Gelsenkirchen. .

Julian Draxler wollte nur noch weg. Mit zusammengekniffenen Lippen und geschulterter Sporttasche eilte der Jung-Star des FC Schalke 04 aus der Kabine, der Blick war starr Richtung Boden gesenkt. Was zu sagen war zu diesem für ihn niederschmetternden Abend, hatte er direkt nach dem Spiel in knappen Worten gesagt, die weiterführenden Gedanken nahm Julian Draxler mit nach draußen. In eine dunkle Nacht.

Doch wie es tief in ihm aussah, musste der immer noch 20-Jährige gar nicht erklären: Man konnte es ihm ansehen. Man konnte es allen Schalkern ansehen. Benedikt Höwedes trug eine dicke Beule auf dem Kopf davon, aber am schlimmsten waren die seelischen Schmerzen, die dieses 1:6 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Real Madrid hinterlassen hatte. Schalke fühlte sich wie ein Mittelklasse-Boxer, der soeben von Vitali Klitschko vermöbelt worden war. Und der drei Tage später gegen den nächsten Klitschko, den noch stärkeren Wladimir, wieder in den Ring muss. Am Samstag spielt Schalke in der Bundesliga bei Bayern München.

Heldt vermisst Schadensbegrenzung

Für Trainer Jens Keller ist es das größte Problem, eine Mannschaft wieder aufrichten zu müssen, der er zwar „Fehler über Fehler“ ankreiden musste, nicht jedoch mangelnden Willen vorhalten konnte. Sechs Kilometer mehr als der Gegner waren die Schalker Spieler insgesamt gelaufen, doch es war kein kluger Laufeinsatz, keiner mit Verstand. „Jeder hat Wege gemacht, aber wir sind nicht gemeinsam marschiert, nicht im Verbund“, analysierte Keller. Fast immer waren die Schalker Spieler nur nebenher gelaufen, was sich zum Teil auch mit jugendlicher Naivität erklären ließ: Sechs Spieler standen in der Start-Elf, die im eigenen Verein ausgebildet wurden. Aber will man etwa Joel Matip einen Vorwurf daraus machen, dass Weltfußballer Cristiano Ronaldo ihm vor dem 0:3 in rasantem Tempo solche Knoten in die Beine spielte, dass der Schalker Verteidiger danach nicht mehr wusste, wo rechts oder links war? Manager Horst Heldt tat dies nicht: „Das war unfassbar, was soll Joel da machen? Diese Eins-gegen-eins-Situation kann man nicht gewinnen.“

Was Heldt eher störte, ja sogar richtig „geärgert“ hat, war die Blauäugigkeit, dass niemand erkannte, wann es an diesem Abend genug war: Spätestens mit dem 4:0 hätte der Manager von den erfahrenen Führungsspielern das Signal zur Schadensbegrenzung erwartet, „aber wir kriegen noch das fünfte und sechste Tor“. Daran müsse man ansetzen, „auch im Hinblick auf Samstag“, sagte Heldt. Und deutete damit an, dass in München eine ähnliche Klatsche wohl im Bereich des Realistischen liegt. Keller: „Ich habe immer gesagt: Real und Bayern sind die beiden besten Mannschaften der Welt.“

Traumspiel als Boomerang

Das vermeintliche Traumspiel gegen Real Madrid könnte sich für Schalke somit sogar noch als Boomerang erweisen: Denn „der Knacks, der sicherlich da ist“ (Heldt), darf sich in den kommenden Wochen nicht als nachhaltig erweisen. Nach dem Bayern-Spiel stehen die Bundesliga-Partien gegen Hoffenheim und in Augsburg an: Hier muss Schalke reichlich punkten, wenn die inzwischen gute Position in der Liga verteidigt werden soll. Schalke muss also nach womöglich zwei herben Tiefschlägen binnen einer Woche sogleich wieder in die Erfolgsspur zurückkehren, um nicht Mitte März wieder dort zu landen, wo man sich vor der Winterpause befand. Die Angst vor dem ganz großen Knacks teilt Keller aber noch nicht: „Die Mannschaft ist gefestigt.“

Aber Körper und Geist sind geschunden: Heftig hat es Felipe Santana erwischt, der mit einem Muskelfaserriss einige Wochen ausfällt; bei Sead Kolasinac wurde zwar kein Kieferbruch diagnostiziert, aber eine heftige Prellung. Und Benedikt Höwedes trug vor allem innerlich Trauer: „Dass der Traum, den wir leben durften, so endet, ist eine ganz bittere Erfahrung.“