer Jedermannstaffel. Die restlichen drei Plätze im Mikitenko-Quartett können Leser dieser Zeitung gewinnen. In unserem Interview spricht sie über ihr neues Leben als Trainerin, über die Unterschiede von Europäern und Afrikanern sowie vom Mann mit dem Hammer.

Frau Mikitenko, Sie haben viele Jahre das Trikot des TV Wattenscheid getragen. Jetzt kommen Sie zum Vivawest-Marathon mal wieder aus Hessen in Ihr altes Revier.

Mikitenko: Das waren meine schönsten Jahre. Ich freue mich, mal wieder hier zu sein. Marathon-Staffeln liegen im Trend. Das ist auch etwas für Anfänger. Man muss nicht direkt den ganzen Marathon laufen und spürt trotzdem die ganz besondere Atmosphäre eines Städte-Marathons. Das macht Lust auf mehr, das kann die Motivation zum Laufen noch mal richtig steigern.

Wie sieht es mit Ihrer eigenen Motivation aus?

Mikitenko: Laufen ist mein Leben. Aber mit dem Leistungssport werde ich aufhören. Ich bin auf meiner Abschiedstournee und will mich meinen Fans bis zum Jahresende noch bei vielen Läufen präsentieren.

Im September 2013 sind Sie beim Marathon in Berlin nach 2:24:54 Stunden ins Ziel gelaufen, so schnell wie keine andere Deutsche 2013, und haben auch noch den Weltrekord der über 40-Jährigen gebrochen. Werden wir Sie noch einmal im Marathon sehen?

Mikitenko: Das weiß ich noch nicht ganz genau. Vielleicht im Herbst. Aber nur dann, wenn ich topfit bin und noch einmal so schnell laufen kann.

Was machen Sie nach der Karriere?

Mikitenko: Ich habe schon begonnen, als Lauftrainerin zu arbeiten. Auf meiner Homepage run2best.de biete ich verschiedene Serviceleistungen an. Vor allem für den Breitensportbereich. Ich schreibe Trainingspläne oder gebe Tipps, wie man sich auf einen Wettkampf vorbereitet.

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Alles nur per Mail?

Mikitenko: Nein, ich schaue auch mal bei Gruppen vorbei. Zuletzt habe ich viele Anfragen aus Berlin gehabt. Ich würde auch gern mal nach Wattenscheid kommen. Ich nehme allerdings nicht jeden Auftrag an.

Welchen zum Beispiel nicht?

Mikitenko: Ein Läufer hatte sich zu seinem 50. Geburtstag etwas Besonderes ausgedacht. Er wollte 50 Marathons innerhalb eines Jahres laufen. Ich sollte ihn dabei beraten. Da habe ich nur gesagt, das mache ich nicht. Das ist doch völlig verrückt. Ich will den Leuten Spaß vermitteln und sie nicht kaputt machen.

Was halten Sie von Ihren potenziellen Nachfolgerinnen in Deutschland?

Mikitenko: Es tut sich etwas in Deutschland. Die Hahner-Zwillinge haben viel Talent. Anna und Lisa sind mit 24 Jahren noch jung. Wenn sie gesund bleiben, haben sie großes Potenzial. Marathon ist etwas für erwachsene Leute. Man muss erst einmal Erfahrungen sammeln.

Viele Marathonis erzählen vom Mann mit dem Hammer. Der lauert ab Kilometer 30, 32, macht den Kopf leer und die Beine müde. Dann läuft im wahrsten Sinne des Wortes fast nichts mehr. Haben Sie ihn auch schon mal getroffen?

Mikitenko: Ich kenne natürlich diese Geschichten. Und bei meinem ersten Marathon war ich sehr gespannt, habe auf ihn gewartet. Aber zum Glück hat er sich nicht blicken lassen. Ich hatte mich eben im Training gut vorbereitet. Klar, es gibt Momente, wo es schwer wird. Das ist Marathon. Aber gekrabbelt bin ich noch nie.

Die Marathonszene wird von Afrikanern dominiert. Was können sie, was wir nicht können?

Mikitenko: Wir Europäer denken so viel nach. Wir grübeln, ob wir auch wirklich alles richtig gemacht haben. Die Afrikaner sind ganz anders. Sie kennen keine Zweifel, denken nicht an Grenzen und glauben ganz fest an sich. Sie schlafen selbst in der Nacht vor einem Marathon wie ein Stein. So verlieren sie keine Energie.

Und wie ist es bei Ihnen?

Mikitenko: In der Nacht vor dem Wettkampf schlafe ich so gut wie gar nicht.

An was denken Sie dann?

Mikitenko: Ach, an alles Mögliche. Ob ich nicht verschlafe, ob ich meine Trinkflaschen richtig gefüllt habe, und, und, und.

Sie haben auf der Straße Ihr Geld gemacht. Als zweimalige Siegerin der World Marathon Majors haben Sie jeweils eine halbe Million Dollar kassiert. Was haben Sie mit der Million gemacht?

Mikitenko: Ich kann mich über meine Prämien nicht beklagen. Ich habe alles für meine Rente angelegt. Bis dahin muss ich aber noch hart arbeiten. Mein Sohn studiert in Bonn, meine achtjährige Tochter soll auch eine gute Ausbildung bekommen.