Leverkusen. .

Unter allen Merkwürdigkeiten, die auch diese Saison der Fußball-Bundesliga parat hält, ist das die merkwürdigste: Der Mann, der seit drei Spieltagen die Bank von Bayer Leverkusen besetzt und nach zwei Siegen ein vom heimischen Publikum gefeiertes 2:2 gegen Borussia Dortmund verbuchen konnte, lehnt es ab, zum dauerhaften Regenten in Leverkusen gekrönt zu werden. Er verhält sich wie ein Lotto-Tipper, der die Kreuzchen über den richtigen Zahlen gemacht hat, dann aber bei der Verkündung der frohen Botschaft fremdelt: Nein, wirklich nicht, danke, soll doch ein anderer die Millionen einkassieren.

Der andere, das ist in diesem Fall Roger Schmidt, den die Leverkusener von Red Bull Salzburg losgeeist und für die Zukunft zum Cheftrainer bestimmt haben. Lewandowski, der das Amt vom geschassten Sami Hyypiä übernommen hat, wird sich dann wieder der Arbeit mit der Jugend widmen, obwohl Rudi Völler, Sportdirektor der in der Rückrunde größtenteils in Tiefschlaf gefallenen Leverkusener, urteilt: „Sascha hat ein paar Hebel frei gelegt, auch mental.“

Gerissene Zehennägel

Für den BVB bedeutete das: Es musste eine außerordentliche Leistung auf den Rasen gebracht werden, um nach zweimaligem Rückstand zum Remis zu gelangen und so den zweiten Tabellenplatz endgültig zu sichern. Den zuletzt angeschlagenen Torhüter Roman Weidenfeller holte Klopp zurück. Für Erik Durm schickte er Kevin Großkreutz auf den Rasen. Mehr Eingriffe gab es nicht, obwohl am 17. Mai im Pokalfinale jede Topkraft topfrisch gebraucht wird. „Nicht aufstellen“, erläuterte der Trainer, helfe nicht, „dann reißen sie sich einen Zehnagel“.

Was dagegen helfen könnte: immer mehr Souveränität horten. Bei Marco Reus, der nach dem 1:0 von Lars Bender (7. Minute) Oliver Kirch per Freistoß das 1:1 auf den Kopf legte (29.) und nach dem 2:1 von Gonzalo Castro (35.) per Elfmeter das 2:2 (39.) selbst besorgte, entwickelt sich die Form auf diese Weise weltmeisterlich.

Auffällig war auch Kirch, bis vor kurzem in der Außenwahrnehmung noch ein Notnagel mit Rostansätzen. Der 31-Jährige erzielte nicht nur seinen ersten Treffer für Schwarzgelb, mit 102 Aktionen am Ball übertraf er auch alle anderen Feldarbeiter (Bayers Aktivster: Bender, 76). Reus jedoch bewegt sich mit Treffer 16 in der Liste der Torjäger Richtung Robert Lewandowski (18). Und auf der Liste, die Vollendung und Vorarbeit zusammenfasst, rangiert er (16 plus 13) jetzt schon auf einer Höhe mit dem BVB-Kameraden (18 plus 11). Bundestrainer Joachim Löw dürfte das mit Blick auf die WM besonders gut gefallen. Klopp gefällt besonders gut, dass sein neuer Mitte-Mann „unsere Spielweise maximalst verinnerlicht hat“: „Es macht ihm Spaß auch gegen die Kugel zu arbeiten.“

Respekt von Jürgen Klopp

In Halbzeit zwei bot sich dazu reichlich Gelegenheit, weil die ­Partie ihren Charakter radikal veränderte. „Früh draufgehen“ hatte Lewandowski seiner „Truppe“ ­verordnet, „zu mutig“, meinte er ­jedoch anschließend, wäre es gewesen, ständig nur früh draufzugehen. Im Spiel von Bayer stimmte ­also unter dem Strich nicht allein der feurige Enthusiasmus, sondern auch das kühle taktische Verhalten. Bewirkt wurde das von einem Aushilfstrainer, der sich darüber ­hinaus sogar den Respekt von Klopp beim aggressiven Liniengeplänkel verschafft hat. Dass ­Lewandowski das Millionengehalt ausschlägt, könnte Roger Schmidt demnächst nicht nur Freude ­bereiten.

Sehnsucht nach Sascha? Unter dem Bayer-Kreuz immer möglich.