Es sind grausame Momente. An-dreas Wank, Marinus Kraus, An-dreas Wellinger und Severin Freund stehen im Auslauf der olympischen Schanze, starren auf die überdimensionale Anzeigetafel. Freund ist gerade als letzter Deutscher in das Tal geflogen. Gut, aber auch gut genug? Reicht es zum großen goldenen Treffer, langt es zum Olympiasieg? Neben ihnen stehen vier Österreicher und harren mit ihnen auf die Auflösung dieses Skisprung-Thrillers. Dann leuchtet die 1 für Deutschland auf. Es sind berauschende Momente. Es sind die Augenblicke, die ein Sportler nie mehr in seinem Leben vergisst.

Und dann schlagen die Emotionen Purzelbaum. Das deutsche Quartett der ebenso schmalen wie sprungkräftigen Jungs wirft sich vor freudetrunkener Ausgelassenheit gegenseitig um. Sie spüren nicht die Kälte des Kunstschnees, auf dem sie liegen. Sie sind Olympiasieger. Und das ist man für immer.

Kopf an Kopf mit Österreichern

Zum dritten Mal nach 1994 und 2002 holten die deutschen Skispringer mit 1041,1 Punkten das Mannschaftsgold. Im Kopf-an-Kopf-Rennen über acht Sprünge landeten die Österreicher nur um 2,7 Zähler, das sind lediglich eineinhalb Meter, hinter den Deutschen. Bronze ging an Japan (1024,9). Schon einmal hatte sich Deutschland in einem Schanzen-Krimi durchgesetzt. 2002, damals noch mit den Stars Sven Hannawald und Martin Schmitt, siegte das Quartett mit nur 0,1 Punkten vor Finnland.

Die vier Gold-Jungs von heute wischten sich Tränen von den Wangen. Es war eine Befreiung. Nach den beiden Einzel-Wettbewerben ohne Edelmetall lastete ein ungeheurer Druck auf ihnen. Schon bei der Vierschanzen-Tournee waren sie weit hinter den Erwartungen geblieben. Wären sie auch im Team-Wettbewerb ohne Medaille geblieben, wäre die Kritik richtig laut geworden. Aber sie lieferten die beste Antwort, die ein Sportler bringen kann: Sie gewannen einfach.

Trainer Schusters Aufbauarbeit

„Wir haben viele Durststrecken gemeinsam gemeistert. Ich bin froh, dass die Jungs ihren Lohn erhalten haben“, sagte Bundestrainer Werner Schuster, er strich sich zufrieden mit der Hand über die schwarz-rot-goldene Strickmütze und zupfte am selbst gestrickten Schal, den ihm sein Sohn als Glücksbringer mit in den Kaukasus gegeben hatte. Der Österreicher hatte in den vergangenen Jahren unermüdliche Aufbauarbeit für Deutschland geleistet. Mit vielen Rückschlägen, aber schließlich mit diesem Happy End. „Ich bin froh, dass Severin als letzter Springer dem Druck Stand gehalten hat. Es kann ein Meilenstein in seiner Karriere werden.“ Der so hoch gelobte Severin Freund, der in seiner Gruppe das Duell mit dem erfolgreichsten Skispringer der Weltcup-Geschichte, Gregor Schlierenzauer, mit 131,5 und 131 Metern gewann, wusste nach eigenen Angaben gar nicht genau, wie knapp es vor seinem finalen Gold-Satz war. „Es war eine grandiose Mannschaftsleistung“, freute er sich. Auch der 18-jährige Andreas Wellinger (133 und 134,5 m) und Andreas Wank (132 und 128 m) erfüllten die Erwartungen voll. Aber einer war doch überragend. Der gerade erst 23 Jahre alt gewordene Marinus Kraus wuchs über sich hinaus und legte mit 136,5 und 134,5 Metern den goldenen Grundstein. „Wenn mir einer vorher gesagt hätte, dass ich als Olympiasieger zurückkehre, den hätte ich wahrscheinlich für verrückt erklärt“, erzählte er und hätte dabei am liebsten die ganze Welt umarmt.

Wer solche Erfolge erringt, der darf auch groß feiern. Und so ließen die Jungs Andreas Wank um Mitternacht hochleben und brachten ihm zum 25. Geburtstag ein Ständchen. Berauschende Momente. Nicht nur für das Geburtstagskind.